Lise Davidsen als Senta auf dem Weg zu Isolde und Brünnhilde

CD-Besprechung: Richard Wagner, Der Fliegende Holländer  klassik-begeistert.de, 9. Juli 2025

CD-Besprechung:

Beim Label DECCA ist eine neue Aufnahme von Wagners Oper “Der Fliegende Holländer” erschienen, aufgenommen im August 2024 während vier konzertanten Live-Aufführungen am Opernhaus in Oslo. Anlass dieser Herausgabe ist sicherlich das Rollendebüt als Senta der norwegischen Sopranistin Lise Davidsen. Im Begleitheft erklärt diese, dass es vielleicht das einzige Mal ist, dass sie diese Rolle singen wird: Sie hat lange gewartet, bis sie ihre Stimme reif dafür hielt. Jetzt aber drängen sich immer mehr andere Wagnerpartien in ihren Terminkalender.

Richard Wagner (1813-1883)
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

Edward Garner, Dirigent
Orchester und Chor der Norwegischen Nationaloper

Decca 487 0952 (2 CDs)

von Jean-Nico Schambourg

Die vorliegende Aufnahme bestätigt die Aussagen von Lise Davidsen. Die Aufführung kommt genau zum richtigen Moment: Ihre Stimme klingt frisch, anfangs der Oper mädchenhaft verträumt, aber auch schon voller Dramatik, wenn sie die Geschichte des Holländers erzählt. Dabei werden ihre Spitzentöne nie schrill herausgeschrien.


Auch in den Momenten von Sentas höchster Exaltation hört man, wie Davidsen diese mit stimmlicher Kontrolle vorträgt. So ist es herrlich anzuhören wie zum Beispiel am Schluss der Oper Davidsen mit jubelndem Ton ihre Senta regelrecht in den Tod schmeißt. Die Aufnahme bestätigt: Isolde und Brünnhilde werden die nächsten Etappen in ihrer Karriere sein. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich nach ihrer aktuellen Babypause dabei nicht verheizen lässt und ihre Stimme überfordert.

In der Titelrolle glänzt auf demselben hohen Niveau der kanadische Bariton Gerald Finley. Seine Interpretation ist sehr geprägt von seiner Erfahrung als Liedsänger. Mit warmem Bariton werden alle Phrasen musikalisch ausgeformt mit viel Textverständnis und -verständlichkeit.

Manch einer würde sich vielleicht ein wenig mehr Dramatik, mehr Power wünschen. Aber Finleys Holländer ist keine verzweifelte Figur, die ihr Heil alle sieben Jahre an Land sucht! Er zeichnet einen resignierenden Menschen, der nicht mehr an seine Erlösung glaubt. Schon bei den ersten Worten seines Auftritts “Die Frist ist um” hört man diese Resignation in der Interpretation des Kanadiers. Es ist sofort klar, dass er nicht an seine Erlösung glaubt und sein Landgang ihm eigentlich Qual ist.

Bei solch großartigen Interpreten ist es nicht verwunderlich, dass das Duett “Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten” zum gesanglichen Höhepunkt der Aufnahme gerät.

Der Daland von Brindley Sherratt kommt mit eher ungewohnt heller Stimme daher und nicht wie so oft mit knorrigem Bass. Dies passt aber sehr gut zum Charakter des geldgierigen Vaters. Da Finley selbst einen dunklen Bariton besitzt, lassen sich beide Stimmen allerdings in verschiedenen Passagen schwerlich von einander unterscheiden.

Stanislas De Barbeyrac singt mit teilweise ziemlich rauer Stimme den Erik, was allerdings dem Profil des verschmähten Liebhabers zugutekommt. Der Steuermann wird von Eirik Grøtvedt mit festem Tenor vorgetragen. Anna Kissjudit singt mit runder Stimme die kleine Rolle der Mary.

Am Dirigentenpult entfacht Edward Gardner mit dem Orchester einen regelrechten orchestralen Orkan. Schon bei der Ouvertüre, später noch mehr bei der großen Chorszene im 2. Akt peitscht Gardner seine Musiker durch die Partitur. Unterstützt durch knallige Perkussion trumpfen die Bläser mit großem Klang auf, während die Streicher die nötige Nervosität in die Geschichte einbringen. Dazwischen werden die lyrischen Momente voll genossen und ausmusiziert.

Zum Hörgenuss trägt schlussendlich auch die ausgezeichnete Leistung des Chores der Oper Oslo bei. Herrlich wie der Männerchor die beiden Partien des Matrosen- und Geisterchores stimmgewaltig und dennoch sehr präzise vorträgt. Auch die Damen stehen ihren Männerkollegen mit ihrem Chor der Spinnerinnen in nichts nach.

Dies alles bildet ein musikalisches Gefüge, das die beiden CDs zu einem Leckerbissen für den Hörer werden lassen.

Jean-Nico Schambourg, 9. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Lise Davidsen, Freddie De Tommaso, Gerald Finley, Zubin Mehta  Staatsoper Unter den Linden Berlin, 6. September 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert