Beatrice Rana © Marie Staggat
Und das in einem Stück, das angeblich keine Musik enthält: Das Orchestre National de France beschert dem Kölner Publikum ein zauberhaftes französisches Programm. Dabei ragen besonders die Holzblasinstrumente hervor. Und die Solistin des Abends, Beatrice Rana.
Paul Dukas (1865-1935) – L’apprenti sorcier (Der Zauberlehrling)
Maurice Ravel (1875-1937) – Klavierkonzert G-Dur
Igor Strawinsky (1882-1971) – L’oiseau de feu (Der Feuervogel, Suite 1919)
Maurice Ravel – Boléro
Beatrice Rana, Klavier
Orchestre National de France
Cristian Măcelaru, Dirigent
Kölner Philharmonie, 5. Dezember 2024
von Brian Cooper
„Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Boléro; leider enthält er keine Musik“, soll Maurice Ravel über seinen Klassiker, sein wohl berühmtestes Werk, zum Schweizer Komponistenkollegen Arthur Honegger gesagt haben (dessen Pacific 231 übrigens seinerseits ein riesenhaftes Crescendo ist und durchaus gern häufiger gespielt werden dürfte).
Das ist nur eine von vielen Anekdoten zum Boléro. Unvergessen bleibt die Dame, die bei der Uraufführung angeblich ausgerufen haben soll, der Komponist sei verrückt. Was dieser mit dem Bonmot quittiert haben soll, sie habe ihn als Einzige verstanden.
Das Orchestre National de France (ONF) hat Ravel in seiner DNA, das wurde an diesem von Chefdirigent Cristian Măcelaru geleiteten Abend überdeutlich. Während Dukas’ Zauberlehrling und Strawinskys Feuervogel – also jene beiden Werke, die das Zaubern und Verzaubern explizit im Programm haben – eher moderate Ekstase entfachten, waren es die beiden Ravel-Werke, die außerordentlich gut rüberkamen.
Das lag zum Einen an außerordentlich guter Probenarbeit; zum Anderen hatte man für das G-Dur-Klavierkonzert mit Beatrice Rana eine außerordentlich gute Solistin verpflichten können, die sich ganz offenkundig im französischen Impressionismus wohlfühlt, denn auch Claude Debussys L’isle joyeuse war eine grandios gespielte Zugabe.
Den Vergleich mit den Kolleginnen Argerich, Grimaud und Wang braucht Frau Rana im Ravel-Konzert keinesfalls zu scheuen. Sie verfolgt einen durchdachten, stringenten Ansatz, dabei jeder Note gleichberechtigte Bedeutung verleihend. Das führt dazu, dass man einige Töne und Passagen neu hört – und das ist wie immer ein Kompliment, das auch auf einige Orchesterpassagen ausgeweitet werden kann.
In Ranas Spiel beeindruckt unglaubliche Kontrolle. Da wird nichts runtergeschludert, da geht nichts unter, sie respektiert die Partitur aufs Genaueste, spielt dabei mitunter magische Piani (Zauberei!), und Măcelaru ist anzurechnen, dass ihm eine perfekte Klangbalance gelingt. Die flirrende Stelle im Kopfsatz, mit Harfen-Flageoletts, hohen Violinen und dem (einmal kurz schwächelnden) Solo-Horn, gelingt fein; im Adagio singt der Steinway unter Ranas Händen, sie bereitet dem Englischhorn-Solisten ein samtiges Bett, und wie dieser das Thema aufnimmt, das ist ein Highlight des Abends.
Überhaupt ragte in allen in diesem Konzert gespielten Werken der besonders edle Klang der Holzblasinstrumente hervor. Das war absolute Weltklasse, wie die Solofagottistin das Thema im Zauberlehrling und die Berceuse im Feuervogel intonierte. Auch letzteres Werk ist in gewissem Sinn französisch, wurde es doch für die Ballets Russes geschrieben und 1910 in Paris uraufgeführt.
Die junge Dame in Reihe 15, die die letzten Takte des Feuervogels filmte, wurde zum Glück im Boléro vom Saalpersonal erspäht und gestoppt, ebenso wie ihr „Kollege“ in Block Z. Solche Momente stören, konnten aber nicht die Freude über einen wunderbaren Boléro trüben, den Măcelaru unglaublich leichtfüßig, tänzerisch und drängend dirigierte. Herausragend war vor allem das Posaunensolo, das mit einer fast schon erotisch-frivolen Sinnlichkeit in den Saal geblasen wurde. Toll.
Insgesamt also ein guter Abend. Das ONF würde ich vielleicht nicht zur absoluten europäischen Crème de la Crème zählen, aber im französischen Repertoire macht ihnen so schnell keiner was nach. Weltklasse-Holz, sehr warme Streicher.
Wenn der Höhepunkt des Abends, der Boléro, also „keine Musik“ ist, dann möchte ich für den Rest meines Lebens „keine Musik“ hören dürfen. Besonders, wenn sie so genial orchestriert ist wie von Maurice Ravel.
Dr. Brian Cooper, 6. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
2. Ravel-Klavierkonzert, Beatrice Rana, Klavier Elbphilharmonie Hamburg, 2. Dezember 2024
WDR Sinfonieorchester, Roderick Cox, Dirigent Kölner Philharmonie, 29. November 2024
30 Jahre Tetzlaff Quartett Kölner Philharmonie, 26. November 2024