Don Giovanni/Requiem Wolfgang Amadeus Mozart © Frol Podlesnyi
Als man endlich nach vier zunehmend zäh verlaufenen Stunden das Schillertheater verlässt, stellt sich die Frage: Was hat man da eigentlich gesehen? Nun, streng genommen Dreierlei.
DON GIOVANNI/REQUIEM
Libretto von Lorenzo Da PonteRequiem in d-Moll (Introitus, Kyrie, Sequenz)
In der von Franz Xaver Süßmayr fertiggestellten Instrumentation
Don Giovanni Hubert Zapiór
Leporello Tommaso Barea
Donna Anna Adela Zaharia
Don Elviro Bruno de Sá
Don Ottavio Agustín Gómez
Zerlina Penny Sofroniadou
Masetto Philipp Meierhöfer
Die Chorsolisten der Komischen Oper
Regie, Bühnenbild, Kostüme Kirill Serebrennikov
Dirigent James Gaffigan
Komische Oper Berlin im Schillertheater
Premiere am 27. April 2025
von Peter Sommeregger
Als man endlich nach vier zunehmend zäh verlaufenen Stunden das Schillertheater verlässt, stellt sich die Frage: was hat man da eigentlich gesehen? Nun, streng genommen Dreierlei.
Erstens eine teils verrätselte, dann aber auch wieder originelle Komödie, zu der zweitens im Hintergrund Mozarts Don Giovanni gesungen und musiziert wurde. Drittens obendrauf noch eine Choreographie von Mozarts Requiem, welche die Grenzen des Kitsches deutlich überschreitet. Ja, und dann zu allem Überfluss auch noch einen Schauspieler, der penetrant pseudointellektuelle Weisheiten von sich gab.
Das kann passieren, wenn man dem gehypten und notorisch überschätzten Regisseur Kirill Serebrennikov nach den geschmacksfrei in den Sand gesetzten „Così fan tutte“ und „Nozze di Figaro“ auch „Don Giovanni“ ausliefert.
Was er, ohne jeglichen Bezug zur Handlung, auf die Bühne bringt, ist in Teilen durchaus originell. Die durchgängig jugendlich sportliche Besetzung ermöglicht ihm fetzige, fast schon akrobatische Einlagen. Speziell die Figur, die Don Giovanni singt, und sein Diener Leporello wagen in Gestalt von Hubert Zapiór und Tommaso Barea artistische Aktionen.

Vieles aber, zu Vieles ist reiner Selbstzweck und ermüdet auf Dauer. Ständig wuseln Bühnenarbeiter im Hintergrund, werden Schleier dekorativ bewegt und Versatzstücke durch die Gegend getragen. In sich am ehesten gelungen ist die stumme Szene, als während der Ouvertüre eine Trauergemeinde an einem offenen Sarg Abschied von einem Toten nimmt, der sich dann als der höchst lebendige Don Giovanni entpuppt, der aber wiederum den ganzen ersten Akt von einem Intensiv-Krankenbett aus agieren muss. Dazu gibt es ein permanent auf das Bühnenbild projiziertes EKG, das aber medizinisch unauffällig bleibt.
Die Besetzung der Donna Elvira mit einem Sopranisten ist ein historisches Novum, konsequent wird daraus ein Don Elviro, wir sind ja alle sooo divers!
Zerlina muss im ersten Akt hochschwanger agieren, inklusive Ultraschallbild des Embryos, im zweiten muss sie als logische Folge ein Neugeborenes mit sich schleppen. Erkenntnisgewinn? Null.
Was den Abend, zumindest bis zum Ende des Giovanni rettet, ist die durchaus ansprechende Realisierung der Partitur unter dem gut ausgewogen dirigierenden James Gaffigan.

Ihm steht ein Sängerensemble zur Verfügung, dem genau das bei Mozart so wichtige gelingt, nämlich eines zu sein. Die Stimmen verbinden sich harmonisch, und Gaffigan weiß genau, wo er unterstützen muss, und wo er mehr Saft geben kann. Bruno de Sá fehlt es als Elviro ein wenig an Volumen und Durchschlagskraft, er kann aber mit seiner ausgesprochen schönen Stimme punkten. Hubert Zapiór als Giovanni ist eher ein verspielter Junge, als ein Macho-Monster, seine Waffe ist vor allem der Charme. Ihm ähnlich der Leporello von Tommaso Barea, das ergibt ein Paar mit Sex-Appeal, der gekonnt eingesetzt wird. Donna Anna ist mit groß dimensioniertem Sopran Adela Zaharia, die erst in ihrer zweiten Arie zum wahren Mozart-Glück findet. Ihren Verlobten Don Ottavio verkörpert Agustín Gómez mit klarem Tenor und Männerdutt, am Ende wird er auch das Tenorsolo im Requiem singen. Penny Sofroniadou als Zerlina singt tapfer gegen die verordnete Schwangerschaft an, im Requiem ist ihr das Sopransolo anvertraut. Tijl Faveyts ist ein eher unauffälliger Komtur, sein Bass-Solo im Requiem hinterlässt einen stärkeren Eindruck. Die Chorsolisten der Komischen Oper bilden darin für die Solisten eine mehr als nur solide Basis.

Das Ensemble wird am Ende von einem erschöpften Publikum mit freundlichem Applaus belohnt, Serebrennikov muss einige Buhrufe hinnehmen, für größeren Protest fehlte nach dem vorangegangenen Overkill die Kraft.
Der Intendanz der Komischen Oper kann man nur wünschen, dass Kirill Serebrennikov in Zukunft noch höher gehandelt wird, und sich das Haus ihn dann nicht mehr leisten kann.
Peter Sommeregger, 28. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Jacques Offenbach (1819-1880), Robinson Crusoé Komische Oper Berlin, 22. Dezember 2024
Kommentar: Budgetkürzungen KOB komische Oper Berlin, 9. Januar 2025