Gesanglich begeistern Vogt, Groissböck und Roberts im “Parsifal” an der Deutschen Oper Berlin

Richard Wagner (1813 – 1883), Parsifal  Deutsche Oper Berlin, 25. Februar 2024

Deutsche Oper Berlin, Parsifal, Schlussapplaus (Foto Jean-Nico Schambourg)

Die Deutsche Opern Berlin wartet für die diesjährige Aufführungsserie des “Parsifal” mit einer großartigen Besetzung auf, aus der hauptsächlich Klaus Florian Vogt als Titelheld, Günther Groissböck als Gurnemanz und Irene Roberts als Kundry hervorstechen. Sie werden dabei herausragend geführt vom Generalmusikdirektor Sir Donald Runnicles.

Richard Wagner (1813 – 1883)
PARSIFAL
Bühnenweihfestspiel in drei Akten (Dichtung von Richard Wagner)

Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles
Inszenierung: Philipp Stölzl
Bühne: Conrad Moritz Reinhardt, Philipp Stölzl
Kostüme: Kathi Maurer

Parsifal: Klaus Florian Vogt
Gurnemanz: Günther Groissböck
Amfortas: Jordan Shanahan
Titurel: Andrew Harris
Klingsor: Joachim Goltz
Kundry: Irene Roberts

Orchester der Deutschen Oper Berlin
Chor des deutschen Oper Berlin (Einstudierung: Jeremy Bines)
Opernballett der Deutschen Oper Berlin

Deutsche Oper Berlin, 25. Februar 2024

von Jean-Nico Schambourg

Musikalisch ist diese Parsifal-Aufführung erste Sahne. Die Stimme von Klaus Florian Vogt eignet sich perfekt für die Interpretation des Titelhelden. Im ersten Akt passt sein helles Timber zur Rolle des unschuldig reinen Tores. Dagegen zeigt Vogt im zweiten Akt, dass seine Stimme aber auch den nötigen tenoral männlichen Klang und genug Kraft besitzt, um das Publikum mit seinem herzzerreißenden Aufschrei “Amfortas! Die Wunde” zu fesseln. Mühelos strahlt seine Stimme auch in diesen dramatischen Szenen über das Orchester hinweg, das Ganze bei vorbildlicher Wortklarheit.

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Deutsche Oper Berlin, Parsifal ©️ DR

Günther Groissböck als jungstimmigen Gurnemanz hält da voll mit. Sein langer Monolog im ersten Akt klingt nie onkelhaft und langweilig. Seine Textdeutlichkeit und seine Stimmfarben ermöglichen ihm, den Zuhörer mit seiner Erzählung zu fesseln. Im 3. Akt paart sich sein hochwertiger Gesang auch noch mit großer Emotionalität. In seiner Stimme erklingt die ganze Resignation von Gurnemanz, der durch die durchlebte Leidenszeit an Lebenserfahrung gewonnen hat.

Irene Roberts ist eine junge, schlanke Kundry, nicht nur körperlich, auch stimmlich. Sie weiß dies mit viel Verführungskunst einzusetzen. Sie ist nicht der Mutterersatz, den Parsifal in Kundry in manch anderer Interpretation sucht und zu finden glaubt. Nein, sie ist die verführerische “Höllenrose” als welche Klingsor sie bezeichnet und dementsprechend ist ihre Stimme nicht matronenhaft, sondern schlank, jung, verlockend.

Jordan Shanahan singt einen leidenden Amfortas mit schönem, rundem, leuchtendem Bariton, während Andrew Harris als Titurel eine tiefe, schwarze Bassstimme zeigt.

Joachim Goltz als Klingsor besitzt ein viriles Timber, das dem Klingsor gut ansteht, trotz dessen Selbstkastration. Auch bei ihm ist die enorme Textdeutlichkeit besonders auffällig. Diese verleiht dem Charakter des Klingsor ein fast neurotisches Profil.

Vervollständigt wird der musikalische Erfolg des Abends durch eine großartige Leistung des Chores und des Orchesters unter der Leitung von Sir Donald Runnicles, der dem Abend musikalisch seinen Stempel aufdrückt. Sein Dirigat läßt die Musik Wagners wie ein mächtiger Strom daher fließen. Wuchtige Bläserpassagen wechseln ab mit großen lyrischen Bögen. Runnicles ist stets bedacht auf eine harmonische Balance zwischen Bühne und Orchester. Nie werden die Sänger überdeckt. Dabei passen sich seine Tempi auch ganz natürlich dem Inszenierungsfluss des Regisseurs Philipp Stölzl an, der in einigen Szenen auf Slow-Motion zurückgreift und damit, im Zusammenspiel mit dem Dirigenten, eine beeindruckende Atmosphäre erzeugt.

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Deutsche Oper Berlin, Parsifal © Bettina Stöß

Was soll man ansonsten zu der Inszenierung sagen? Sie ist in großen Teilen schlüssig in ihrer Gesamtkonzeption. Man kann die Szene der Kreuzigung Jesus auf dem Berge Golgotha, die während der Ouvertüre gezeigt wird, kitschig finden. Sie erklärt jedoch sehr explizit die Schuldfrage, die während dem Rest des Abends auf Kundry lastet: sie verhöhnte Jesus am Kreuz und diese Sünde verfolgt sie den ganzen Abend lang. Im selben Sinne illustriert Stölzl verschiedene Szenen, z.B. wenn Gurnemanz erzählt, unter welchen Umständen Amfortas den heiligen Speer an Klingsor verlor.

Leider greift der Regisseur dann immer wieder auf Ideen zurück, die dem versierten Wagner-Kenner nicht einleuchten: Parsifal tötet Klingsor von hinten mit seinem eigenen Schwert, Amfortas begeht am Schluss Selbstmord, Kundry wird nicht von Parsifal getauft und erfährt keine Erlösung. Im Gegenteil, sie scheint die Ritter in der Schlussszene ebenso zu verlachen, wie sie es am Anfang mit Jesus tat.

Wie schon erwähnt zeigt Stölzl während der Ouvertüre die Kreuzigung Jesus auf dem Berge Golgotha. Als Reminiszenz an diese Szene steht auch im ersten Akt ein Berg im Mittelpunkt des Geschehens. Um diesen herum ringen sich die Gralsritter. Hier findet die Enthüllung des Grals statt. Im zweiten Akt weicht dieser Berg einer Höhle mit davor einer Opferstätte, wo Klingsor und seine Voodoo-Blumenmädchen Parsifal erwarten. Im dritten Akt findet man sich dann wieder vor dem Berg. Die Gralsritter sind allerdings Menschen aus der Zeit nach einer Apokalypse.

Das Publikum scheint die Aufführung eher gelassen aufzunehmen, zumindest was die szenische Seite angeht. Oder ist dies der Ausdruck eines sich nicht entscheiden können zwischen Zustimmung oder Ablehnung der Inszenierung? Den größten Applaus heimste zum Schluss Sir Donald Runnicles ein, neben Vogt, Groissböck und Roberts.

Jean Nico Schambourg, 28. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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