Christian Thielemann führt durch die bayerischen Alpen

Sächsische Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann  Musikverein Wien, Großer Saal, 11. September 2023 

Foto: Christian Thielemann © Sächsische Staatskapelle Dresden / Matthias Creutziger

Musikverein Wien, Großer Saal, 11. September 2023 

Paul Hindemith: „Der Schwanendreher“; Konzert für Bratsche und kleines Orchester

Richard Strauss: „Eine Alpensinfonie“ op. 65

Sächsische Staatskapelle Dresden
Dirigent: Christian Thielemann

von Herbert Hiess

Wenn ein Konzertveranstalter mit SO einem Konzert die Saison beginnt, sollte das als Omen für diese gelten – andererseits wird damit die Latte extrem hoch gelegt. Also mit einem der besten und traditionsreichsten Orchester der Welt und einem wahrscheinlich der besten Dirigenten seiner Generation kann es schon vom Papier her nur ein Erfolg werden.

Aber ein solcher? Im Februar 2023 ließ der Kapellmeister in Wien mit den Wiener Philharmonikern eine großartige Wiedergabe der letzten Tondichtung von Richard Strauss erklingen, wo man glaubte, dass dieses Niveau niemals übertroffen werden kann.

Wiener Philharmoniker Christian Thielemann Dirigent Musikverein Wien, 17. Februar 2023 – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)

Jetzt wurde man im Musikverein davon überzeugt, dass es offenbar nach oben hin keinerlei Grenzen gibt – dazu aber später.

Vor der Pause gab es das fast skurrile Werk von Paul Hindemith „Der Schwanendreher“, das sozusagen eine Vertonung und Bearbeitung von mittelalterlichen deutschen Volksliedern ist. Paul Hindemith war selbst Bratschist und hat dieses interessante Werk für dieses solistisch eigentlich nicht so interessante Instrument geschrieben.

Das Werk schenkt dem Solisten überhaupt nichts; es beginnt schon mit schwierigen Doppelgriffen und anspruchsvollen Läufen; orchestral hoch interessant gesetzt für tiefe Streicher, Bläser, Harfe und Pauke. Schon hier bewies das Orchester sein fast übergroßes Niveau. Am eindrucksvollsten und berührendsten war der Dialog zwischen Bratsche und Harfe im zweiten Satz („Nun laube, Lindlein, laube“), wo der sympathische Solist seine große Musikalität demonstrieren konnte.

Tamestit, der freundliche Franzose, wertet das ansonsten nur als „Beiwerk“ gesehen Instrument zu einer Spezialität auf – und mit so einem Begleiter wie diesem Orchester und vor allem Thielemann konnte es nur zu einer großen Sache werden. Und als Zugabe spielte Tamestit ein Werk von Hindemith, das angeblich Jimi Hendrix inspirierte – in einem wahnsinnig halsbrecherischen Tempo; als wäre es das einfachste auf der Welt.

Nach der Pause kam der Clou mit der „Alpensinfonie“, worauf Thielemann heute sowieso eine Art „Monopol“ hat. War es schon im Februar 2023 mit den Wienern mehr als bemerkenswert, ließen der Maestro und die Dresdner fast eine neue Lesart hören.

Hier hatte man das Gefühl, dass es kammermusikalisch angelegt war; da hörte man Instrumente, die bei anderen Aufführungen normalerweise untergehen. Ein Beispiel dafür war ein Trompetensolo gemeinsam mit den Streichern. So herausgearbeitet habe ich das nicht in Erinnerung.

Jede Phase dieser musikalischen Bergtour durch die bayerischen Alpen war für sich bemerkenswert; traumhaft, wie Thielemann mit den Sachsen durch minimale Ritardandi und Temporückungen Gänsehaut erzeugen konnte.

Und nach dem enormen Gewitter, wenn beim „Abstieg“ die Orgel einsetzt, werden dann intensiv die Tränendrüsen beansprucht; Thielemann mit den Dresdnern machte in diesem Konzert eine der berührendsten Aufführungen überhaupt.

Es wäre ungerecht, bei diesem Orchester Instrumente zu erwähnen – Jede und Jeder ist hier ein wahrer Meister. Trotzdem muss man den unglaublichen Hornisten erwähnen, der bei der „Mondscheinmusik“ (aus Strauss’ Oper „Capriccio“) nach der anspruchsvollen Tondichtung noch das extrem schwierige Solo dieser daraus brillantest spielte.

Alles in allem eine denkwürdige Aufführung; der Maestro (vulgo Kapellmeister) empfing gerechtfertigt tosenden Applaus; so kann man sich auf diese Saison freuen und gespannt sein, was da noch kommen mag.

Herbert Hiess, 12. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Gustav Mahler, 3. Symphonie Sächsische Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann

Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 8 c-Moll, WAB 108 (Fassung Haas), Wiener Philharmoniker Christian Thielemann, Dirigent Musikverein Wien, 25. Februar 2023

6. Abonnementkonzert, Wiener Philharmoniker, Thielemann, Schönberg und Richard Strauss Musikverein Wien, Goldener Saal, 19. Februar 2023

Wiener Philharmoniker Christian Thielemann Dirigent Musikverein Wien, 17. Februar 2023

 

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