Francesco Demuro (Chapelou; in Uniform) sowie Ensemble und Chor der Oper Frankfurt © Barbara Aumüller
Am Fastnachtssonntag steigt an der Oper Frankfurt die Premiere der Opéra comique “Le Postillon de Longjumeau” von Adolphe Adam, Übernahme einer Produktion der Tiroler Festspiele Erl.
Das Werk ist hauptsächlich bekannt durch die Arie des Titelhelden mit seinen Spitzentönen bis hinauf zum hohen D! “Freunde vernehmet die Geschichte”, ein Zugpferd von allen berühmten lyrischen Tenören. Sogar Richard Wagner soll diese unwiderstehliche Romanze gesummt haben, wenn er nachts nicht schlafen konnte. Viele weitere exquisite Gesangstücke machen dieses Werk zu einem Prototypen des Genres “opéra comique” und des französischen Gesangstiles des 19. Jahrhunderts.
Adolphe Adam (1803 – 1856)
Le Postillon de Longjumeau
Opéra comique in 3 Akten (Text: Adolphe de Leuven und Léon-Lévy Brunswick)
Musikalische Leitung: Beomseok Yi
Inszenierung: Hans Walter Richter
Bühnenbild & Kostüme: Kaspar Glarner
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Chor und Extrachor Herren des Oper Frankfurt (Leitung: Álvaro Corral Matute)
Oper Frankfurt, 2. März 2025 PREMIERE
von Jean-Nico Schambourg
Was hat Adolphe Adam mit der hessischen Fassenacht zu tun? Der “Meenzer Narrhallamarsch” beruht auf einem Motiv aus der Oper “Le brasseur de Preston” (Der Brauer von Preston), die Adam 1838 komponierte. Dieses Motiv wurde dann von einem Mainzer Kapellmeister und Mitglied eines Fassnachtvereins zum berühmten Marsch der 5. Jahreszeit adaptiert und 1840 erstmals aufgeführt.
International bekannter ist natürlich sein Weihnachtslied “Minuit, Chrétiens” oder “O Holy Night” wie die englische Version davon heißt. Adam komponierte darüber hinaus 14 Ballette, wovon “Giselle” und “Le Corsaire” (Der Korsar) die bekanntesten sind. Auch schrieb er an die fünfzig Opern. “Der Postillon von Longjumeau” wurde am 13. Oktober 1836 in Paris erfolgreich uraufgeführt. Auch im Ausland und dabei besonders in Deutschland setzte sich der Erfolg fort. So auch in Frankfurt, wo die Oper ein Jahr nach der Uraufführung erstmals aufgeführt wurde und in den folgenden Jahren acht (!) verschiedene Produktionen erlebte.

Für ihre Saison 2024/25 hat die Oper Frankfurt eine Produktion der Tiroler Festspiele Erl übernommen, inszeniert von Hans Walter Richter und mit Bühnenbildern und Kostümen von Kaspar Glarner. Das Regieteam hat dabei die gute Idee, das Stück in die Zeit zu verlegen, in der es spielt, nämlich das Rokoko. Extravagante Roben und Kostüme in zartem Blau der Vertreter des Adels stehen den einfachen weißen und beigen Kleidern des Bauernvolks gegenüber.
Dazwischen erscheint Saint-Phar mit weißer Perücke und Kostüm mit Flügeln ziemlich lächerlich wie ein weißer Schwan. Diese Andeutung erhärtet sich noch, wenn der Regisseur als Referenz an Richard Wagner, den Saint-Phar vor seinem Liebesduett mit Madame de Latour das Liebesduett aus Lohengrin anstimmen lässt: Das süße Lied verhallt!
Auch in der Personenregie findet man klare Unterschiede zwischen den einzelnen Gesellschaftsschichten. Während die Bauern und einfachen Leute sehr liebevoll gezeichnet sind, werden der Adel und die sogenannten “besseren Leute”, zu denen sich auch der egozentrische Saint-Phar zählt, mit ihrem Größenwahn und ihrer Hysterie der Lächerlichkeit preisgegeben.
Das Bühnenbild zeigt eine Theaterbühne, die dem Zuschauer gemäß Handlung von verschiedenen Seiten Einblick in das Theaterleben erlaubt. Mal spielt sich die Handlung auf der Hauptbühne, mal in den Kulissen, mal auf der Seitenbühne ab.

Francesco Demuro als Titelheld Chapelou ist am Anfang der Oper eine gewisse Anspannung anzuhören. Die berühmte Arie mit ihren Spitzentönen kommt relativ früh in der Oper und kann einem Tenor schon eine gewisse Furcht einjagen. Demuro bewältigt sie gut, zwar mit einigem Druck auf der Stimme, aber auch mit einem sicheren hohen D. Ab da verschwindet seine Nervosität sichtlich und sein Vortrag erklingt freier. Er singt den egoistischen Chapelou alias Saint-Phar mit viel Verve, wenn auch nicht mit dem Charme und Virtuosität manch berühmter Vorgänger (man denke an Miguel Villabella oder in jüngeren Zeiten an Nicolai Gedda und Michael Spyres).
Seine Madeleine / Madame de Latour wird interpretiert von dem Frankfurter Ensemblemitglied Monika Buczkowska-Ward. Diese überzeugt gleich von Beginn an mit fester Stimme und klaren Koloraturen. Ob als Wirtin oder als Adelige weiß sie mit ihrer anmutigen Erscheinung das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Wie ihr Partner trifft sie das französische Idiom beim Singen hervorragend. In den Sprechpassagen können beide ihre nicht-frankofone Herkunft allerdings nicht ganz verstecken.
Joel Allison besitzt einen festen Bariton und zeigt, dass er, wie in der Arie des Alcindor besungen, auch größere Rollen singen könnte. Der Marquis de Corcy wird szenisch und stimmlich wunderbar von Jarrett Porter porträtiert. Morgan-Andrew King, Mitglied des Opernstudios, überzeugt in der kurzen Rolle des Bourdon. Gabriel Wanka spielt mit viel Witz Rose, das Dienstmädchen von Madame de Latour und ist auch für die Choreografie verantwortlich.
Für die musikalische Leitung zeichnet Beomseok Yi verantwortlich, der sein Debüt in Frankfurt gibt. Das Orchester erklingt unter ihm leicht und flexibel. Auch der Chor (Einstudierung: Álvaro Corral Matute) trägt mit präzisem und freudigem Gesang und Spielen zum Erfolg des Abends bei.
Alle Beteiligten erhalten vom gut gelaunten Publikum großen Applaus für diese anmutige und kurzweilige Aufführung.
Jean-Nico Schambourg, 4. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Albéric Magnard (1865-1914), Guercœur Oper Frankfurt, 1. März 2025
Dmitri D. Schostakowitsch (1906-1975), Lady Macbeth von Mzensk Oper Frankfurt, 29. September 2024
Alban Berg (1885-1935), Lulu Oper Frankfurt, 9. November 2024