Sommereggers Klassikwelt 274: Lotte Lehmann – „Sie hat gesungen, dass es Sterne rührte“

Sommereggers Klassikwelt 274: Lotte Lehmann  klassik-begeistert.de, 26. Februar 2025

© de.wikipedia.org

Dieses Zitat stammt vom großen Komponisten Richard Strauss, und ziert den Grabstein Lotte Lehmanns auf dem Wiener Zentralfriedhof. Wer die Stimme Lehmanns von den erfreulich vielen existierenden Tonaufnahmen kennt, kann sich dem Reiz ihres leuchtenden Timbres nicht entziehen.

von Peter Sommeregger

Der spätere Weltruhm wurde der am 27. Februar 1888 im brandenburgischen Perleberg geborenen Tochter eines Beamten nicht an der Wiege gesungen. Ein angestrebtes Gesangsstudium wurde erst durch die Förderung eines Gönners möglich. Sie studierte zuerst an der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin, wechselte aber später in die privaten Institute von Etelka Gerster und Mathilde Mallinger, der ersten Sängerin von Wagners Eva in den „Meistersingern von Nürnberg“.

Ihr erstes Engagement erhielt Lehmann in Hamburg, wo sie zunächst in kleinen Rollen erste Erfahrungen sammelte. Ihren Durchbruch hatte sie, als sie für eine erkrankte Kollegin als Elsa im „Lohengrin“ einsprang. Dirigent war der junge Otto Klemperer, der später ebenfalls zu Weltruhm kam. Nach einem Probeauftritt an der Wiener Hofoper wurde sie 1916 Ensemblemitglied dieses Hauses. Noch im gleichen Jahr kreierte sie die Rolle des Komponisten in der zweiten Fassung von Strauss/Hofmannsthals „Ariadne auf Naxos“. Schnell avancierte Lehmann in Wien zum Publikumsliebling und erarbeitete sich ein umfangreiches Repertoire, u.a. in den Opern Puccinis.

Große Erfolge feierte die Sängerin auch bei zahlreichen Gastspielen im Ausland und bei den Salzburger Festspielen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wollte das Regime Lotte Lehmann zur „Staatskünstlerin“ an der Berliner Staatsoper aufbauen. Die Sängerin lehnte dies ab, und zog sich bis zum „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich nach Wien zurück.

Schließlich entschloss sie sich zur Emigration in die USA, wo sie bereits seit Jahren erfolgreich aufgetreten war. Neben Opernauftritten war Lehmann auch als Liedsängerin sehr erfolgreich. Bis 1951 setzte sie ihre Bühnenkarriere fort, danach trat sie noch längere Zeit bei Liederabenden auf. Anschließend unterrichtete sie, zuerst in New York, später an der Academy of the West in Santa Barbara, Kalifornien. Es existieren Mitschnitte von ihren Meisterklassen, in denen man Lotte Lehman als kompetente und charismatische Pädagogin erlebt. Viele ihrer Schüler und Schülerinnen hatten später selbst große Karrieren, wie Grace Bumbry und Marilyn Horne.

Grab von Lotte Lehmann auf dem Wiener Zentralfriedhof © Susanne Wosnitzka de.wikipedia.org

Lotte Lehmann starb am 26. August 1976 in Santa Barbara, im Februar 1977 wurde die Urne mit ihrer Asche auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab beigesetzt.

Lotte Lehmann hatte 1926 Otto Krause, einen ehemaligen Offizier, in Wien geheiratet, der zuvor eine komplizierte Scheidung hinter sich bringen musste. Otto begleitete seine Frau in die USA, wo er im Januar 1939 nach langer Krankheit starb.

Nach dem Tod ihres Ehemannes verband sich Lotte mit der Psychologin Frances Holden, mit der sie für den Rest ihres Lebens zusammenlebte.

Lotte Lehmanns Stimme und ihre grandiosen Interpretationen von Opernpartien und Liedern verschiedener Komponisten sind bis heute auf Tonträgern verfügbar. Unverwechselbar ist ihr fraulich warmes Timbre, das auch eine gewisse Sinnlichkeit ausstrahlt, und das ungewöhnlich große Spektrum an Klangfarben, das ihr zur Verfügung stand. Zu ihren besten Aufnahmen zählt Isoldes Liebestod, obwohl sie die komplette Partie der Isolde nie gesungen hat. Diese Aufnahme lässt aber erahnen, was möglich gewesen wäre und ist in sich unübertrefflich!

Peter Sommeregger, 25. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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