QSSC finale portretter © John Halvdan
Internationaler Königin-Sonja-Gesangswettbewerb, Finalrunde, Oslo, 21. August 2025
In den letzten 30 Jahren hat sich der Internationale Königin-Sonja-Gesangswettbewerb zu einem der meist etablierten Gesangswettbewerbe der Welt entwickelt und große Namen der Opernwelt hervorgebracht. Auch in diesem Jahr waren hier junge Sängerinnen und Sänger zu hören, die Lust machen auf mehr. Dass gerade in einem Land wie Norwegen, dessen Opernkultur eine recht junge ist, solche Talente gefördert werden, zeigt außerdem eine Stärke von modernen Monarchien im 21. Jahrhundert.
von Willi Patzelt
Es war niemand Geringeres als der „alte Fritz“, Preußens König Friedrich der Große (1712-1786), der – selbst Musiker und großer Förderer der Musik seiner Zeit – einst in seinem „Antimachiavell“ (1740, herausgegeben von Voltaire) schrieb: „Ein Fürst soll die (…) Künste lieben, sie in seinem Staate pflegen und ihnen durch sein Beispiel Glanz verleihen“. Weiter führt Friedrich aus, dass nichts einem Reiche mehr Glanz gäbe als die Künstler, die unter seinem Schutz erblühten.
Es ist genau jener Glanz der Künste dessen sich heute, fast 300 Jahre später, auch das norwegische Königshaus erfreuen darf, und welcher in Zeiten von Diskussionen um seine Rolle – Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Stief-Enkel des Königspaares füllen aktuell die norwegischen Gazetten – womöglich zur ganz richtigen Zeit kommt. Denn mit dem internationalen Gesangswettbewerb der Königin Sonja wird in diesem Jahr wieder ein Zeichen gesetzt für die positiven gesellschaftlichen Möglichkeiten parlamentarischer Monarchien im 21. Jahrhundert: Hier erblühte unter der Schirmherrschaft der Königin im 37. Jahr des Wettbewerbs wieder wirklich Schönes.

Kirsten Flagstad – der Schlüssel zur Norwegischen Opernkultur
Und das, obwohl Norwegen eigentlich auf keine sonderlich lange Tradition von Oper und klassischem Gesang zurückblickt. Denn dort spielte zwar klassische Musik, vor allem durch die Person Edvard Griegs, im 19. Jahrhundert bereits eine gewisse Rolle bei der Herausbildung einer nationalen Identität. Die Schaffung eines unabhängigen Nationalstaates aber gelang dem norwegischen Volk – nach jahrhundertelanger faktischer Zugehörigkeit zu Dänemark und einer sich nach dem Kieler Frieden von 1814 unliebsamen Personalunion mit Schweden – dann erst im Jahre 1905, und sogar erst 1919 gründet sich mit der Operakompaniet ein erster Versuch eines norwegischen Opernbetriebes im damals noch Christiania heißenden Oslo. Ein großer Durchbruch und Erfolg des Betriebes blieben aber aus.

Tatsächlich war es erst Kirsten Flagstad (1895-1962), die – als womöglich größte Wagner-Sängerin aller Zeiten; zumindest als Isolde (mit Wilhelm Furtwängler, 1952) ist sie unerreicht – der Oper in Norwegen zum Durchbruch verhalf. Nach ihrem Rückzug von der Opernbühne 1957 wurde sie die erste Intendantin der im selben Jahr neu gegründeten norwegischen Oper in Oslo.
Mittlerweile einer der bedeutendsten Gesangswettbewerbe weltweit
Und es war auch Flagstad, genauer gesagt ihr 100. Geburtstag, dem zu Ehren im Jahre 1995 die damals seit sieben Jahren bestehende „Queen Sonja International Music Competition“ als früherer Klavierwettbewerb zum Gesangswettbewerb umgewidmet wurde – und sich seitdem zu den wichtigsten Gesangswettbewerben der Welt zählen darf. Die Liste an Preisträgern spricht für sich: Mit Daniel Behle (1. Preis, 2005), Jacquelyn Wagner (2. Preis, 2009), Elsa Dreisig (2. Preis, 2015) und Lise Davidsen (1. Preis, 2015) seien nur einige mittlerweile große Namen der Opernwelt genannt, die nicht zuletzt durch eben diesen Wettbewerb zu solchen geworden sind. Es schließt gewissermaßen einen Kreis, dass mit Lise Davidsen der wohl aufregendste Wagner-Sopran unserer Zeit anfangs des kommenden Jahres erst in Barcelona und dann an der New Yorker Met sein Debut als Isolde feiern wird…
Zweimal USA, einmal Polen
Ob man ähnliche Wege von den in diesem Jahr Ausgezeichneten wird erwarten können, steht in den Sternen. Zumindest die mit dem ersten Preis ausgezeichnete US-Amerikanerin Kathleen O’Mara erfüllt wohl mit ihrem auf Spitzentönen sicherlich großen, freilich mit nicht zu wenig Vibrato versehenem und nicht nur deshalb ansonsten musikalisch eher wenig anregendem Sopran ob ihrer Durchschlagskraft gewissermaßen das Met-Anforderungsprofil.

Mit der zweitplatzierten ebenfalls US-amerikanischen Mezzosopranistin Meridian Prall wurde die wohl außergewöhnlichste Stimme der Finalrunde ausgezeichnet. Deren unglaublich warmer und sehr schön geführte Mezzo ist eine durchaus seltene Entdeckung. Dass dem drittplatzierten polnischen Bass Paweł Horodyski eindeutig noch stimmlich-dramatischer Ausdruck im tiefen Register fehlt, ist auf Grund seiner Stärken im fast schon baritonal anmutenden Register eindeutig verschmerzbar, zumal er – Jahrgang 2000! – hier bei seinem ersten großen Wettbewerb nicht zuletzt dank seiner unglaublich einnehmenden Präsenz und Ausdruckskraft überzeugen konnte.

Die Geheimnisse einer Jury
Doch wie so häufig bei Musikwettbewerben wundert man sich im Nachhinein dennoch ein wenig über das Ergebnis. Dass der unglaublich wärmend-klangschöne Sopran der Polin Justyna Khil in der Finalrunde ebenso wenig ausgezeichnet wurde wie der großartige ukrainische Bass-Bariton Vladyslav Buialskyi, verschließt sich – dem Finalapplaus im Osloer Konzertsaal nach zu urteilen – womöglich gar manchem. Doch wie genau manches Jurymitglied zu seinen Entscheidungen kommt, weiß vielleicht nur der liebe Gott.

Dass es zwischen dem und unsereinem aber noch Königinnen und Könige gibt, die sich zwar nun – Gott sei Dank – für keine Stellvertreter desselbigen mehr halten, doch sich weiterhin als Förderer und Ermöglicher von Kunst empfinden, ist eine wirklich schöne Sache. In Norwegen erblüht sie – ganz im Sinne des „alten Fritz“ – unter dem Schirm der Dronning. Sogar dass die Anmeldezahlen für Gesangsstudiengänge an norwegischen Konservatorien in den letzten Jahren gestiegen seien, ist zu hören.
Der nächste Internationale Königin-Sonja-Gesangswettbewerb im Jahr 2027 darf also mit Spannung und Vorfreude erwartet werden.
Willi Patzelt, 26. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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