Das Freiburger BarockConsort beschert Berlin einen weiteren Monteverdi-Volltreffer

Claudio Monteverdi, L’Orfeo  Philharmonie Berlin, 18. Februar 2024

L’Orfeo, Philharmonie Berlin © JF

Nach einer völlig überragenden Poppea an der Lindenoper vor gut einem Jahr gelingt in Berlin mit einem konzertanten Orfeo ein weiterer Monteverdi-Volltreffer. Mit Zinken, Pauken und brillanten Stimmen bringen die Barockspezialisten aus Freiburg die feurige Monteverdi-Oper ganz ohne Bühnenbild zum Feiern.   

L’Orfeo
Musik von Claudio Monteverdi
Libretto von Alessandro Striggio

konzertante Aufführung

Philharmonie Berlin, 18. Februar 2024

Zürcher Sing-Akademie
Freiburger BarockConsort
René Jacobs, Leitung & Szenische Konzeption

von Johannes Karl Fischer

Eine gute Flasche Wein in den Händen des Unterwelt-Fährmanns Charon, ein auf der Konzertbühne tanzender Chor, mehr braucht es auch nicht für einen lebhaften Monteverdi-Orfeo. Ganz ohne Bühnenbild entsteht eine Stimmung so feurig, dass selbst die Geigen und Flöten in den Tanz mit einstimmen. Als säße man auf einer italienischen Piazza und bekäme spontan ein Opernspektakel vorgespielt!

Verantwortlich dafür war neben einem durchwegs brillanten Gesangsensemble auch das hochengagiert spielende Freiburger BarockConsort unter der Leitung von René Jacobs. Tönende Pauken und Trompeten sorgten schon im Foyer für feierliche Monteverdi-Stimmung, die sich im Saal nahtlos fortsetzte. Kaum eine Partie ist mehrfach besetzt, jede Orchesterstimme quasi ein Solo. So wollte es Monteverdi, so spielte es dieses Ensemble. Ob feurige Straßentanzstimmung oder innigste Kontrapunktklänge, hier herrschte die volle Breite des barocken Klangspektrums. Fast schon wie ein altmusikalisches Gesamtkunstwerk…

Yannick Debus meisterte die Titelpartie des Orfeos mit brillantem Bariton, vollkommen natürlich, als wäre ihm das alles gerade erst eingefallen. Kreuz und quer wanderte er über die Bühne, als würde seine Reise in die Unterwelt ihn rein zufällig durch die Berliner Philharmonie führen! Souverän sang er sich durch die von Monteverdi reich verzierten Melodien, die Showstopperarie Possente spirto klang, als würde er siegreich um die Goldmedaille für barocke Ornamentierungskunst singen.

Countertenöre sind eigentlich nicht so mein Geschmack, aber in der Barockoper kommt man da einfach mal nicht drum. Vielleicht würde sich meine Meinung etwas zum Positiven ändern, wenn alle Sänger dieses etwas unnatürlich klingenden Fachs so mühelos und glanzvoll wie Grégoire Mour (Il Corego) und Raffaele Pe (La Speranza) singen würden. Die beiden Sänger segelten auch weit über dem hohen C durch Koloraturen und musikalische Konturen, exponierten dabei gerade mit diesem etwas speziellen Klang stark die humoristische Seite der Handlung.

Ebenfalls sehr gut sang Neal Davies den Plutones (auch Hades, um mythologische Verwechselungen zu vermeiden). Sein röhrender Bass beherrschte mächtig und stets mit komischem Beigeschmack die Unterwelt. Eva Zaïcik strahlte in ihrem sehr kurzen Auftritt als Plutones Frau, Proserpina, viel musikalischen Zauber aus; anscheinend war sie genauso begeistert vom Gesang Orfeos wie das Publikum, welches den Titelsänger mächtig applaudierte.

Die gesangliche Brillanz streckte sich in alle Nebenrollen des Abends hinein. Isabel Pfefferkorn sang eine sehr präsente Euridice, Christian Senn einen durchwegs engagierten Caronte. Ein bisschen weniger Vibrato hätte es allerdings auch getan, dann wäre es absolut perfekt gewesen…

Doch das ganz große Highlight war zugleich die Eröffnung des Abends. Eine stimmliche Sonne schien im Saal aufzugehen, als Olivia Vermeulen den Prolog im vollen Glanze in den Saal strömen ließ. Lei la musica è, sie ist die Musik, als würde sie zwei Stunden lang die ganze Geschichte allein erzählen. Leichtfüßig und mühelos mischte sie sich in den federleichten Klang des Barockensembles hinein. So eine strahlende und zugleich luftige Mezzosopran-Stimme habe ich schon lange nicht mehr gehört!

L’Orfeo, Staatsoper Unter den Linden © JF

Nach einer völlig überragenden Poppea vor gut einem Jahr gelingt Berlin mit dieser begeisternden Orfeo-Aufführung ein weiterer Monteverdi-Volltreffer, diesmal mit einem Gastensemble. Jetzt fehlt noch Il ritorno d’Ulisse in Patria…

Johannes Karl Fischer, 19. Februar 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Bayreuth Baroque Opera Festival, Claudio Monteverdi: L’Orfeo Bayreuth, 13. September 2023

Claudio Monteverdi, L’Incoronazione di Poppea  Staatsoper Unter den Linden, 26. November 2022

Pathys Stehplatz (26) – Monteverdis „Ulisse“ an der Wiener Staatsoper klassik-begeistert.de, 3. April 2023

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