Klaus Mäkelä führt das Koninklijk Concertgebouworkest zum Triumph

Saisoneröffnung: Royal Concertgebouw Orchestra, Klaus Mäkelä  Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 3. September 2025

Klaus Mäkelä mit dem Concertgebouworkest im Großen Saal © Wiener Konzerthaus / Julia Wesely

Zur Saisoneröffnung gab es im Wiener Konzerthaus ein großes Fest mit dem Spitzenorchester aus Amsterdam. Klaus Mäkelä dirigierte Mozart, Prokofjew und Bartók. Dessen Konzert für Orchester geriet zu einer veritablen Sensation, die vom Publikum verdient und ausgiebig gefeiert wurde.

Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie D-Dur K 300a “Pariser Symphonie”

Sergej Prokofjew
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 19

Béla Bartók
Konzert für Orchester Sz 116

Royal Concertgebouw Orchestra

Alena Baeva  Violine
Klaus Mäkelä Dirigent

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 3. September 2025
Saisoneröffnungsfest

von Dr. Rudi Frühwirth

Zum Auftakt der 113. Saison des Wiener Konzerthauses hatte Intendant Matthias Naske eines der weltbesten Orchester geladen, das Koninklijk Concertgebouworkest mit seinem designierten Chefdirigenten Klaus Mäkelä.

Das Programm begann mit Mozarts Pariser Symphonie. Da der zweite Satz, ein Andantino, bei der Uraufführung in Paris nicht allgemein gefiel, schrieb Mozart einen weiteren Mittelsatz, der auch an diesem Abend zu hören war.

Er dürfte um Einiges anspruchsloser sein als die Erstversion, wie einem Brief Mozarts an seinen Vater zu entnehmen ist. Da die Symphonie nur drei Sätze hat, wäre es durchaus möglich und höchst reizvoll, dem Publikum beide Versionen vorzustellen. Ob es heute so urteilen würde wie die Pariser im Juli 1778?

Mäkelä gestaltete die Symphonie mit der ihm eigenen Vorliebe für ausgeprägte Akzente und schroffe Kontraste. Die Phrasierung and Artikulation der Streicher war hervorragend herausgearbeitet, und ihr Klang im Andante war rund und seidenweich. Dass die Holzbläsersektion sicher zu den besten der Welt zählt, war deutlich zu hören. Die Trompeten setzten fehlerlos festliche Akzente. Dennoch wollte sich die bei Mozart so wichtige Grazie und Beschwingtheit nicht recht einstellen, und ich bezweifle, dass Mozart sich die Ecksätze der Symphonie so martialisch vorgestellt hat, wie sie unter Mäkeläs Leitung erklangen. Der Beifall war herzlich, aber nicht enthusiastisch.

Im folgenden ersten Violinkonzert von Sergej Prokofjew war der Dirigent deutlich mehr in seinem Element. Die als Solistin angekündigte Janine Jansen hatte kurzfristig absagen müssen; für sie sprang die im heutigen Kirgisistan geborene Geigerin Alena Baeva ein und gelangte so zu einem umjubelten Debut im Konzerthaus. Der Komponist schont die Solistin nicht, sie ist bis auf einige kurze Pausen permanent im Einsatz.

Das Violinkonzert, entstanden in den Jahren 1916-1917,  folgt äußerlich der klassischen dreisätzigen Form, geht aber doch ganz eigene, originelle Wege. Es beginnt mit zartem Tremolo der Streicher, dann setzt sofort die Solistin mit einer weitgespannten Gesangmelodie ein. Binnen weniger Takte war das Publikum im Bann der lyrisch schwebenden Klänge, die Baeva ihrer Guarneri del Gesù entlockte. In den folgenden lebhaften Passagen konnte Baeva das volle Maß ihrer stupenden technischen Fähigkeiten demonstrieren – leichte springende Töne, rasante Läufe, Doppelgriffe in der kurzen Kadenz, dann spielerische Umschreibungen des von der Flöte vorgetragenen Hauptthemas. Schließlich verklingt der Satz mit ätherischen Klängen der Solovioline, der Klarinetten und Flöten.

Der zweite Satz ist ein bizarres, groteskes Scherzo, auch wenn der Komponist sich gegen diese Bezeichnung wehrte. Vom Dirigenten erbarmungslos vorangetrieben, war neben der Solistin auch das Orchester zu höchster Virtuosität gefordert. Die schwierigsten Passagen mit atemberaubenden Läufen und Glissandi meisterte die Solistin spielerisch. Auch die Bläser konnten erneut ihre große Klasse demonstrieren.

