Andris Nelsons tappt in Bruno Walters Fußstapfen: Die Wiener Philharmoniker lassen Mahler 9 auch in Salzburg blühen 

Gustav Mahler, Sinfonie Nr. 9, Wiener Philharmoniker, Andris Nelsons, Dirigent    Großes Festspielhaus, Salzburg, 11. August 2024

Wiener Philharmoniker, Andris Nelsons Dirigent © Marco Borrelli

Mit dieser monumentalen Aufführung von Mahlers neunter Sinfonie nähern sich Andris Nelsons und die Wiener Philharmoniker der Vollendung eines neuen Mahler-Zyklus. Anderthalb viel zu kurze Stunde lassen Dirigent und Orchester das Publikum diese Musik spüren und atmen: Vor allem dank der brillanten Hornsoli wir dieses Orchester seinem Ruf als weltbester Mahler-Klangkörper mehr denn gerecht! 

Wiener Philharmoniker
Andris Nelsons, Dirigent

Gustav Mahler, Sinfonie Nr. 9

Großes Festspielhaus, Salzburg, 11. August 2024

von Johannes Karl Fischer

Ein paar Seiten muss man im Programmheft blättern, um auf die Umstände der Uraufführung von Mahlers neunter Sinfonie zu stoßen. Es spielten am 26. Juni 1912 die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Bruno Walter… aha, das heutige Orchester ist mit dieser Sinfonie also quasi seit ihrer Geburt eng verbunden. Entsprechend hoch die Erwartungen an den ohnehin wohl weltbesten Mahler-Klangkörper… ob der Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons diese erfüllen kann?  

Ja, und wie! Nach einer ganz kleinen Aufwärm-Phase zu Beginn des ersten Satzes – für dieses Orchester nicht untypisch – lässt der Chef am Pult das volle musikalische Farbenspektrum dieses Klangkörpers in aller Kraft und Ruhe aufblühen. Jede einzelne Steigerung holt er tief aus den leisesten Klängen aus Neue heraus, über weite Strecken lässt er die Streicher in zuckersüßen und seidensanften Glissandi zerschmelzen. Völlig mühelos schwebt das Orchester zwischen den klassisch tonal entferntesten Akkorden, die sehr zahlreichen Dissonanzen im Schlusssatz  gehen tief unter die Haut und streicheln das Ohr sanft wie auf wolkigen Höhen.

Mahler ist – ganz wie sein musikalisches Vorbild Richard Wagner – weder „vor allem laut“ und erst recht nicht „nur laut“. Natürlich scheint vor allem im dritten Satz der Saal an einigen Stellen regelrecht überzukochen, da wird man mit voller Wucht in den mächtigen Strudel dieser Musik hineingesaugt. Andris Nelsons stürzt das Orchester mit besonders heftiger Wucht in diese Rondo-Burleske, die kurze aber harmonisch verrückte Fuge scheint er ins schier unermessliche zu steigern. Keinesfalls zu viel, zu lang, oder zu laut. Diese Musik braucht einfach mächtige Klänge um einen, die noch mächtigeren Emotionen im Mahler-Universum, spüren zu lassen.

Der Großteil dieser Sinfonie gilt eher der Ruhe, zwei jeweils monumentale langsame Sätze stehen an Beginn und Ende dieser Sinfonie. In langen, scheinbar endlosen Melodien und Atemzügen lassen Dirigent und Orchester das Publikum diese Klänge aufsaugen, wie ein Naturlaut in den Südtiroler Hochalpen. Als würde man eine Stunde lang im siebten Himmel zwischen blumenbedeckten Alpenalmen schweben und frische Landluft atmen… und die grenzenlose Kraft der hohen Berggipfel über einem spüren.

Wiener Philharmoniker, Andris Nelsons Dirigent © Marco Borrelli

Zum absoluten Highlight des Abends wurden die in dieser Sinfonie sehr zahlreich verstreuten Bläsersoli, vor allem in den Hörnern. Bei diesem Orchester spürt man jeden Atemzug der quasi gesanglichen Melodien, die Schlusspassage des Kopfsatzes wurden zu einer Paradeleistung eines und rund geschliffenen und auf der Zunge zergehenden Bläserklangs. Völlig unmerklich vergeht hier die Zeit, als würde sie selbst zum Raum werden. Inmitten dieser klanglichen Intimität von fast schon kammermusikalischer Natur tanzten auch die Länder mit viel Volksmusik-Infusion luftig durch den Raum. Als würde man zur Abwechslung auf einen flotten Walzer auf einer sommergrünen Alpenalm einstimmen…

Wiener Philharmoniker, Andris Nelsons Dirigent © Marco Borrelli

Mit dieser brillanten Aufführung von Mahlers wegweisender neunten Sinfonie nähert sich Andris Nelsons der Vollendung seines Wiener Mahler-Zyklus, ein starker Kandidat für die Geschichtsbücher der Mahler-Sinfonien.

Der Komponist wie auch sein Sidekick Bruno Walter wären grenzenlos begeistert gewesen… ganz wie das Publikum beim fulminanten Schlussapplaus. Unsterbliches Leben hat Mahler eben dieser Musik gegeben!

Johannes Karl Fischer, 11. August 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Wiener Philharmoniker, Andris Nelsons, Dirigent, Gustav Mahler (1860-1911) – Sinfonie Nr. 7 in e-Moll Köln, Philharmonie, 22. Januar 2023

Andris Nelsons, Wiener Philharmoniker, Salzburger Festspiele, 7. August 2020

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