Das Kammermusikfest One Hundred Ears ist ein Kleinod von großer Güte

Kammermusikfest One Hundred Ears  Schloss Schmidtheim, Blauer Salon, 31. Oktober 2022

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wohnturm Schloss Schmidtheim (Dahlem)

Zum Auftakt des von Ekkehard Welkens in der Eifel organisierten Festivals erklingt Musik für – im weitesten Sinne – zwei Gitarren

Italienische Musik des 17. und 18. Jahrhunderts für Theorbe und Barockgitarre von Arcangelo Corelli, Andrea Falconieri, Giovanni Girolamo Kapsberger, Alessandro Piccinini und Ludovico Roncalli; Johann Sebastian Bach (1685-1750) – „Italienisches Konzert“ BWV 971

Lorenzo Micheli, Theorbe, Barockgitarre und klassische Gitarre

Matteo Mela, Barockgitarre und klassische Gitarre

Dahlem, Schloss Schmidtheim, Blauer Salon, 31. Oktober 2022

von Brian Cooper, Bonn

Seit etwa 20 Jahren bringt der Künstler Ekkehard Welkens exquisite Kammermusik in die Eifel, wo er schon sehr lange lebt. Zunächst „Zwischen den Jahren“ – so der Name des damals dreitägigen Kammermusikfests – in den Kornspeicher von „Gilligs Mühle“ in Antweiler, später nach Blankenheim und nun in das wunderschöne Schloss Schmidtheim, wo man beim freundlichen und humorvoll-entspannten gräflichen Gastgeberpaar von Beissel dem Hören von Kammermusik frönen darf.

Die Konzerte sind diesmal übers Jahr verteilt, was all jenen auswärtigen Kammermusik-Aficionados zupasskommen dürfte, die eher ungern Ende Dezember durchs Ahrtal schlittern. Und es lohnt sich: Zum Beispiel gibt am 11. Mai 2024 mit Freddy Kempf ein Pianist ein Rezital, der 1998 Preisträger beim Tschaikowski-Wettbewerb war.

© Dr. Brian Cooper

Hieß das Kammermusikfest zwischenzeitlich „One Hundred Chairs“, hat Ekkehard Welkens den Rahmen nun noch weiter reduziert und so noch intimer gestaltet. Der neue Name „One Hundred Ears“ verrät: Nicht mehr als 50 Leute kommen rein (oder 49 plus ein van Gogh und ein Malchus), die Atmosphäre ist besonders, und man kommt dank einiger großzügiger Förderinnen und Förderer komplett ohne Sponsoren aus. Das ist außerordentlich bemerkenswert.

© Dr. Brian Cooper

Der erste von zwei Abenden mit SoloDuo, bestehend aus den Weltklasse-Gitarristen Matteo Mela und Lorenzo Micheli, widmete sich fast in Gänze der italienischen Musik des 17. Jahrhunderts. Und siehe da, an meiner Einschätzung hat sich nichts geändert, seit ich die beiden vor ziemlich genau einem Jahr im Bonner Kunstmuseum hörte: „Es trat ein Gitarrenduo auf, das durch leise Virtuosität ungemein zu beeindrucken versteht.“ Micheli spielte dabei größtenteils auf der Theorbe, Mela die Barockgitarre – mal solistisch, meist im Duett.

Ganz besonders ergreifend war gleich im ersten Stück das gemeinsame Decrescendo: Bis ins Nichts verebbte die Musik, und fast immer würdigte das aufmerksame Publikum derartige Stellen, und somit auch die musikalische Leistung der beiden Gitarristen, indem es gemeinsam mit den Musikern zu wertvollen Sekunden der Stille beitrug, die nach fast jedem Werk entstand.

https://www.soloduo.it/about/soloduo-matteo-mela-lorenzo-micheli/

Von Jetlag übrigens keine Spur: „Die Jungs“, so der sympathische Veranstalter, seien gerade von einer USA-Tour zurück, hätten aber viel schlafen können. Ein Programmheft gab es nicht, was den interessanten Effekt hat, dass man sich, von Lorenzo Michelis englischsprachiger Moderation begleitet, noch mehr auf die Musik konzentriert. Wer was genau komponiert hat, scheint zunächst zweitrangig.

Man lässt sich also gern ein auf diesen Streifzug durch die italienische Barockmusik und erfährt dabei ganz nebenbei viel Interessantes über biographische Details, Instrumentenbau, die Entwicklung der Gitarre, ihre Geschichte und geographische Verbreitung in Italien und Spanien. Interessant ist die Vita des Italieners Kapsberger, der seiner Abstammung und seines Namens wegen Il tedesco della tiorba genannt wurde und viel Wertvolles für Laute und Theorbe hinterließ.

So manche Trouvaille hörten einige Menschen an diesem Abend sicher zum ersten Mal. Roncallis Präludium und Passacaglia aus der Sonate a-Moll für Barockgitarre klangen wie eine Meditation, gar ein stilles Gebet. Ähnlich berückend: Andrea Falconieris La suave melodia in der Fassung eines unbekannten Arrangeurs. Überhaupt hat man schon in der Barockzeit, wie heute im Jazz, Standards gehabt, über die dann improvisiert wurde, wie Lorenzo Micheli erläuterte.

Neben den Komponisten, die eher nur in Spezialistenkreisen bekannt sind, wie Piccinini und Falconieri, gab es ein unerwartetes Wiederhören mit Arcangelo Corelli, in diesem Fall von Santiago de Murcia arrangiert. Und zum Ende des klug zusammengestellten Programms verschwanden die Notenständer, Mela und Micheli rückten enger zusammen und brachten auf klassischen Gitarren ein Concerto nach italiaenischen Gusto vom Feinsten zu Gehör. Dieses Schlusswerk ist besser bekannt als „Italienisches Konzert“, und es stammt von Johann Sebastian Bach, der es für Klavier schrieb.

Und gab es mal freundlichen Zwischenapplaus, wurde dieser von den Gitarristen lächelnd aufgenommen, wie vor einem Jahr in Bonn. Ein wunderbarer Abend – da waren meine Begleiterin und ich uns einig.

Ein Flyer mit dem genauen Programm kann über die Adresse angefordert werden.

Dr. Brian Cooper, 1. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weltklasse-Gitarristen Matteo Mela und Lorenzo Micheli Kunstmuseum, Bonn, 6. November 2022

Beethovenfest Abschlusskonzert, COE, Robin Ticciati, Dirigent Bonn, Oper, 24. September 2023

Beethoven Fest Bonn: Chamber Orchestra of Europe Robin Ticciati, Dirigent Bonn, Festivalzentrale Kreuzkirche, 22. September 2023

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