Cavalleria rusticana/Pagliacci 2025 © Geoffroy Schied
Mit diesem stimmlich wie szenisch genialen Cavalleria/Pagliacci-Doppelabend gelingt der Bayerischen Staatsoper ein erneuter Triumphzug in der internationalen Spitzenklasse. Vor allem das Cavalleria-Traumpaar um Vittorio Grigolo und Elīna Garanča hielt das Publikum mit einer umjubelten gesanglichen Sternstunde in Atem.
Cavalleria rusticana
Musik von Pietro Mascagni
Libretto von Giovanni Targioni-Tozzetti und Guido Menasci nach Giovanni Verga
Pagliacci
Musik und Libretto von Ruggiero Leoncavallo
Bayerische Staatsoper, 15. November 2025
von Johannes Karl Fischer
Während die einst prestigeträchtige Hamburgische Staatsoper zur Zeit
ihre Premieren nicht voll kriegt, passte in der Bayerischen Staatsoper an diesem Repertoireabend kaum noch ein Blatt Papier ins Publikum. Zurecht: In der Isarstadt sorgten nicht nur die durchwegs überragenden Stimmen, sondern auch die einfallsreiche, ansprechende Regie für einen festlich umjubelten Opernabend.
Garanča und Grigolo räumen ab

Allen voran räumte Elīna Garančas Santuzza den ersten Einakter des Abends eigenhändig ab. Ihr warmer, umschlingender Mezzo fesselte einen in den Atem ihrer Melodien, die volle Wucht ihrer Eifersucht drang tief in die Herzen des Publikums ein. Selten hatte eine Stimme die Bühne so sanft und doch fest im Griff, selbst ihr lautstärkemäßig sie fast übertönender Geliebter Turiddu konnte sich ihr nur noch zu Füßen werfen.

Apropos… Turiddus kraftvoller Tenor stand dieser Sensationsleistung um nichts nach. Seine in dieser Regie besonders liebeslustige Partie stemmte er packend und dennoch völlig mühelos über Bühne und Orchester. Mit ihm und Frau Garanča stand ein Traumpaar der Italianità auf der Bühne und seine mit Lebensfreude gefüllte gesangliche Stahlkraft gegenüber Frau Garančas inniger, beispiellos fesselnder musikalischer Eifersucht. Am Ende stirbt Turiddu übrigens nicht, sondern zieht aus Sizilien nun als Canio in sein nächstes Liebesabenteuer weiter.
Unter den restlichen Rollen des ersten Einakters fiel vor allem Rosalind Plowrights seliger, stimmlich intensiver Mezzo in der Rolle der gläubigen Mamma Lucia sehr positiv auf. Auch Luca Salsis selbstsicherer, bärenstarker Bariton überzeugte als Alfio. Insgesamt wurde diese Cavalleria zu einer erstklassigen Sternstunde der Opernwelt.. .die leider nach nicht einmal neunzig viel zu kurzen Minuten schon wieder vorbei war.

Yonghoon Lee führt Pagliacci zum Erfolg
Dafür folgte der zweite Einakter des Abends, Leoncavallos Pagliacci, in ähnlich herausragender Besetzung. Im Vergleich zu Herrn Grigolos stimmlich fast schon überwältigendem Tenor nahm Yonghoon Lee den Canio zwar etwas sanfter, doch nicht weniger ausdrucksvoll. Seine ebenfalls sehr emotionale Stimme wurde im Laufe des Werks immer intensiver, steigerte die Spannung auf das dramatische Ende der Komödie hinzu und schmetterte dort seine Eifersucht schlagkräftig seiner Nedda entgegen. Oper ist eben alles andere als ein Wettbewerb um die lauteste Stimme.
Ailyn Pérez sang die Nedda sehr gut und tanzte stimmlich mit Grandezza durch ihre Rolle. Ihr sanfter, doch äußerst selbstsicherer Sopran amüsierte das Publikum im Saal, führte ihre verschiedenen Liebhaber vor und ließ die Liebesszene mit ihrem Bauer Silvio mit großer Leidenschaft strahlen. Ihr gegenüber strahlte Thomas Mole als Silvio mit ebenso inbrünstigem Bariton die Bühne voll, das war eine absolute Luxusbesetzung für diese recht kleine, doch bedeutende Rolle! Gabriele Viviani sang einen routiniert souveränen Tonio und Andrés Agudelo einen sehr eifrig und lustigen Peppe, der sich scheinbar auch seinen Spaß in der Buhlerei um Nedda erlauben wollte.
Lebendige Regie zwischen Palermo und München
Zu den weiteren Highlights des Abends gehörte Francesco Michelis geniale, zeitlose wie schlichte Inszenierung. Zwischen den Waggons eines München-Palermo-Zugs pendelnd führte er die beiden Handlungen nahtlos zusammen, erzählte ein Liebesdrama, welches die sehr intensive Eifersucht der Figuren bestens exponierte und einen mitten in diese emotionale Achterbahn hineinversetzte. Zwischen festlichen italienischen Mahlzeiten spielte diese Handlung im Hier und Jetzt, die Ostermesse der Cavalleria war natürlich nur Nebensache. Mit dieser äußerst lebendigen und originellen Inszenierung festigt die Bayerische Staatsoper weiter ihren Platz an der Spitze der internationalen Opernliga.

Das Orchester unter der Leitung von Antonino Fogliani musste sich erst ein wenig warm spielen, ließ aber spätestens im berührenden Cavalleria-Intermezzo die musikalische Liebe dieser Partitur süß und sanft aufblühen. Herr Foglianis lebhaftes Dirigat sorgte insbesondere in Pagliacci für viel frische Italianità-Stimmung und begleitete die souveränen Stimmen mit einem mehr als soliden Orchesterklang. Auch der Chor war stimmig bei der Sache und stürzte sich mit Leidenschaft in seine Rollen.
Mit diesem stimmlich wie szenischen genialen Cavalleria/Pagliacci Doppelabend gelingt der Bayerischen Staatsoper ein weiterer Triumph in der internationalen Opernliga.
Johannes Karl Fischer, 15. November 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Cavalleria rusticana / Pagliacci Münchner Opernfestspiele, Nationaltheater, 9. Juli 2025
Cavalleria rusticana/Pagliacci Wiener Staatsoper, 22. Jänner 2025