Musikverein Wien, Großer Saal, 30. Oktober 2024
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 5 in Es-Dur op. 73
Béla Bartók
Konzert für Orchester Sz 116
Antonín Dvořák
Klavierquintett Nr. 2 in A-Dur op. 81
Oslo Philharmonic
Klaus Mäkelä, Dirigent
Leif Ove Andsnes, Pianist
von Jürgen Pathy
„Mensch Betty – was machst denn du jetzt hier!?“. Mäkelä schauen, was sonst. Das haben sich rund 2000 Gäste ebenso gedacht. Ausverkauft, selbst am Stehplatz quillt alles über. Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 geht halt immer. Adidas Turnschuhe, daneben billige Gummisohlen, die ständig quietschen. Beethovens „Emperor“ treibt halt so richtig an. Allegro in Es-Dur, 4/4 Takt, der zieht. Die beiden Männer tanzen. Wäre Beethoven ein DJ, er wäre genauso erfolgreich.
Leif Ove Andsnes verdient viel Applaus
„Emperor“-Klavierkonzert, das ist für manche eine Symphonie mit obligatem Klavier. Nicht an diesem Abend. Leif Ove Andsnes stiehlt Mäkelä fast die Show. Er ist hier eigentlich das Highlight. Der Klang: Perlend, vor allem bei den Läufen, die den ersten Satz prägen. Adagio – derselbe Genuss. Was für ein Ausdruck, welch gewaltiger Ton – zum Niederknien.
Mäkelä holt beinahe das Optimum raus. Hatte das Oslso Philharmonic im Kopfsatz noch Mühen. Fast wie Originalklang-Instrumente. Ständig on the edge, knapp an der Klippe, manchmal darüber hinaus. Gießen die plötzlich einen Klang in den Raum, als wäre man inmitten einer Kernfusion. Mäkelä, Andsnes und das Orchester – allesamt vereint in der herzzerreißenden Welt von Beethoven. Mäkelä gebührt hier Lob. Drei Sätze, drei unterschiedliche Klangwelten, die er hier zum Vorschein bringt.
Nur der Schlusssatz zieht sich. Liegt halt an Beethoven, muss man ganz ehrlich sagen. Die Hälfte der 431 Takte hätte er sich sparen können. Macht nichts. Andsnes liefert. Selbe Klarheit wie zuvor. Nur eins ist gewiss: Donnernder Oktaven- und Akkordeklopfer ist er keiner. Das beweist auch die Zugabe. Irgendwas Romantisches, womit der Norweger sich keinen Gefallen macht.
Klaus Mäkelä als Kammermusiker
Mäkelä hingegen überrascht noch mehr. Bartók, Konzert für Orchester, Sz 116. Als das zugänglichste Werk des ungarischen Komponisten wird es gehandelt. Dem kann man nur zustimmen. Beschreiben aber dennoch nur schwer. Keine klare Melodie, wenig Ecken zum Anhalten, dennoch mit großer Sogwirkung. Reine Atmosphäre, rund 40 Minuten, mit kleinen Ausflügen: Mahler hier, Gershwin da, aber immer nur rudimentär als kurze Ansätze. Ansonsten eine eigene Sprache.
Mäkelä und die Osloer übersetzen hinreißend. Komplett anderes Klangbild als noch bei Beethoven. Als hätte man das Orchester ausgetauscht, das hier seine Handschrift präsentieren kann. „The Oslo Philharmonic is a very dark, intense orchestra“, hatte Mäkelä im Vorfeld erwähnt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Nur: Dass Mäkelä tiefer in die Herzen vorgedrungen ist. Ein Besessener, der nach fast zwei Stunden Dirigieren noch immer lächelt. Mitten unter den Musikern dieses Mal. Weißes Hemd weg, schwarzes T-Shirt ran. Lackschuhe und Zweireiher bleiben natürlich. Nur der Saal hat sich geändert. Wer im Anschluss noch wollen würde, hatte Intendant Stephan Pauly zu Beginn angepriesen, der könne noch in den Gläsernen Saal.
Drei Stockwerke tiefer, irgendwo in den Katakomben des Musikvereins. Da schwingt sich Klaus Mäkelä ans Cello, taucht in Dvořáks Klavierquintett. Musikerinnen des Orchesters mit dabei, Leif Ove Andsnes natürlich ebenso. Beachtlich, hätte man die heißblütige Dame an der 1. Geige nur etwas gezügelt.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 1. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at