Tarmo Peltokoski segelt wie ein erfahrener Kapitän durch die Wogen des "Fliegenden Holländers”

Richard Wagner (1813-1883), Der fliegende Holländer  Philharmonie Luxembourg, 13. Mai 2025

Tarmo Peltokoski © Ines Rebelo de Andrade

In der Philharmonie in Luxemburg wird Wagners Oper “Der fliegende Holländer” konzertant aufgeführt unter der Leitung des neuen Jungstars unter der Dirigenten Tarmo Peltokoski. Bisher trat der junge Finne eher mit Sinfoniekonzerten als mit Opernaufführungen in Erscheinung. Umso interessanter ist es, die Herangehensweise dieses Dirigententalentes an die erste Erfolgsoper von Richard Wagner sich anzuhören.

Richard Wagner (1813-1883)
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Romantische Oper in drei Aufzügen (Libretto vom Komponisten)

Musikalische Leitung: Tarmo Peltokoski

Luxembourg Philharmonic
Konzertante Aufführung in der Philharmonie Luxembourg, 13. Mai 2025

von Jean-Nico Schambourg

Um es gleich vorwegzusagen: Tarmo Peltokoski geht mit solcher Sicherheit an das Werk heran, als würde er, gleich der Titelfigur die Weltmeere, schon seit Jahrzehnten die Partitur Wagners durchsegeln. Vielleicht kommt es ihm dabei zu Gute, dass die Aufführung konzertant ist und auch dass die Luxembourg Philharmonic eigentlich kein Opernorchester sind.

Alljährlich treten diese in Luxemburg an einigen wenigen Opernabenden auf, sei es in Gesamtwerken, sei es in Opernkonzerten, konzentrieren sich aber größtenteils auf instrumentale Werke. Die instrumentalen Passagen der Oper gehören demnach auch zu den orchestralen Höhepunkten dieses Abends.

Peltokoski entlockt dem Orchester einen großen, wuchtigen, doch nie übersättigten Klang. Die Sänger werden dabei nie überdeckt. Mit energischen Gesten bändigt Peltokoski manchmal den aufkommenden Übermut des Orchesters, um es dann gleich wieder mit großen Armbewegungen zu langen melodiösen Bögen zu animieren. Man sieht, dass trotz seines jungen Alters der Dirigent genug Autorität und Anerkennung vom Orchester erhält. Mit viel Ruhe gelingt es ihm im Duett Senta-Holländer einen vokalen Aussetzer des Letzteren aufzufangen und diesen fast unbemerkt wieder ins Lot zu bringen.

Sängerensemble, Dirigent Orchester und Chor © Ines Rebelo de Andrade

Gabriela Scherer zeigt an diesem Abend, dass sie momentan eine der führenden Interpretinnen dieser Rolle ist, die sie auf vielen internationalen Opernbühnen singt. Mit leuchtendem jugendlich-lyrischem Sopran singt sie diese schwierige Partie, die sowohl durch ihre Höhen als auch durch ihre Ausflüge in die tiefe Lage für jede Interpretin anstrengend ist. Dabei achtet Gabriela Scherer darauf, ihre Stimme nicht zu forcieren. Die Forte-Attacken bei der Ballade der Senta sind kraftvoll, doch kontrolliert, nie geschrien. Auch vermittelt sie perfekt den kindlich-jugendlichen Charakter der Senta: Auf ekstatischen Jubelton folgt romantische Verträumtheit, alles gesungen mit frischem unverbrauchtem Sopran.

Albert Dohmen, einst selbst ein regelmäßiger und erstklassiger Darsteller des Holländers, springt an diesem Abend als Daland kurzfristig für einen erkrankten Kollegen ein und erscheint dabei unverwüstlich. Mit fester und sicherer Stimme gibt er den geldgierigen Vater. Als alter Fuchs weiß er dabei genau, wie und wo er die musikalischen und interpretativen Akzente bei dieser Wagneroper setzen muss.

Die undankbare Rolle des Erik wird von dem finnischen Tenor Tuomas Katajala gesungen. Seine schneidende, manchmal ein wenig larmoyant klingende Tenorstimme passt perfekt zu dem zurückgewiesenen Liebhaber, den er mit viel Engagement singt.

David Fischer lässt seinen erfrischenden Tenor für die Rolle des Steuermannes erklingen. Auch wenn er hinter dem Orchester beim Chor positioniert ist, so strahlt seine Stimme fest und klar durch den Konzertsaal. Catriona Morison ist szenisch, aber vor allem auch stimmlich eine junge Mary und keine alte Matrone, wie man sie öfters serviert bekommt.

Und der Holländer bei dieser Aufführung? Wenn Senta in ihrer Ballade vom “bleichen Manne” singt, so treffen diese Wörter total auf die Darstellung und Darbietung des Holländers von Brian  Mulligan an diesem Abend zu. Er steht meistens unsicher herum, quält sich durch seine Gesangsphrasen, sodass man sich fragt, ob er etwa indisponiert sei? Auf Nachfrage meinerseits nach der Aufführung bei der Philharmonie Luxembourg wurde mir dies bestätigt. Es ist Mulligan hoch anzurechnen, dass er die Vorstellung nicht im letzten Moment hat platzen lassen und sein Bestes gegeben hat.

Allerdings hätten die Verantwortlichen der Philharmonie Luxembourg vor der Aufführung unbedingt, so wie es üblich ist, den Sänger als erkrankt ansagen und entschuldigen müssen. Unter diesen Umständen verbietet sich allerdings eine weitere Kritik betreffend der Leistung des Sängers.

Die Chorpartie wird gesungen vom “Polish Radio Choir Lusławice” und dem “Katowice City Singers’ Ensemble Camerata Silesia”, einstudiert von Stanislaw Rzepiela und Anna Szostak-Myrczek. Im Vordergrund steht dabei natürlich die Hafenszene im dritten Akt, die beide Chöre mit viel Präzision bei vollem stimmlichen Einsatz singen.

Ein wenig “Regie-Stress” in dieser konzertanten Aufführung gibt es in dieser Szene für den Männerchor, der abwechselnd die Matrosen Dalands und die geisterhafte Besatzung des Holländer-Schiffes singen muss. Für Letztere müssen die Sänger sich ein schwarzes Jackett überstreifen, um sich wieder dessen zu entledigen für die Einsätze der lebendigen Seeleute.

Schlussendlich erlebt man eine packende Aufführung von Wagners “Fliegendem Holländer”, auch wenn der Sänger der Titelpartie leider wie vorher beschrieben mit seinem Gesang geisterhafter daherkommt, als es Wagner vorgeschrieben hat.

Die gesanglichen Leistungen vor allem von Gabriela Scherer und Albert Dohmen sowie die Direktion von Tarmo Peltokoski entschädigen hierfür.

Jean-Nico Schambourg, 15. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Auf den Punkt 26: Wie alt ist Tarmo Peltokoski wirklich? klassik-begeistert.de, 10. Oktober 2024

C.W. Gluck, Orfeo ed Euridice Luxembourg Philharmonie, 3. November 2024

Luxembourg Philharmonic Orchestra, Gustavo Gimeno Kölner Philharmonie, 27. Oktober 2024

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