Schweitzers Klassikwelt 144: Wir erstellen ein Profil einiger Sängerinnen und Sänger aufgrund ihrer von uns erlebten Rollen

Schweitzers Klassikwelt 144: Profil einiger Sängerinnen und Sänger aufgrund ihrer Rollen

© CV Maker

Wir wollen ein Experiment anstellen. Von uns erlebte Rollengestaltungen nehmen wir als Maßstab und entwerfen ein imaginäres Charakterbild der betreffenden Künstler.   

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Wir verraten zu Beginn noch nicht die Namen der Bühnenkünstler, sondern nur die Rollen und die Opern.

© Opera Online

In seinem Brétigny („Manon“) erkannten wir von der Stimme her einen Repräsentanten des gehobenen Standes. Wir schätzten die angenehm dezente Vortragsweise, die dem Minister („Fidelio“) eine besonders noble Haltung verlieh.

 

Die „Woglinde“ in das „Rheingold“ wird auch in anderen Opern gruppendynamisch eingesetzt. Als Echo und Quellnymphe im Nymphen-Terzett der „Ariadne auf Naxos“, als verlockendes Blumenmädchen im „Parsifal“. In „Adriana Lecouvreur“ führt sie souverän das Schauspieler-Quartett mit Mitgliedern des Opernstudios an. Auch in der Opernschule der Wiener Staatsoper liegt ihre Verantwortung im Sologesang im Sinn einer Begabtenförderung. Als Erste Magd („Daphne“) jubelte sie “Wir sind Träume besseren Lichts“ bis zum h´´ hinauf.
Wir spürten in all diesen Partien ihren Ehrgeiz für größere Aufgaben aufzufallen. Ausreichend Gelegenheit dazu bekam sie als Zdenko ihren Mann und schlussendlich als Zdenka ihre Frau erfolgreich zu stellen („Arabella“). Diese Rolle berührt uns immer wieder aufs Neue. Viel früher schon fiel sie uns als auch stimmlich reizende Sophie in Massenets „Werther“ auf. Das bereitete das dramaturgische Problem, dass Werthers Obsession auf Charlotte nicht nachfühlbar war.

© Foto Zeininger

Es ging der Titelrollenträgerin („L´incoronazione di Poppea“) ein hervorragender Ruf voraus. Wir konnten uns überzeugen. Ihr edler Sopran besitzt Leuchtkraft. Dabei wirkt ihr Gesang etwas anachronistisch, vibratoarm, auf Helligkeit und Glanz bedacht, statt auf Rundung. Wir warten gespannt auf ihre Eurydike. Doch leider bei Monteverdi nur eine kleine Partie, salopp ausgedrückt ist sie wie in TV-Krimis größtenteils die Leiche vom Dienst. Uns bleibt die Hoffnung auf ein Wiederhören in der kommenden Saison. Nach dem symphonischen Vorspiel beginnt in der ersten Szene das Singspiel mit der stimmlich bezaubernden Marzelline („Fidelio“). Welch ein Wandel von der skrupellosen Kaiserin Poppea und der mythischen Euridice zu der Kleinbürgerstochter, wobei sie im Jänner bereits als Donna Anna Erfolge feierte.

© Peter Frolo

Für uns debütierte er jetzt erst am Stadttheater Baden im Singspiel „Das Dreimäderlhaus“ und nicht schon als Mozarttenor in der Wiener Volksoper. Von der Sommerarena Baden in die Wiener Staatsoper. Von Franz Schubert zum Maler in Alban Bergs „Lulu“. In dem Tenor stecken enorme Potentiale. Schwelgerisch sein „Mir ist täglich, als sähe ich Dich zum allerersten Mal“.

Lulu Agneta Eichenholz © Michael Pöhn, Wiener Staatsoper

Als Hauptmann („Wozzeck“) stellt er wohl an der Wiener Staatsoper derzeit die Idealbesetzung dar. Keine Kopie, aber der würdige Nachfolger eines Gerhard Stolze und eines Heinz Zednik. In der neuen Produktion von „Salome“ stören moderne Gebärden nicht. Das veranlasst uns nach Malin Byströms Salome an zweiter Stelle den Herodes lobend zu erwähnen, eine für diesen Tenor maßgeschneiderte Partie.

Und jetzt die Lösung: Bild 1 Martin Häßler, Bild 2 Ileana Tonca, Bild 3 Slávka Zámečníková, Bild 4 Jörg Schneider.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 19. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.

Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

Schweitzers Klassikwelt 143: Gran Teatro La Fenice di Venezia klassik-begeistert.de, 5. August 2025

Schweitzers Klassikwelt 142: Heimweh nach Oper klassik-begeistert.de, 23. Juli 2025

Schweitzers Klassikwelt 141: Wenn kleine Bühnen sich an Opern wagen

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