70 Jahre Hamburger Abendblatt: Thank you for the music!
Melodien von Händel und Elgar erklingen auf Spitzen-Niveau in der Elbphilharmonie…
Elbphilharmonie Hamburg, 14. Oktober 2018
Symphoniker Hamburg
Simone Kermes, Sopran
Sebastian Knauer,Klavier
Srba Dinić, Dirigent
George Gershwin, Rhapsody in Blue / Fassung für Klavier und Orchester
… sowie Werke von Gaetano Donizetti und Leonard Bernstein, Händel, Vivaldi, Elgar, Verdi, Tschaikowsky und ABBA [als Zugabe]
von Sebastian Koik
Am 14. Oktober 2017 hat das Hamburger Abendblatt seinen 70. Geburtstag gefeiert und dafür einen ganz besonderen Raum sowie eine größere Kapelle angemietet: den Großen Saal der Elbphilharmonie, die Symphoniker Hamburg und die Star-Sängerin Simone Kermes – der Hamburger Pianist Sebastian Knauer war auch noch mit von der Partie.
Es dauert etwas, bis der Dirigent und das Orchester im Saal angekommen sind. Aber dann! Die Polonaise aus Tschaikowskys „Eugen Onegin“ zu Beginn klingt noch ein wenig zu undifferenziert. Selbiges gilt für Bernsteins Ouvertüre aus Candide. Das Orchester, nicht gewöhnt an die Elbphilharmonie, spielt mit bemerkenswerter, schon übertriebener Schärfe und etwas arg laut. Unter dem Dirigat von Srba Dinić fehlt Feinheit, dafür sind die Musiker auf Zack, musizieren schwungvoll auf Party-Art. Das Ganze erinnert an eine „Last Night of the Proms“-Sause.
Dann kommt Simone Kermes in spektakulärem Kleid auf die Bühne, mit silbernen Cinderella-Glitzerschuhen, die mit ihren Ohrringen um die Wette funkeln. Sie singt „Glitter and be gay“ aus Leonard Bernsteins „Candide“ und verleiht der Geburtstagsparty nicht nur optisch Glamour, sondern nicht minder durch ihre Ausstrahlung und ihre Stimme. Ihr Auftritt ist leidenschaftlich, ihre stabilen Höhen sind sauber und klar, ihr Atem lang.
Dann spielen die Symphoniker Hamburg die Ouvertüre aus Händels Alcina, das gelingt herrlich schön, fast vollkommen, höchstens auch noch eine Spur zu laut und minimal zu scharf.
Der nächste Auftritt von Frau Kermes: Diesmal kommt sie in einem rosa-orangenem Kleid mit extravagantem Kragen auf die Bühne. Die Symphoniker Hamburg spielen Händel überaus stark und lebendig und demonstrieren, wieviel Spaß Alte Musik machen kann. Die Arie “Agitata da due venti“ aus“Griselda“ ist aber nicht so ganz das Stück von Frau Kermes, jedenfalls nicht an diesem Abend. Die Koloraturen sind hier einerseits nicht ganz so sauber, und vor allem fehlt ihnen die nötige Leichtigkeit.
Überaus bezaubernd erklingt dann Händels berühmte und wundervolle Arie „Lascia ch’iopianga“ aus „Rinaldo“. Der Dirigent und das Orchester haben sich inzwischen ganz auf den Saal eingeschwungen und musizieren jetzt in Perfektion, voller Feinheit, Gefühl und erzeugen große musikalische Spannung. Die Weltklasse-Sopranistin singt voller Tiefe und mit großer Innerlichkeit und berührt. Es herrscht ehrfürchtige Stille im Saal, jeder einzelne der 2000 Gäste scheint die Luft anzuhalten. Die Zeit scheint stillzustehen. Was für ein schönes Stück das ist! Welch‘ großartige Darbietung der Symphoniker Hamburg und Simone Kermes‘!
Und mit dem nächsten großartigen Stück geht es weiter: Nimrod aus Edward Elgars Enigma-Variationen. Die Symphoniker Hamburg bleiben auf Spitzen-Niveau, musizieren herrlich fein und elegant, die Hörner tönen imposant und vollendet schön. Diese vielleicht schönste Melodie von der britischen Insel und eine der schönsten Melodien vom Planeten Erde erklingt voll bezaubernder ruhiger Energie. Das ist ganz große Kunst!
Frau Kermes begeistert mit kunstvollem und super-souveränem Gesang aus Donizettis „Linda di Chamounix“. Dann kommt noch ein Solist, der deutsche und Hamburger Pianist Sebastian Knauer. George Gershwins „Rhapsody in Blue“ gelingt aber nicht so ganz überzeugend, swingt nicht genug. Den Swing haben Deutsche im Allgemeinen nicht wirklich im Blut. Solche Musik gelingt Gershwins Landsleuten, den Amerikanern, meist sehr viel besser.
Im letzten Stück des Programms überzeugt die deutsche Sopranistin Kermes noch mit Giuseppe Verdi, bevor sie in einer umwerfenden Zugabe begeistert. „Thank you for the music“ singt sie und: „I’m so grateful and proud“. Genau diese Worte des ABBA-Songs möchte man auch den Gastgebern und Musikern des Abends zusingen: „Thank you for the music“, „Danke für die Musik“. Auch den Leuten, denen wir die Elbphilharmonie und ihre Bespielung zu verdanken haben, möchte man dies immer wieder zurufen. Thank you for the music! Danke für die Musik!
Treffend gewählt die Zugabe, liebe Frau Kermes, sehr treffend gewählt! Die Menschen Hamburgs und die Musikliebhaber Norddeutschlands sind sehr dankbar und stolz, diesen Musiktempel in der Stadt zu haben.
Sebastian Koik, 18. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de