Quelle: https://www.tickets-rome.com/de/borghese-gallery/location-directions-getting-there/
Mitten im Urlaub darf zwischen Colosseo und Circo Massimo auch meine Liebe zur klassischen Musik nicht zu kurz kommen. Ottorino Respighi hat die italienische Landeshauptstadt im Stil der spätromantischen Dichtung vertont, das will ich mir mal genauer anschauen. Ob die Stadt so wunderbar ist wie seine Musik?
von Johannes Karl Fischer
Eigentlich ist der Titel schon mal Quatsch. Denn Respighi war kein Römer, sondern wurde am 9. Juli 1879 in Bologna geboren. Aber der viel zu selten gespielte italienische Komponist ist und bleibt eng mit dieser zweitausend Jahre alten Stadt verbunden. Nicht zuletzt wegen seiner grandiosen sinfonischen Dichtung: Pini di Roma – auf gut Deutsch: Pinien von Rom.
Vier Sätze hat das Werk: Die Pinien der Via Appia, der Villa Borghese, auf dem Gianicolo-Hügel und die bei den Katakomben. Ich bin gespannt. So sitze ich erstmal in einem rumpelnden, roten Stadtbus auf einer römischen Kopfsteinpflasterstraße. Direzione: Via Appia Antica. Das Gefährt scheint vor schepperndem Blech beinahe auseinanderzufallen, beim Bau dieser Straße hatte man wohl andere Fahrzeuge im Kopfe.
Doch kurze Zeit später saugen meine barfüßigen Zehen die Wärme der altrömischen Steine auf. Und Pinienblicke, soweit das Auge reicht. Welche der gefühlt fünftausendsiebenhundert und dreiundzwanzig Bäume Respighi denn wohl im Blick hatte? Den großen da, rechts hinten? Den etwas Kleineren, links vorne? Egal. Es geht hier nicht um eine musikalische Monumentalisierung. Ich will diese Musik spüren, ich will sie atmen.
Das gelingt auch, bringe ich sie mir nur dank moderner Technologie vor Ort ins Ohr. Kaum tönen die majestätischen Schlussakkorde mit Pauken und Trompeten herbei, erstrahlt das altrömische Prachtwerk im vollen Glanze der prächtigen Sonne. Wie anders schreitet diese Straße nun also sonst. Respighi hat sie verewigt. Die Mittagswärme. Die ewigen Auen, auf denen einst Pferdewagen vor zigtausend Zuschauern ihre Runden drehten. Und natürlich den Duft der Pinien.
Zurück in der Stadt liege ich inmitten einer etwas vertrockneten Wiesen im Villa-Borghese-Park. Entspannung pur, und ich muss nicht mal meine liebe Musik verlassen! Aber was macht diese Musik mit dieser eigentlich gar nicht so lebendigen Landschaft: Als würden zwischen den Pinien plötzlich springende Brunnen heraushüpfen! Die Pinien auf dem Gianicolo auch noch abhaken. Pini di Roma: Completo.
Aber Moment, von wegen komplett, nix da! Denn neben den Pinien hat Respighi auch noch die römischen Brunnen – Fontane di Roma– und Feste vertont. Leider muss sich das Konzertpublikum allzu oft mit einem Drittel der römischen Trilogie zufriedengeben. Ein Puccini-Publikum wäre mit einer dreiviertelstündigen Tosca-Fassung wohl kaum zu begeistern. Aber die Brunnen wären doch auch noch was, nicht wahr?
An der Fontana del Tritone läuft man ja eh bestimmt mindestens fünfmal täglich vorbei. Von der Fontana di Trevi mal ganz zu schweigen. Aber wie genial hat Respighi hier wieder einmal das römische Leben vertont, wenn sich zwischen seinen Tönen die Touristen schon so tümmeln! Vielleicht hatte er den Wahn des modernen Massentourismus ja schon kommen sehen…
Richtig spannend wird es bei den letzten zwei Brunnen, im Valle Giulia und bei der Villa Medici. Mehr schreibt Respighi hierzu nicht – zu Mindestens nicht in Worten. Da gibt es gleich mehrere Kandidaten, auf den Spuren Respighis verlaufe ich mich nun in einer Brunnen-Schatzsuche. Aber das ist der wahre Geist dieser Musik, leicht ziellos durch Parkalleen zu spazieren. Oder auch in rumpelnden, mit der italienischen Sprache gefüllten Stadtbussen durch die Straßen zu gurken…
Können wir das nicht überall haben? Vielleicht mal eine „Églises de Paris“ oder „Münchner Stadtlinden“-Fantasie? Die Feste di Roma habe ich mir übrigens für nächstes Mal aufgehoben…
Johannes Karl Fischer, 9. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Interview mit Günther Groissböck, Teil 1 klassik-begeistert.de, 23. März 2023
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