Aleksandra Olczyk: „Meine Mission ist die Kunst – singen für die Menschen und verbunden sein mit der Natur"

Interview: kb im Gespräch mit Aleksandra Olczyk, Sopranistin  klassik-begeistert.de, 8. April 2025

Aleksandra Olczyk © Kitana Beker

Aleksandra Olczyk absolvierte ihr Gesangsstudium an der Musikhochschule in Bydgoszcz bei Prof. Magdalena Krzyńska. Sie ist Preisträgerin mehrerer bedeutender polnischer und internationaler Gesangswettbewerbe. Als beste Opernsängerin wurde sie für die Helpmann Awards in Australien nominiert. In der Rolle der Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“ trat sie an der Metropolitan Opera, am Royal Opera House in London, an der Opéra Bastille in Paris, am Teatro Real in Madrid, an allen drei Opern in Berlin sowie in München, Dresden, Hamburg, Helsinki, Wien und an vielen Orten in Asien, Australien und Neuseeland auf.

Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit der polnischen Sopranistin Aleksandra Olczyk, die die Königin der Nacht
vielmals auf internationalen Opernbühnen verkörpert hat im Dezember 2024 an der Staatsoper Hamburg. 

klassik-begeistert: Waren Sie schon während Ihrer Gesangsausbildung mit der Rolle der Königin der Nacht vertraut?

Aleksandra Olczyk: Das war nicht von Anfang an so offensichtlich. Ich habe mein Studium an der Musikhochschule begonnen, ohne eine Vorbildung im Bereich Gesang, also habe ich alles von Grund auf gelernt. Dies war für mich ein großartiges Abenteuer, aber ich war mir meiner eigenen Stimme noch nicht bewusst. Also wählte meine Professorin mein Repertoire in „sicheren“ Registern.
Eines Tages entdeckte ich, dass ich eine so genannte Pfeife-Skala habe und in der Tonhöhe die Königin der Nacht erreichen kann. Mir fehlte noch die Beherrschung der Koloraturen, aber durch Entschlossenheit und tägliches Üben entwickelte ich in anderthalb Jahren die Beweglichkeit meiner Stimme. Dies verdanke ich vor allem der Professorin Helena Łazarska, die mit mir bewusst an meiner Stimme arbeitete. Sie zeigte mir, wie man durch mühsames Üben bestimmte Grenzen überschreiten kann. Ich spreche offen darüber, um jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die vor ähnlichen technischen Schwierigkeiten stehen, Mut zu machen. Mein Erfolgsrezept ist harte Arbeit, unterstützt von einem unerschütterlichen Glauben an sich selbst.

klassik-begeistert: Die erste polnische Opernsängerin, die eine internationale Karriere machte, war Antonina Miklaszewicz-Campi (1773-1822). Wiener Musikliebhaber bewunderten ihre Darstellung der Königin der Nacht, fanden aber, dass sie in der Mittellage weniger gut zu hören war. Welche Lage ist für einen Koloratursopran am unangenehmsten?

Aleksandra Olczyk: Ich glaube, das verändert sich mit der Zeit. Ich singe die Königin der Nacht seit fast zehn Jahren und beobachte, wie sich meine Stimme entwickelt. Eigentlich ist sie ungewöhnlich für diese Rolle, da man in der Regel leichtere Soprane dafür besetzt, die dann oft das Soubrette-Repertoire wählen.

Meine Stimme ist schwerer und dunkler, was dem Publikum jedoch gefällt. Dies ist nicht mein Verdienst, sondern eine Gabe. Ich fühle mich in der Mittellage sehr wohl und halte sie für die Basis der weiblichen Stimme. Wenn jemand keinen richtigen Grundton hat, wird auch die Höhe nicht gut sein. Montserrat Caballé oder Maria Callas, von denen ich ein Fan bin, verfügen über so kräftige tiefe Töne ‚wie ein Bauer‘. Die Brustlage ist bei ihnen ziemlich stark, die Höhe engelsgleich und es gibt eine enorme Dramatik in der Mittellage.

Wenn Caballé die Arie der Lucia singt, kann man das alles in ihr hören. Also wie kann man sie bezeichnen: als einen lyrischen, oder dramatischen Sopran oder gar einen Tenor? Sie ist einfach eine vielseitige Sängerin. So möchte ich auch sein, obwohl ich wahrscheinlich noch einen langen Weg vor mir habe. Aber ich konzentriere mich nicht darauf, in welcher Lage ich mich unwohl fühle, sondern versuche meinen Gesang so homogen, so einheitlich wie möglich klingen zu lassen.

klassik-begeistert: Das deutsche Publikum mag die slawischen Stimmen, empfindet aber ihre „Schwerkraft“ manchmal als Nachteil.

