Herbert hört hin 4: Bei dieser Verlobung geht die lyrische Komponente verloren

Herbert hört hin 4: Serge Prokofjew „Die Verlobung im Kloster“  Theater an der Wien, 28. März 2025

Theater an der Wien, Verlobung © Werner Kmetitsch

Serge Prokofjew, Die Verlobung im Kloster
Lyrisch-komische Oper in vier Akten
Libretto von Sergej Prokofjew und Mira Mendelssohn

Besetzung: 

Evgeny Akimov, Petr Sokolov, Stacey Alleaume, Elena Maximova, Vladimir Dmitruk, Anna Gorychova, Valery Gilmanov u.a.

Arnold Schoenberg Chor

Regie: Damiano Michieletto

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Dirigent: Dmitry Matvienko

Theater an der Wien, 28. März 2025

von Herbert Hiess

Anstatt eines Reviews wieder einmal ein persönlicher Kommentar, weil der Besuch dieser Oper im Theater an der Wien eher zum Nachdenken als zum „Kunstgenuss“ anregte.

Es geht um das eher eigenartige Werk von Serge Prokofjew: „Die Verlobung im Kloster“, das der Komponist in seiner eher späteren Schaffensperiode komponierte. Es ist die Geschichte der „La Duenna“ (in diesem Werk die Anstandsdame), um die sich die ganze Verwechslungskomödie abspielt.

Die Handlung spielt in Sevilla; es geht um Don Jerome, der seine Tochter Luisa mit dem reichen Fischhändler Mendoza verheiraten will, um sich wirtschaftlich zu verbessern. Doch Luisa und ihr Bruder Don Ferdinand machen Jerome einen Strich durch die Rechnung und heiraten letztlich nach ihren Wünschen. Das in einer Verwechslungskomödie à la „Barbier von Sevilla“ oder „Le nozze di Figaro“, die übrigens natürlich auch in Sevilla spielen.

Die Geschichte ist so banal, dass man da gar nicht länger ausholen braucht. In Wirklichkeit komponierte der russische Komponist ein „erdenschweres“ Werk, das mit andalusischer Sonne und Leichtigkeit absolut nichts zu tun hat.

Theater an der Wien, Verlobung © Werner Kmetitsch

Von den vier Akten ziehen sich die ersten beiden wie ein Strudelteig in die Länge; massiv instrumentiert (und oft auch leider so dirigiert und gespielt) war man froh, dass die Pause etwas Erholung bot. Die letzten beiden Akte waren insgesamt weit besser, sowohl kompositorisch/musikalisch als auch dramaturgisch. Da konnte man endlich mit der Bezeichnung „lyrisch“ eher was anfangen als am Anfang.

Gesanglich hervorragend vor allem die beiden jungen Paare, die Duenna und Don Jerome – und nicht zuletzt der Bass Valery Gilmanov als Mendoza. Bemerkenswert Vladimir Dmitruk, der als Luisas Geliebter Don Antonio mit seinem exzellenten Tenor mehr als beeindruckte.

Die Regie von Damiano Michieletto war (wie bei ihm so üblich) oft mehr als schräg. So wurde die Bühne von einem Riesenfisch dominiert, der zum Schluss dann nur mehr ein Gerippe war; die bevorstehende Armut von Don Jerome wurde auch durch die servierten Gräten beim Hochzeitsessen symbolisiert.

Theater an der Wien, Verlobung © Werner Kmetitsch

Und natürlich durfte die gewisse Blasphemisierung nicht fehlen, die offenbar heutzutage „en vogue“ ist. So tanzten die Mönche im vierten Akt zuerst in ihren Kutten und darunter Drag-Kostüme. Damit holt man heute „keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor“; das ist einfach nur unsinnig.

Absolut nicht unsinnig, sondern hervorragend das ORF-Orchester, das im Wiener Musikleben völlig unverzichtbar ist. Hoffentlich handelt es sich hier nur um Gerüchte, dass man das Orchester finanziell aushungern will – aber die derzeitige österreichische „Kulturpolitik“ lässt hier das Schlimmste befürchten. Bitte lasst das Orchester in Ruhe!

Schade, dass in der Aufführung der Dirigent Matvienko nicht mehr Wert auf die lyrische Komponente legte – das Werk wurde da eher exekutiert als (musikalisch) interpretiert.

Fazit: Ich besuchte eine einigermaßen interessante Opernproduktion, konnte in der fiktiven Repertoireliste ein „Hakerl“ (so sagt man wienerisch zu Häkchen) machen. In den ersten beiden Akten kämpfte ich oft mit der extremen Müdigkeit, die sich in den letzten beiden verflüchtigte.

Ein gutes Werk des Komponisten – aber lange nicht eines der besten. Und es wird demnächst sicher kaum mehr eine Gelegenheit geben, das zu sehen/hören – und das ist auch gut so!

Herbert Hiess, 29. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Herbert hört hin 3 klassik-begeistert.de, 16. Februar 2025, Wiener Konzerthaus und Musikverein Wien

Herbert hört hin 2 klassik-begeistert.de, 30. Jänner 2025

KW Herbert hört 1 klassik-begeistert.de, 6. Januar 2025

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