Oksana Volkova (Mezzosopran) und Leon Gurvitch (Klavier); Foto Patrik Klein
Leon Gurvitch und Oksana Volkova verzaubern ihre Gäste
von Patrik Klein
Unlängst feierte der bedeutende Pianist, Komponist und Dirigent Leon Gurvitch das zehnte Salonkonzert in Neu Wulmstorf vor einer illustren Gruppe geladener Gäste.
Der aus der Hamburger Musikszene nicht wegzudenkende Künstler präsentierte Eigenkompositionen oder virtuos interpretierte bekannte Komponisten gemeinsam mit Gästen. Musiker aus der Hamburger Szene, Geigenvirtuosen, Kammermusiker oder Sänger brachten dabei Werke zu Gehör, die beeindruckten, aufregten, nachdenklich oder einfach Spaß machten.
An diesem elften Abend gab es einen ganz besonderen Gast, die belarussische Mezzosopranistin Oksana Volkova.
Oksana und Leon kennen sich aus Schulzeiten in Minsk, wo sie zusammen im Chor sangen. Ihre beruflichen Wege trennten sich, aber ein freundschaftlicher Kontakt bestand die ganze Zeit. Oksana befand sich auf dem Weg von Salzburg, wo sie als umjubelte Amneris in der Neuproduktion der Aida an der Felsenreitschule auf der Bühne stand, nach New York, wo sie die Carmen an der Met interpretieren wird. Dazwischen stand ein dreitägiger Stopp in Hamburg, um mit ihrem Freund einen von diesem für sie frisch komponierten Liederzyklus einzustudieren und vor geladenen Gästen zu präsentieren.
Eine international gefeierte Sängerin im heimischen Wohnzimmer
Ich hatte vor wenigen Tagen bereits das große Vergnügen sie in Salzburg kennenzulernen und ihrer Amneris in Andreas Gergens Premiere der Neuinszenierung von „Aida“ am Salzburger Landestheater beizuwohnen. Hier machte sie einen starken Eindruck in der Gestaltung der unglücklich mit Radamès liierten Feldherrengattin.
Einen Opernweltstar mit großer Stimme im Wohnzimmer erleben zu können, hat man also auch nicht alle Tage.
Zu Beginn wählte Leon drei Stücke aus dem sieben Werke beinhaltenden Zyklus Musique Mélancolique, der während der Pandemie entstand, als das kulturelle Leben still stand und die Verzweiflung bei vielen Künstlern wuchs.
Dabei entwickelten sich aus ruhigen oder klassisch anmutenden Klängen mit Arpeggios und kleinen Dissonanzen durchwachsene, zum Teil furiose Melodien voller Farben, Stimmungen und Emotionen. Technisch äußerst anspruchsvoll begannen Funken in allen Farben zu sprühen wie bei einem grandiosen Feuerwerk. Tempoverlangsamungen oder plötzliche Stille setzten Kontraste, die bei jedem Zuhörer individuelle Emotionen erzeugten und zu Herzen gingen. Trotz der dunklen und nachdenklichen Gesamtstimmung mündete der Zyklus in mediterraner Lebensfreude, Verspieltheit und jazzigen Improvisationen.
Die Tinte auf der Komposition „Pilgrims“ von Leon Gurvitch war noch nicht ganz trocken, als in Hamburg vor wenigen Tagen zwei Schulfreunde das Werk probten. Sieben Lieder für Mezzosopran und Klavier nach Gedichten der russischen Dichter Joseph Brodsky, Boris Pasternak, Osip Mandelstam, Alexander Blok und Marina Zvetaeva waren aus der Feder des Komponisten entstanden. An diese fünf wichtigen Dichter russischer Kultur, die alle eine schwierige Lebenssituation hatten und mit den Auswirkungen der stalinistischen Zeit kämpfen mussten, ist diese neue Musik gerichtet, die an diesem Abend zur Uraufführung gelangte. Eine düstere Dramatik liegt dem neuen Werk zu Grunde und eine Gesangslinie, die der Mezzosopranistin Oksana Volkova förmlich auf den Leib geschnitten ist.
Man kann es sich ja kaum vorstellen, wie eine Stimme in einem 80 Quadratmeter großen Wohnzimmer klingt, die ansonsten Säle mit tausenden Zuschauern füllt. Ihre dunkelst timbrierte, völlig bruchlose Stimme bis hinauf in Sopranlage ging damit spielerisch souverän um und schlug oft zarte Klänge an, ließ ihr Volumen nur an den dramatisch stärksten Stellen anschwellen. Emotional besonders stark waren die düsteren Phrasen der Musik mit nur wenig aufhellenden Momenten auch deshalb, weil sie die Sängerin selbst zutiefst berührten. Das machte den Vortrag noch lebendiger, berührender und authentischer.
Man darf sich bereits jetzt freuen, wenn dieser Zyklus öffentlich in einem Konzertsaal aufgeführt werden wird.
Zum Abschluss des Konzertes gab es noch ein Lied über eine gebrochen Liebe und eine nie so gehörte Version von „Ave Maria“ des Komponisten und Pianisten Leon Gurvitch. Auch hier ließ Oksana Volkova die Farben in ihrer Stimme erblühen und den Raum mit einer Fülle von Stimmungen fluten.
Das Publikum war am Ende verständlicherweise emotional verzaubert und den Tränen nah. Was war das für ein wunderbarer Abend in Neu Wulmstorf…
Patrik Klein, 23. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Die weißrussische Mezzosopranistin Oksana Volkova studierte Gesang an der Belarussischen Staatlichen Musikakademie in Minsk. Noch während ihres Studiums wurde sie Mitglied des weißrussische Bolschoi-Theaters. Sie war Preisträgerin des weißrussischen Staatspreises, beim Internationalen Glinka-Gesangswettbewerb sowie beim Dvořák-Gesangswettbewerb und wurde in ihrem Heimatland mit einer Francysk-Skaryna-Medaille für herausragende berufliche Leistungen in der Kultur ausgezeichnet.
2022 debütierte sie als Amneris in der Neuproduktion von „Aida“ an der Semperoper Dresden unter der Leitung von Christian Thielemann. Zu den weiteren bemerkenswerten Auftritten gehören u.a. ein Debüt 2018 bei den Salzburger Festspielen als Polina / Daphnis in „Pique Dame“ unter der Leitung von Mariss Jansons sowie Santuzza in „Cavalleria Rusticana“ am Grand Théâtre de Genève, Olga in „Eugen Onegin“ an der Hamburgischen Staatsoper und am Royal Opera House, Lola in „Cavalleria Rusticana“ am Teatro alla Scala in Mailand, und Preziosilla in „La forza del destino“ an der Israelischen Oper Tel Aviv. An der Metropolitan Opera in New York als Giulietta in Offenbachs „Les contes d’Hoffmann“, Maddalena in „Rigoletto“ und Olga in „Eugen Onegin“ wurde sie von der Presse gelobt.
Barno Ismatullaeva, Sopran, Leon Gurvitch, Klavier Elbphilharmonie Hamburg, 24. September 2023
Interview: Leon Gurvitch klassik-begeistert.de, 15. September 2023
LEON GURVITCH & ENSEMBLE, »Silentium« Elbphilharmonie, 31. März 2023 Uraufführung