Aleksandra Olczyk: Man soll immer das Problem erkennen und nach einer Lösung suchen. Als Studentin hörte ich mir Aufnahmen von herausragenden Sängerinnen an, die meiner Meinung nach in Koloraturläufen überragend waren, wie Julia Leschnewa oder Diana Damrau. Inspiriert von ihnen habe ich versucht, es bei mir selbst herauszuarbeiten, und es ist mir schließlich gelungen.

Oft gehen junge Menschen an den Operngesang heran nach dem Motto: „So hat mich Gott geschaffen“. Die menschliche Stimme ist jedoch ein Instrument, an dem ein Sänger genauso arbeitet wie ein Geiger oder Pianist, der täglich mehrere Stunden übt. Das Vergnügen kommt erst auf der Bühne, während der Aufführung, und abseits der Bühne gibt’s die Arbeit.

klassik-begeistert: Ist die Königin der Nacht wirklich die schwierigste Opernrolle?

Aleksandra Olczyk: Ich hatte das große Vergnügen, eine Vielzahl von Rollen zu singen, sowohl von Barockopern, als auch Rossini- und Mozart-Partien aus dem Belcanto-Genre. Darunter ist die Königin der Nacht wirklich eine der anspruchsvollsten. Jedenfalls habe ich meine Karriere der Tatsache zu verdanken, dass ich in dieser Rolle erfolgreich war. Ich singe sie gerne, habe ihretwegen keine Schlafstörungen, bin aber nicht sicher, ob sie die schwierigste ist.

Ich denke, das ist eher eine psychische Herausforderung, weil man nur ein paar Minuten auf der Bühne steht. Diese Partie ist technisch sehr schwierig, und die Zuschauer erwarten eine absolut perfekte Aufführung. Wir Sängerinnen und Sänger sind aber nur Menschen, keine Maschinen, und es gelingt uns nicht immer, perfekt zu singen. Heutzutage ist man an Aufnahmen, verschiedene Filter und Verbessern sowohl für das Aussehen als auch für die Stimme gewöhnt. Später, live, erwartet das Publikum einen ähnlichen Effekt. Man muss also psychisch stark sein und sich selbst die Fehler verzeihen können, die das Publikum manchmal nicht verzeihen will. Ebenso muss man seine möglichst beste Leistung zeigen. Ich denke, da liegt die Hauptschwierigkeit der Königin der Nacht.

Aleksandra Olczyk © Karpati/Zarewicz

klassik-begeistert: Offenbar ist die Arie „Glitter and be gay“ aus Bernstein „Candide technisch schwieriger als „Der Hölle Rache?

Aleksandra Olczyk: Ich habe sie auch gesungen, aber sie stellt eine ganz andere Herausforderung dar. Was schwieriger ist, hängt von dem individuellen Ansatz der Sängerin, ihrem Temperament und ihrer Ausdrucksweise ab. Ich persönlich bevorzuge die Königin der Nacht wegen der Dramatik dieser Figur.

klassik-begeistert: Vergeht das Leben einer Sängerin auf einer ständigen Reise?

Aleksandra Olczyk: Eindeutig ja. Ich hatte nie einen Karriereschub, es kam von selbst, habe mir aber diesen Lebensrhythmus angewöhnt. Vor der Pandemie bin ich viel gereist und habe die Königin der Nacht manchmal jeden Tag in einem anderen Theater gesungen. Bei den interkontinentalen Tourneen habe ich sieben Stunden am Stück im Flugzeug verbracht und unter der Zeitverschiebung gelitten.

Mit Stolz kann ich sagen, wo ich gewesen bin, aber nur über das Hotel und die Arbeitsatmosphäre des Ortes; leider nichts vonSehenswürdigkeiten, Bräuchen oder der Küche. Eines Tages bin ich aufgewacht, habe aus dem Hotelfenster geschaut und festgestellt, dass ich nicht weiß, wo ich bin! Schließlich wurde mir klar, dass mir das Leben durch die Finger rinnt, und jetzt arbeite ich ganz anders. Neben dem Singen besuche ich interessante Orte, treffe Menschen und genieße jeden Augenblick.

klassik-begeistert: Sie haben die Königin der Nacht in allen drei Berliner Opernhäusern gesungen.