Der dritte Satz ist zu Beginn durch eine pochende Motorik gekennzeichnet, die sich dann in reizvolle impressionistische Klangbilder auflöst. Im weiteren Verlauf verdichtet sich die Textur, dramatische Passagen lassen an Filmmusik denken, ehe das Werk mit einem langgezogenen Triller in der höchsten Lage der Solovioline sanft ausklingt. Jubelnder Beifall dankte der Solistin, dem Orchester und dem Dirigenten.

Klaus Mäkelä und Alena Baeva mit dem Concertgebouworkest © Wiener Konzerthaus / Julia Wesely

Nach der Pause stand dann Béla Bartóks Konzert für Orchester auf dem Programm. Uraufgeführt in Boston im Dezember 1944, ist das Werk ein Paradestück für jedes große Orchester, ein Stück, in dem alle Instrumente zu Wort kommen, die Bläser auch immer wieder solistisch. Neben der technischen Brillanz, mit der ein Weltklasseorchester wie das Concertgebouworkest fasziniert, ist auch nicht zu überhören, dass das Konzert für Orchester von großartiger musikalischer Substanz ist, voll von unerschöpflicher Erfindungsgabe, unversiegter Kraft und bis zum  Äußersten gespannten Emotionen.

Das Werk ist in fünf Sätze gegliedert. Der erste beginnt mit von Quarten geprägten Motiven, die quasi aus dem Nichts eine musikalische Welt entstehen lassen, die sich im Verlauf des Satzes voll entfaltet. Im zweiten Satz treten Paare von Bläsern zum Tanz an, zuerst die Fagotte, dann die Oboen, Klarinetten, Flöten und schließlich die gestopften Trompeten. Nach einem Posaunenchoral wiederholt sich das Spiel der Paare – Bartók hat den Satz ja Gioco delle coppie genannt. Die Bläser waren wieder makellos, eindrucksvoll klangen die Posaunen durch den Saal.

Den dritten Satz empfinde ich als den emotionalen Höhepunkt des Werks. Es war außerordentlich beeindruckend, wie Mäkelä das Orchester zu schmerzlichstem Ausdruck trieb, zu herzzerreißender Tragik, die schließlich in resignierte Traurigkeit mündete. Der anschließende vierte Satz ist unverkennbar von wehmütiger ungarischer Volksmusik geprägt, unterbrochen allerdings durch ein aggressives Scherzando, das die Banalität der Operettenmusik karikiert, sehr animiert und pointiert vorgetragen.

Der fünfte und letzte Satz schließlich lässt die Traurigkeit des vierten vergessen. Ein markantes, perfekt geblasenes Hornthema leitet den Satz ein, der nur so sprüht von musikalischen Einfällen. Rasante Streicherklänge wechseln ab mit lyrischen Volksmelodien, mehrere fugierte Passagen zeugen von Bartóks kontrapunktischer Kunstfertigkeit. Nach dem neuerlichen Erscheinen des Hornthemas in der Vergrößerung mündet der Satz und damit das Werk in eine unwiderstehlich mitreißende Apotheose, in der Mäkelä wie schon zuvor das Orchester zu höchster Kraft, Präzision und Prägnanz trieb.

Klaus Mäkelä mit drei Cellisten des Concertgebouworkest im Mozart-Saal © Wiener Konzerthaus / Julia Wesely

Nach einer kurzen Pause brach tosender Beifall los, verdiente Anerkennung einer außerordentlichen Interpretation, die zur Zeit vermutlich nicht leicht zu übertreffen ist. Wenn Mäkelä ab 2027 auch Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra ist, könnte den Niederländern allerdings ernsthafte Konkurrenz erwachsen…

Nach der hinreißend gespielten Zugabe, dem Allegro Vivace aus Kodálys Tänzen aus Galánta, war das Publikum zu Getränken und kleinen Köstlichkeiten eingeladen, und Mitglieder des Orchesters spielten in den kleineren Sälen in verschiedenen Kammermusikformationen.

Zuletzt wäre noch der Dirigent mit drei Orchesterkollegen am Cello zu hören gewesen, aber da hatte die Pflicht den Berichterstatter schon zum Schreibtisch gerufen.

Es war ein großartiger Abend und ein geglückter Beginn der Saison 2025/2026 im Wiener Konzerthaus!

Dr. Rudi Frühwirth, 4. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Eröffnungskonzert RCO, Klaus Mäkelä Philharmonie Berlin, 30. August 2025

Schönberg und Mahler, Concertgebouworkest, Klaus Mäkelä, Dirigent Essen, Philharmonie, 21. September 2024

Royal Concertgebouw Orchestra, Klaus Mäkelä Musikverein Wien, 8. Mai 2024 / Musikverein Festival: Courage!

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