Foto: © Monika Rittershaus
Richard Wagner, Die Walküre, Hamburgische Staatsoper,
11. und 16. November 2018
Ulrich Poser
berichtet über die beiden Walküre-Aufführungen
in der Hamburgischen Staatsoper
„Wie kann man nur innerhalb weniger Tage zwei Mal in die Walküre gehen?“, wird der Rezensent gefragt. „Warum denn nicht?“ lautet die Gegenfrage. Es gibt Menschen, die könnten – und möchten – nahezu jeden Abend in die Oper oder ins Konzert gehen. Solche Menschen gehen davon aus, dass ein Tag ohne Aufführung ein vertaner Tag ist. Sind diese Menschen irre? Mag sein.
Kent Nagano trägt dazu bei, dass sich dieser Irrsinn nach zehn Magerjahren (die schon länger vorbei sind) bei den irren Teilen des Hamburger Publikums langsam wieder einschleicht. Sein Orchester und er lieferten in der ersten „Walküre“ eine nahezu vollkommene Leistung ab, um diese dann in der zweiten „Walküre“ zur Perfektion zu vervollkommnen.
Das „große Pfund“ dieses Orchesters sind zweifellos die Streicher. Dass hier fehlerfrei musiziert wird, versteht sich von selbst. Und an das Können schließt sich endlich wieder die zu lang verloren gegangene Magie an. Wagnersches Streicherweben, Wagnersche Klangteppiche, Wagnerscher Superlativ und ein geniales Dirigat vereinen sich zu ihr an beiden Abenden. Winterstürme, Walkürenritt und Feuerzauber machten schon aufgrund der Orchesterleistung benommen. Und zwar im positiven Sinne.
Kent Nagano hat es jetzt geschafft, aus dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg wieder ein Orchester der ersten Kategorie zu formen. Bleibt zu hoffen, dass sein Wirken anhält und sich die Schatten der Vergangenheit endgültig gen Westen verzogen haben.
Dear Mr. Nagano: Stay here. Please!
„Willkommen zur John Lundgren Show“ hieß es schon früher einmal an dieser Stelle. Daran hat sich nichts geändert; im Gegenteil! John Lundgren ist ein Paradewotan der Spitzenklasse. Seine mächtige Götterstimme, sein göttliches Spiel und seine Göttergestalt ließen ihn an diesen Abenden zum wahren Wagnerschen Gott werden. „Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind“ und „Wer meines Speeres Spitze fürchtet, durchschreite das Feuer nie!“ hat man in diesem Haus seit sehr vielen Jahren von niemandem besser singen hören. Klar, laut, textverständlich. Ein in jeder Hinsicht göttlicher Walvater, der in Hamburg mehr als verdient zweimal massiv bejubelt wurde. Die sonst so kühlen Hanseaten schienen völlig aus dem Häuschen.
Das Wälsungenpaar sang sehr ordentlich. Robert Dean Smith nahm es keiner übel, dass ihm in der zweiten Aufführung das „Wälsungenblut“ am Ende des ersten Aktes verrutscht ist. Jennifer Holloway gab eine mädchenhaft anmutende und voller Minne singende Sieglinde. Beide ernteten in den Aufführungen folgerichtig verdienten Applaus.
Äußerst positiv hervorzuheben ist an beiden Abenden auch der großartige Hunding von Alexander Tsymbalyuk. Seine messerscharfe schwarze raumfüllende Bassstimme lehrte Sieglinde und das Publikum das Fürchten. Ein Glücksgriff für das Haus.
Lise Lindstrom war wieder eine Bilderbuch-Brünnhilde: Ihre Textverständlichkeit, ihr Heldensopran und ihre Kunst der stimmlichen Dynamik formten eine eigenwillige Göttertochter erster Güte. Man freut sich auf sie im Siegfried.
Der furchtlose drachentötende Held schlummerte an diesen beiden Abenden noch in Sieglindes Schoß. Als Helden vor Ort agierten aber bereits Kent Nagano und John Lundgren.
Ulrich Poser, 18. November
für klassik-begeistert.de