WSY Philippe Jordan © Amar Mehemdinovic
Schon eigenartig: Da geht man in ein Konzert mit einem der opulentesten Werke der Musikgeschichte, hört ein exzellentes Orchester, eine wahrhaft luxuriöse Sängerbesetzung, großartige Chöre und einen sehr bekannten Dirigenten. Man ist stellenweise sehr beeindruckt – und man hatte danach trotzdem das Gefühl, dass etwas gefehlt hat.
Gustav Mahler
Symphonie Nr. 8 in Es-Dur „Symphonie der Tausend“
Elisabeth Teige, Johanni von Oostrum, Regula Mühlemann, Tanja Ariane Baumgartner, Noa Beinart, Benjamin Bruns, Christopher Maltman, Tareq Nazmi
Wiener Sängerknaben
Wiener Singverein
Wiener Singakademie
Wiener Symphoniker
Dirigent: Philippe Jordan
Wiener Konzerthaus, 7. November 2024
von Herbert Hiess
Aber schön der Reihe nach: Hauptperson an diesem Abend war doch Maestro Philippe Jordan, der auch Chef der Wiener Symphoniker war und nun seine letzte Saison an der Wiener Staatsoper als Musikdirektor hat.
Der exzellente und souveräne Dirigent beging heuer seinen 50. Geburtstag; und Zufall oder nicht – man programmierte im Wiener Konzerthaus Mahlers „Symphonie der Tausend“; ein Werk, das aufgrund des enormen Aufwandes sehr selten auf den Konzertprogrammen zu finden ist.
Nun hatte man im Wiener Konzerthaus die Gelegenheit, an drei Abenden dieses faszinierende Opus anzuhören mit einer internationalen hochkarätigen Sängerbesetzung. Diese braucht es auch, da Gustav Mahler hier absolut nicht „sängerschonend“ komponierte. Soprane und Tenor müssen über lange Strecken in höchsten Lagen singen und werden da vor besondere Herausforderungen gestellt.
An diesem Abend waren alle acht Damen und Herren phantastisch disponiert; es ist fast ungerecht, da jemanden speziell hervorzuheben. Vor allem der erste Sopran („Magna Peccatrix“) hat hier einen sogenannten „Beuschelreißer“ durchzustehen (Anm.: Beuschel ist der wienerische Ausdruck für die Lungen).
Die Norwegerin Elisabeth Teige bezwang diese Partie mit enormer Bravour. Ihre wunderschöne und präsente Stimme klang über das riesige Orchester und die Sängerin füllte sie dazu noch mit großartiger Musikalität. Und ebenso beeindruckend die Südafrikanerin Johanni van Oostrum, von der man hoffentlich noch viel hören wird. Die zwei tiefstimmigen Damen Noa Beinart und Tanja Ariane Baumgartner perfektionierten das Ensemble und engelsgleich klang die Schweizerin Regula Mühlemann von der obersten Empore als „Mater Gloriosa“.
Ebenso erfreulich die Herren – allen voran bewundernswert Benjamin Bruns als exzellenter und kultivierter Tenor, wo vor allem das „Blicket auf“ einen gewaltigen Gänsehautfaktor hatte. Keine Höhe war ihm offenbar zu hoch. Immer souverän die Stimmführung und die Musikalität.
Traumhaft der Bariton Christopher Maltman und auch der gebürtige Bassist Tareq Nazmi. Übrigens ist Herr Nazmi in Kuwait geboren und Frau Beinart in Tel Aviv; schade, dass offenbar nur die Musik diese Kulturen verbinden kann, wie man aktuell sieht. Das sollte auch als Beispiel für die Weltpolitik stehen!
Zurück zur aktuellen Aufführung: Großartig die Chöre des Wiener Konzerthauses (Wiener Singakademie), des Wiener Musikvereins (Wiener Singverein) und natürlich die Wiener Sängerknaben. Großartig einstudiert und exzellent gesungen; manchmal hätte man sich vielleicht noch mehr Pianokultur wünschen können; da hätte Maestro Jordan mehr drauf schauen müssen.
Ja, und irgendwann wird man dem Singverein sein unprofessionelles Verhalten verzeihen können, aus mehr als nebulösen Gründen und falschem Geschichtsverständnis, ein Werk nicht einzustudieren – das ist international einmalig gewesen (Kommentar von Herbert Hiess – zur Absage von Sergej Prokofjews Kantate „Alexander Newskij“ klassik-begeistert.de 17. Oktober 2022 – Klassik begeistert).
Und nicht zuletzt die Wiener Symphoniker und Philippe Jordan. Der Dirigent hat eine souveräne und perfekte Schlagtechnik; das Orchester, Solisten und Chöre folgten ihm auf jeden Impuls hin. Das Orchester war in allen Instrumentengruppen perfekt disponiert.
Die Piano- und Pianissimo-Stellen hätten manchmal so klingen müssen und die Fortissimo-Stellen waren zwar alle recht laut aber niemals so wuchtig, wie man es sich wünschen würde.
Ganz eigenartig das Schlagwerk; waren zwei Paukisten anwesend, die bei den Schlüssen von Teil eins und zwei die Schläge spielten. Nur leider nicht fortissimo, wie es sein sollte. Die Paukenwirbel spielte dann nur der erste Paukist, der natürlich sofort in den Klangmassen unterging. Überall anders wird beispielsweise der Schluss von Teil 2 von beiden Paukisten mit jeweils ZWEI Schlägeln gespielt und nicht fast mezzoforte mit jeweils einem. Daher war klanglich absolut nicht die Relation zum gesamten Orchester gegeben.
Und leider beging Philippe Jordan den Fehler, bei beiden Schlüssen aufs „Tempo zu drücken“, was eine Steigerung dann fast unmöglich machte. Schade, denn alle Voraussetzungen wären gegeben gewesen.
Nachträglich kann man Maestro Jordan nur die besten Wünsche zu seinem 50er übermitteln und ihm zu der exzellenten Aufführung gratulieren.
Herbert Hiess, 8. November 2024, für
klassik-begeistert.de und begeistert.at
Wiener Philharmoniker, Midori, Nelsons Wiener Konzerthaus, 18. Oktober 2024
Nova Orchester Wien / Walker BRUCKNER NOW! Wiener Konzerthaus, 27. September 2024
Es war einfach nur verzaubernd!! Unbeschreiblich!
Johann Rameder
„Wenn Sie nicht wissen, was Sie sagen sollen, sagen Sie einfach Kontrabässe falsch oder Pauken falsch, das stimmt immer!“. Dieses Zitat, zu einem Dirigierschüler gesagt, stammt von Hans Swarovski, berühmter Dirigierlehrer u.a. von Zubin Mehta und Claudio Abbado.
Ich wusste nicht, das das auch für Kritiker gilt! Denn Partiturstudium wäre angebracht gewesen, dann hätten Sie nämlich bemerkt, dass die beiden Paukisten sich ganz genau an die Anweisungen Mahlers gehalten haben! Ich hatte das Vergnügen, alle drei großartigen Konzerte zu hören und kann diese Kritik diesbezüglich überhaupt nicht nachvollziehen.
Gerit Hofer