Nicolas Hartmann (geschäftsführender Ballettbetriebsdirektor) und Lloyd Riggins (künstlerischer Ballettdirektor) im Gespräch mit Vivien Arnold (Chefdramaturgin), Parkettfoyer der Hamburgischen Staatsoper am 28. September 2025
Ein Meinungsbeitrag von Dr. Ralf Wegner
Das Programm lief unter dem Namen Click in: Ausblick. Die Ballett-Spielzeit 2025/26. Viel Neues gab es aber nicht zu berichten. Vivien Arnold stellte als Moderatorin beiden zwar die Frage, wie sie über die vergangenen 6 Monate dächten (Causa Volpi), erhielt aber keine konkreten Antworten, was wohl auch nicht zu erwarten war.
Fakt ist jedenfalls, dass am Ballett gespart wird, die offenbar hohe, an den Nachfolger von John Neumeier zu zahlende Abfindung lässt es offenbar nicht zu, die fünf frei geworden Stellen für Erste Solisten nachzubesetzen oder jemanden aus dem hochqualifizierten Ensemble zur Solistin oder zum Solisten zu befördern. Zudem werden ja Riggins und Hartmann bei höheren Leistungsanforderungen (nur) weiterbeschäftigt, und das hohe Intendantengehalt zunächst eingespart. Den Vorteil hat der für das Volpi-Desaster eigentlich verantwortliche Kultursenator Dr. Carsten Brosda, denn er muss vor der Bürgerschaft offensichtlich keinen höheren finanziellen Abfindungsbetrag für die unter seiner politischen Verantwortung stehende Ballettsparte einfordern.
Dass Volpi zwecks Vermeidung eines langwierigen und für Hamburg und das Ballett schädlichen Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend abgefunden wurde, war richtig. Dieses hätte aber nicht zu Lasten des Ensembles geschehen dürfen. Unter diesen Umständen ist es geradezu ein Wunder, zu welchen Leistungen die Hamburger Truppe unverändert fähig ist. Beispielhaft sei die gerade laufende Serie des Balletts Die Möwe erwähnt.
Lloyd Riggins sah es bei seiner Stellungnahme denn auch unverändert als seine Aufgabe an, den Geist und den Arbeitswillen der ihm jetzt künstlerisch unterstehenden Ballett-Truppe hervorzuheben. Dass angesichts der fehlenden Ersten Solisten und der schwierigen Stücke dieser Saison große Herausforderungen auf das Ballett zukämen, wie Frau Arnold andeutete, beantworte Riggins ganz klassisch: Herausforderungen seien das Elixier jedes seiner Balletttänzerinnen und Balletttänzer. Jedenfalls führt es er das dem Sinne nach aus.
Auch wies Riggins explizit darauf hin, dass man eine klassische Kompanie sei, die auch modern tanzen könne. Diese, an sich selbstverständliche, Betonung auf die klassische Kompetenz deutet schon darauf hin, dass es offenbar Kräfte gibt, die dieses abändern möchten. Für Riggins ist auch Neumeiers großes Ballett-Repertoire unverändert das Fundament, auf dem das Hamburg Ballett ruht und ruhen wird. Dafür sei es in der Welt bekannt, für den spezifischen Stil, der für John Neumeiers große Handlungsballette typisch sei.
Und damit punktet Hamburg in der auswärtigen Ballettwelt und nicht mit hergesuchten aktuellen Choreographien, die auch woanders zu sehen sind.
Dabei sei es nicht, wie bei vielen anderen Choreographen, nur ein Stil, der Neumeiers Werk präge. Allein die fünf noch aufzuführenden Repertoirestücke wie Die kleine Meerjungfrau, Die Kameliendame, Der Nussknacker, Tod in Venedig und Nijinsky seien vom tänzerischen Anspruch her so verschieden, dass diese auch von fünf verschiedenen Choreographen hätten geschaffen sein können. Und das klassische Vokabular John Neumeiers bleibe, bei allen Neuerungen, unverändert der Kern der tänzerischen Zukunft in Hamburg. Riggins sprach diesbezüglich vom zu erhaltenden Geist des Hamburger Balletts.
Weiterhin wurde von beiden Befragten berichtet, dass es aufgrund zahlreicher bestehender Kontakte zur Ballettwelt gelungen sei, kurzfristig beim Balanchine-Trust die Genehmigung für die Aufführung von dessen Ballett Serenade (als Ersatz für eine Volpi-Choreographie) zu erhalten, auch sei es wegen der Kontakte nach Kopenhagen kurzfristig gelungen, von dort Dekorationen und Kostüme für das vorgehende Ballett La Sylphide auszuleihen. Der Hamburger Erste Solist Aleix Martínez wird dazu etwas Neues choreographieren, was mit Äther zu überschreiben sei. Martínez überspanne damit die große Bandbreite des Balletts von Mitte des 19. Jahrhunderts bis jetzt zur Moderne.
Gespannt sei man auch auf das Ballett Wunderland, welches Alexei Ratmansky, der sehr dem klassischen Stil verpflichtet sei, noch in dieser Saison zur Uraufführung bringen werde. Die Dekorationen für dieses auf Lewis Carrolls Alice im Wunderland basierende Ballett sei sehr aufwendig, ebenso die Kostüme. Die entsprechenden Abteilungen im Hause würden auch damit herausgefordert werden. Und schließlich wies Nicolas Hartmann noch auf die vielfältigen organisatorischen Aufgaben und finanziellen Bürden hin, die ihm oblägen. Auch warb er für die mittlerweile fast in Vergessenheit geratene Tanztriennale, die Ende der Saison in Zusammenarbeit mit Kampnagel und dem Thalia Theater stattfände.
Am Ende wurde Vivien Arnold etwas nervös, da sich die Interviewzeit angesichts der nachfolgenden Veranstaltungen bereits dem Ende näherte; für Fragen aus dem Publikum blieb damit kaum noch Zeit.
Dr. Ralf Wegner, 29. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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