Aleksandra Olczyk: Ja. Ich verdanke der Komischen Oper sehr viel, denn dort wurde man auf mich aufmerksam und hat mich „in die Welt hinausgetragen“. Dann bekam ich Engagements an der Deutschen Oper Berlin und der Staatsoper Unter den Linden, an die ich ebenfalls sehr gute Erinnerungen habe. Berlin ist eine weltoffene, multikulturelle Stadt und ich habe mich dort wohl gefühlt.

klassik-begeistert: Was halten Sie von Jette Steckels Inszenierung der „Zauberflöte“ in Hamburg, in der Sie kürzlich aufgetreten sind?

Aleksandra Olczyk: Mir gefällt es, dass die Regisseurin auf Dialoge verzichtet hat. Für die Königin der Nacht ist das Sprechen vor einer so schwierigen Arie wie „Der Hölle Rache“ ziemlich unbequem. Außerdem sang ich in dieser Inszenierung fast konzertant, aus dem Orchestergraben. Mehr Komfort hätte mir die Regisseurin nicht bieten können.

Aleksandra Olczyk © Karpati/Zarewicz

klassik-begeistert: Zu Ihrem Repertoire gehören auch die Heldinnen von Verdi – Gilda und Violetta – sowie Adele aus der „Fledermaus. Auf YouTube gibt es Aufnahmen von Oratorien, die Sie mitsingen, darunter auch Werke von Giulio Caccini. Die Aufführung altitalienischer Barockmusik ist für Sie also leichter als während Ihres Studiums?

Aleksandra Olczyk: Natürlich ist es jetzt einfacher, weil ich mir meiner Stimme bereits bewusst bin. Ich würde sogar vorschlagen, das System der Gesangsausbildung so zu ändern, dass man nicht sofort mit Arien und Liedern anfängt. Studienanfänger, die sich ihrer Stimme, ihres Körpers, der Tonerzeugungstechnik noch nicht bewusst sind, sollten nicht über die Vaccai- und Concon-Übungen hinausgehen.

Ich bezweifle, dass sich in dieser Hinsicht etwas ändern wird, denn ein solches Ausbildungssystem gibt es überall auf der Welt. Nur in den öffentlichen Schulen, vor allem in Italien, singt man im ersten Semester keine Stücke, sondern übt nur die Aussprache. Ich liebe meine Stimme und höre auf ihre Bedürfnisse. Manchmal „bittet“ sie mich, zu diesen alten italienischen Arien als den Übungen und Grundlagen zurückzukehren. Ich tue das gerne und immer mit guten Ergebnissen.

klassik-begeistert: Abgesehen vom Singen sind Ihre Leidenschaften Hunde und Pferde. Wie gehen Sie ihnen in Ihrer Freizeit nach?

Aleksandra Olczyk: Ich bin eine so genannte „Mutter Erde“ (lacht). Singen ist meine Leidenschaft, weil ich Menschen liebe und meinen Beruf wie eine Mission betrachte. Es gibt für mich kein größeres Glück, als jemanden mit meinem Gesang zu berühren, ihn glücklich zu machen oder in ihm Emotionen freizusetzen, die im Alltag schwer zu erleben sind. Wenn ich mich vor dem Publikum verbeuge, lege ich immer meine Hand aufs Herz, was für mich ein Symbol der Demut und ein Ausdruck der unausgesprochenen Worte „Ich bin für dich da, ich verbeuge mich tief in meinem Dienst“ ist.

Die gesamte Natur, die so untrennbar mit der Kunst verbunden ist, liegt mir besonders am Herzen. Tiere haben mich schon immer begleitet. Zurzeit habe ich drei Hunde und ein Pferd. Ich kenne ihre Bedürfnisse und versuche, sie zu befriedigen. In meinem Beruf fällt es schwer, die Pflege von Tieren mit ständigem Reisen zu vereinbaren, daher bin ich auf die Freundlichkeit von Menschen angewiesen, die sich in meiner Abwesenheit um sie kümmern. Meine Hunde verkraften eine Trennung schwerer als mein Pferd. Wenn ich nach zweimonatiger Abwesenheit wiederkomme, begrüßt es mich, als hätten wir uns gestern gesehen. Wenn ich jedoch feststellen würde, dass eines meiner Tiere aufgrund meines Lebensstils leidet, würde ich nach einer Lösung suchen.

klassik-begeistert: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!

Jolanta Łada-Zielke, 8. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Interview: kb im Gespräch mit Mitgliedern des IOS, Teil 1 klassik-begeistert.de, 3. April 2025

Interview: kb im Gespräch mit der künstlerischen Leitung des IOS, Teil 2 klassik-begeistert.de, 4. April 2025

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