© Sebastien Grebille
An der Philharmonie in Luxembourg startet Cecilia Bartoli ihre Tour durch Europa mit “Orfeo ed Euridice” von Christoph Willibald Gluck. Begleitet vom Orchester “Les Musiciens du Prince-Monaco” unter der Leitung von Gianluca Capuano, dem Chor “Il Canto Orfeo”, sowie der Sopranistin Mélissa Petit, zeigt sie, dass sie noch immer zur Spitze heutiger Opernsängerinnen gehört. Das wunderbare Zusammenspiel aller Musiker und Sänger beschert einem begeisterten Publikum einen beglückenden konzertanten Opernabend.
Christoph Willibald Gluck (1714-1787)
Orfeo ed Euridice
Atto d’Orfeo (Libretto: Ranieri de’ Calzabigi)
Musikalische Leitung: Gianluca Capuano
Les Musiciens du Prince-Monaco
Il Canto di Orfeo
Luxembourg, Philharmonie – konzertante Aufführung, 3. November 2024
von Jean-Nico Schambourg
Gespielt wird die Oper in der Version von Parma aus dem Jahre 1769.
Sieben Jahre zuvor hatte die Oper ihre Uraufführung in Wien. In der Wiener Fassung in drei Akten gibt es ein Happyend: Orfeo und Euridice werden wiedervereint. Nicht so bei der Version aus Parma, die aus einem globalen Akt besteht und deshalb als “Atto d’Orfeo” benannt wird: Nachdem Orfeo Euridice definitiv verloren hat, begeht er Selbstmord, um so seiner Geliebten im Totenreich nah sein zu können. Musikalisch hat Gluck die Partie des Orfeo, in Wien vom Altkastraten Gaetano Guadagni aufgeführt, umgeschrieben für den Soprankastraten Giuseppe Millico.
In dieser höheren Version kann Cecilia Bartoli ihre heutigen stimmlichen Stärken voll ausspielen. Die Stimme ist, im Vergleich zum Beginn ihrer Karriere, heller geworden. Sie hat ein wenig am samtigen Klang ihres Mezzosoprans verloren. Dagegen hat sie an Ausdruckskraft hinzugewonnen und ihre Gesangstechnik ist immer noch grandios, einzigartig und kann alle Klippen der Partitur gefahrlos bewältigen. So attackiert sie die ersten Phrasen der berühmten Arie “Che farò senza Euridice?” kraftvoll und in höllischem Tempo und macht so die Verzweiflung von Orfeo noch hörbarer. Dann bei der Wiederholung am Ende der Arie lässt sie dieselben Phrasen auf einem Hauch von Stimme und in getragenem Tempo durch den Saal schweben und zeigt somit die Resignation von Orfeo.
Auch szenisch fesselt sie das Publikum vom ersten Auftritt bis zum letzten Moment: Jede Geste, jede Mimik, jeder Blick vermittelt die Gefühlslagen, die Orfeo durchläuft und wirkt trotzdem nie künstlich aufgesetzt!
Mélissa Petit steht ihr zuerst als Amore, dann als Euridice zur Seite. Als Amore klingt ihre Stimme klar und schelmisch. Später als Euridice lässt sie deren ganze Verzweiflung an der scheinbaren Kaltherzigkeit Orfeos mit sehnsuchtsvollem Klang erklingen. Ihre Arie “Che fiero momento” geht unter die Haut. Im Duetto mit Orfeo “Vieni, appaga il tuo consorte” verschmelzen die beiden Stimmen wunderbar miteinander.
Die dritte “sängerische Hauptperson” in dieser Oper ist der Chor. Hier steht mit “Il Canto di Orfeo” (Leitung: Jacopo Facchini) ein außergewöhnliches Klangensemble auf der Bühne. Ob als trauerndes Volk mit tief bewegendem Legatogesang oder als höllische Furien mit deklamatorischen Forteausbrüchen, der Chor beeindruckt den Zuhörer durch seine homogene Klangqualität, die in diesem Fach ihres Gleichen sucht.
Das musikalische Ereignis wird abgerundet durch das Orchesterspiel der “Les Musiciens du Prince-Monaco” unter der Leitung von Gianluca Capuano. Vom ersten Ton an reißen die Musiker den Zuhörer aus seiner auditiven Komfortzone, die er von manch anderer Interpretation dieses Werkes kennt. Hier wird gleich klar, dass es um Orfeos Kampf geht gegen übermächtige Kräfte um das Leben seiner Geliebten. Mit zum Teil wahnwitzigen Tempi heizen Dirigent und Orchester dem Publikum gehörig ein, wissen aber ebenso die lyrischen Passagen mit reizvollem Klang auszustatten. Orchestraler Höhepunkt ist das Zwischenspiel “Danza delle furie” wo das Durchqueren Orfeos der Höllentor plastisch von Blechbläser und Percussions dargestellt wird, unterstützt vom nervösen Schwirren der Saiteninstrumente und Klingen der Holzbläser.
Das Publikum spendete stehend Applaus an alle Interpreten. Es ist schon heute gespannt, ob und mit welchem Werk all diese wunderbaren Musiker, allen voran Cecilia Bartoli, uns in den nächsten Jahren beglücken werden!
Jean-Nico Schambourg, 5. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Rezension: Gluck, Orfeo & Euridice klassik-begeistert.de, 5. Mai 2024