Buchbesprechung:
Im Palast der Selbsterfindung
Herausgegeben von Bogdan Roščić
Molden Verlag
Hardcover
Format: 24.0 x 30.0 cm
Seiten: 168
ISBN: 978-3-222-15169-9
Erscheinungstermin: 2025-11-07
von Peter Sommeregger
Der 70. Jahrestag der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper, der 1955 zeitnah mit dem endgültigen Abzug der Alliierten aus Österreich zusammenfiel, markierte auf kulturellem Gebiet ebenfalls die Rückkehr zur staatlichen Eigenständigkeit und wurde gebührend gefeiert.
Pünktlich zu diesem Jubiläum erscheint eine vom gegenwärtigen Staatsoperndirektor herausgegebene Publikation, die in ihrer inhaltlichen Vielfalt sowohl für Zeitzeugen, als auch die jüngere Generation interessant ist.
Die Wiener Staatsoper, erbaut als Hofoper während der Anlage der Ringstraße, war stets mehr als nur ein Gebäude. Trotz anfänglicher Kritik an ihrer Architektur bewahrte sie ihren repräsentativen Charakter auch nach dem Ende der Donaumonarchie und dessen tiefem Einschnitt in die gesellschaftliche Struktur Österreichs. Ihre teilweise Zerstörung in den letzten Kriegstagen 1945 empfanden nicht wenige Wiener ebenso schmerzlich wie jene des Stephansdoms.
Das nun vorgelegte Buch fokussiert auf den Wiederaufbau und die Eröffnung 1955, greift aber auch notwendigerweise auf die vorangegangene Zeit des Nationalsozialismus zurück, während derer Österreich kein selbständiger Staat war. Mit erfreulicher Transparenz werden Vorgänge und Namen benannt, die von der Naziherrschaft profitierten. Verdienstvoll ist auch eine vollständige Auflistung der Namen und Schicksale jüdischer Menschen, die an der Staatsoper beschäftigt waren und teilweise ermordet wurden. Diese Passage erscheint zwar nicht erstmalig, was aber ihre Aufnahme in das Buch nicht weniger wichtig macht.
Umfangreich beschrieben wird das Wiederaufleben des Opernbetriebes ab 1945, das in provisorischen Spielstätten erstaunlich schnell wieder ein hohes künstlerisches Niveau erreichte.
Bei der detaillierten Schilderung des Wiederaufbaues wird auch die aus heutiger Sicht bedauerliche Mitwirkung des strammen Nationalsozialisten Rudolf Eisenmenger thematisiert, der neben der Gestaltung des eisernen Vorhangs auch für die Entwürfe der Tapisserien im heutigen Gustav-Mahler-Saal verantwortlich ist. Im Fall des eisernen Vorhangs fand man bereits 1998 eine salomonische Lösung: Eisenmengers Bemalung wird im Jahresabstand jeweils von dem Werk eines zeitgenössischen Künstlers abgedeckt.
Der umfangreiche Bildteil ist besonders für Zeitzeugen aufschlussreich, der Brand und die dadurch angerichteten Zerstörungen des Gebäudes sind hervorragend dokumentiert. Ebenso interessant ist die bildliche Dokumentation des Wiederaufbaues, der viele Details sichtbar macht.
Allen Freunden der Wiener Staatsoper ist mit dieser Publikation ein hoch informatives und anschauliches Lese- und Bilderbuch zugänglich, das die jüngere Geschichte des Hauses unter vielen unterschiedlichen Aspekten beleuchtet.
Peter Sommeregger, 13. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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