NDR Elbphilharmonie Orchester, Chöre und Solisten; Fotos: Patrik Klein
Wenn nur 1700 Gäste im Großen Saal der Elbphilharmonie lauschen, dann ist ausverkauft und die Sinfonie der Tausend verströmt Magie und Kraft.
Knapp 350 Musiker, Chorsänger und ein Dirigent schmückten dicht gedrängt das Podium und die hinteren Reihen der Elbphilharmonie Hamburg.
Gustav Mahlers monumentale Sinfonie Nr. 8 stand auf dem Programm. Drei Konzerte; dreimal ausverkauft; was wollte man mehr?
Die nicht vom Komponisten sondern von den Veranstaltern der Uraufführung so genannten „Sinfonie der Tausend“ war so ziemlich das Größte, was Mahler aus seiner Feder zauberte. Vier Chöre, ein riesig besetztes Orchester und acht Solisten waren aufgeboten.
Textursprung war der altehrwürdige Pfingsthymnus „Veni, creator spiritus“ und die Schlussszene aus Goethes Faust II. Ernste und heiligste Kunst des beginnenden 20. Jahrhundert sollten zu einem überwältigenden Spektakel verschmelzen.
„Nach dem ersten Thema wird kein Widersacher mehr im Saal sein, es muss jeden umwerfen“, soll Mahler gesagt haben.
Das Spitzenensemble bestehend aus dem Prager Philharmonischen Chor, dem Rundfunkchor Berlin, dem NDR Vokalensemble, dem Knabenchor Hannover und dem NDR Elbphilharmonie Orchester sowie einem hochkarätigen Solistenoktett nahm am gestrigen Abend, dem zweiten Konzert, diese Aussage des in Hamburg für sechs Jahre so aktiven Künstlers für bare Münze und ließ den gebannten Zuhörer an vielen Stellen in die Sitze gepresst, wie bei einer Achterbahnfahrt auf dem Frühlingsdom.
Zehn Bässe, vier Harfen, die Orgel der Elphi, eine Celesta, ein Klavier, riesiges Schlagwerk, maximale Streicherbesetzung und sechs bis achtfache Bläsergruppen passten kaum aufs Podium, denn vor ihnen waren noch die Solisten zu platzieren. Man wurde dann unweigerlich in Mahlers Kosmos gezogen und fühlte sich in einem eigenen Universum. Die Musik und die Texte waren zwar nicht immer leicht zugänglich, aber sie drückten gewaltige expressionistische Klänge und Textbilder aus. Mahlers Absichten waren wohl auch nur mit zusätzlichen Worten zu verdeutlichen, denn es sollte klingen wie die Welt. Es sollte alles enthalten und darstellen.
1906 komponierte der Meister das Stück in seinen Ferien am Wörthersee mit einem an den Schöpfergeist gerichteten Pfingsthymnus, der Vermittlung von Weisheit und Erkenntnis, sowie einer Kraft des Wissens. Im ersten Teil rief er diesen Geist an und im zweiten Teil geriet Faust als der Inbegriff des Schöpfergeistes und der Liebe, die dieser in Erlösung fand.
Die Zartheit des Orchester im zweiten Teil durch das Dirigat des umwerfenden Semyon Bychkov hatte etwas von einer Meditation über das Glück und die innere Reflexion.
So glasklar, transparent und berührend hatte man dieses Meisterstück noch nicht gehört. Die acht Solisten insgesamt großartig mit einem darüber hinausgehenden Adam Plachetka und Andreas Schager. Wahnsinn!
Die Hütte tobte am Ende. Völlig zu Recht.
NDR Elbphilharmonie Orchester
NDR Vokalensemble
Rundfunkchor Berlin
Prager Philharmonischer Chor
Knabenchor Hannover
Carolyn Sampson, Sopran
Camilla Tilling, Sopran
Miriam Kutrowatz, Sopran
Stefanie Irányi, Mezzosopran
Jennifer Johnston, Mezzosopran
Andreas Schager, Tenor
Adam Plachetka, Bass
Nathan Berg, Bass
Einstudierung: Lukáš Vasilek
Dirigent: Semyon Bychkov
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 8 für drei Sopran- und zwei Alt-Soli, Tenor-, Bariton- und Bass-Solo, Knabenchor und zwei gemischte Chöre sowie großes Orchester
Erster Teil Hymnus „Veni, creator spiritus“
Zweiter Teil Schlussszene aus Goethes „Faust II“
Der klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Meist lauscht und schaut er privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit… aber immer mit großem Herzen!