Bilder: Jolanta Łada-Zielke/Blick auf das Wagner-Haus vom Vierwaldstättersee aus
Eine 25-minütige Fahrt vom Luzerner Busbahnhof nach Tribschen entführt uns in eine völlig andere Welt. Das weiße Wagner-Haus mit grünen Fensterläden steht auf einer Anhöhe in malerischer Lage. Auf der einen Seite liegt der Vierwaldstättersee, mit charakteristischen Pappeln am Ufer, und auf der anderen das majestätische Bergmassiv Pilatus.
von Jolanta Łada-Zielke
Richard Wagner bezwang diesen Gipfel noch während seines ersten Aufenthalts in der Schweiz. In Tribschen weilte er von 1866 bis 1872 und befand sich auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Er vollendete Die Meistersinger und Siegfried und komponierte das Siegfried-Idyll.
Heute befindet sich an der ehemaligen Wohnstätte des Komponisten das „Richard Wagner Museum Luzern“. Im Erdgeschoß ist eine Ausstellung über Richard Wagner zu besichtigen.
Die Räume im ersten Stock, insbesondere der Salon, in dem der schöne Flügel steht, sind angenehm und geschmackvoll eingerichtet. Neben Fotografien und Gemälden sind hier auch die Partitur von Siegfried (geöffnet auf der Szene mit Siegfried und Mime) und persönliche Erinnerungsstücke des Komponisten zu sehen.
Es gibt sogar ein konserviertes Stück Gralsbrot, das als Requisite im Parsifal in Bayreuth im Jahre 1899 diente. Gleich nach der Öffnung besuchen unterschiedliche Gäste das Museum, darunter drei Japaner, eine Gruppe französisch sprechender Jugendlicher und zwei Damen aus Ungarn, die vor einem Foto von Liszt länger stehen bleiben.

An diesem Ort wurde Wagner Vater und Stiefvater zugleich. Er hatte zwei Töchter aus Cosimas erster Ehe, zeugte zwei eigene – Isolde und Eva – und einen Sohn, Siegfried. Erst nach Siegfrieds Geburt heiratete Richard die
24 Jahre jüngere Cosima, die zum Protestantismus konvertierte, um sich von Hans von Bülow scheiden lassen zu können.
Die Trauung fand am 25. August 1870 in der Matthäuskirche in Luzern statt. Bereits im Herbst 1867 verglich der glückliche Richard in einem Gedicht sich selbst und seine neue Partnerin mit Hans Sachs und Evchen:
Eva und Sachs
so gut und gern
als Pech und Wachs
es thun Luzern [1]

In Tribschen erklang am frühen Morgen des 25. Dezember 1870 das Siegfried-Idyll als Geburtstagsgeschenk für Cosima. Die Musiker spielten es im Treppenhaus. So beschreibt das Geburtstagskind dieses Ereignis in seinem Tagebuch: „Sonntag 25.ten. (…) Wie ich aufwachte, vernahm mein Ohr einen Klang, immer voller schwoll er an, nicht mehr im Traum dufte ich mich wähnen, Musik erschallte, und welche Musik! Als sie verklungen, trat R. mit den fünf Kindern zu mir und überreichte mir die Partitur des Symphonischen Geburtstagsgrußes-, in Tränen war ich, aber auch das ganze Haus; auf der Treppe hatte R. sein Orchester gestellt und so unser Tribschen auf ewig geweiht! Die Tribschen Idylle so heißt das Werk.“ [2]
Ich selbst bin zu Tränen gerührt, wenn ich dieses Stück gut vorgetragen höre, daher kann ich das verstehen. Leider ist es nicht möglich, das Siegfried-Idyll an diesem Ort zu eben diesem Datum zu erleben; das Museum ist vom Dezember bis März wegen Winterpause geschlossen.
In Tribschen entstand auch die zweite, schärfere Version des Pamphlets „Das Judenthum in der Musik“, die man als separate Broschüre veröffentlichte. In dieser Saison ist die Sonderausstellung zu diesem Thema „Tabu-Wagner?“ im letzten Stock des Hauses zu sehen. Sie enthält unter anderem Tafeln mit Aussagen bekannter Persönlichkeiten jüdischer Herkunft zur Rezeption dieses Textes. Nach der Besichtigung stellt man sich vielleicht die Frage: Hat dieses Pamphlet seinem Autor so geschadet, dass sein Werk durch das Prisma seines Antisemitismus gesehen wird? Die Antwort lautet: Nein.
Zu den Stammgästen des Wagner-Hauses in Tribschen gehörten Maria Kalergis-Mouchanoff, die dazu beitrug, Franz Liszt mit seiner Tochter zu versöhnen sowie Liszt selbst, Friedrich Nietzsche und Ludwig II.
Der König von Bayern tauchte unerwartet 1866 an Wagners Geburtstag, am 22. Mai, auf und verkündete, dass er abdanken wolle, um in Ruhe leben und die Anwesenheit des Komponisten genießen zu können. Richard konnte dies nicht zulassen. Er brauchte Ludwig II. als König mit seinem ganzen Einfluss.

Das Museum in Tribschen sollte jede Wagnerianerin und jeder Wagnerianer unbedingt besuchen. Es ist auch möglich, dort ein eigenes privates Konzert zu veranstalten.
Jolanta Łada-Zielke, 22. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sonderausstellung: http://Ausstellungen SONDERAUSSTELLUNG «TABU WAGNER? JÜDISCHE PERSPEKTIVEN»
[1] Richard Wagner: Sämtliche Gedichte, herausgegeben von Frank Piontek, Verlag Breuer & Sohn, 2019, S. 72
[2] Zitiert in: Lass Dir recht viel zu Weihnachten bescheren, herausgegeben von Frank Piontek, Verlag Breuer & Sohn, 2018, S. 66
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