Leif Ove Andsnes, Herbert Blomstedt und die Sächsische Staatskapelle Dresden formen Brahmsʼ symphonische Klangwelten

3. Symphoniekonzert der Staatskapelle Dresden, Semperoper Dresden, 11. November 2018

Foto: © Matthias Creutziger
3. Symphoniekonzert der Staatskapelle Dresden, Semperoper Dresden

11. November 2018

Herbert Blomstedt, Dirigent
Leif Ove Andsnes, Klavier
Sächsische Staatskapelle Dresden

von Pauline Lehmann

Herbert Blomstedt und Leif Ove Andsnes machen das 3. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle zu einem unvergesslichen Erlebnis. Auf dem Programm stehen zwei Gattungspremieren von Johannes Brahms: Das erste Klavierkonzert d-Moll op. 15 und die erste Symphonie c-Moll op. 68.

Im Herbst 1853 präsentierte Robert Schumann den jungen Johannes Brahms der Musikwelt. In seinem Artikel Neue Bahnen in der Neuen Zeitschrift für Musik bezeichnete er ihn als „Berufenen“, welcher es vermag, „wunderbare Regionen zu enthüllen“ und das Publikum „in immer zauberischere Kreise“ hineinzuziehen. Schumann verspricht sich von Brahms’ Chor- und Orchesterwerken „noch wunderbarere Blicke in die Geheimnisse der Geisterwelt“. Blomstedt und Andsnes gelingt es, dem „Zauberer“ Johannes Brahms nachzuspüren und faszinierende Klangräume zu schaffen.

© Özgür Albayrak

Die Orchesterintroduktion des ersten Satzes beginnt impulsiv. Das langsame Seitenthema verliert sich dann in lose Strähnen. Die Sächsische Staatskapelle schafft es nicht, die zuvor entladene Energie zu bündeln. Danach überzeugt das Orchester wieder mit energetischen Klängen und bereitet den Klaviereinsatz sensibel vor. Andsnes’ Einsatz ist weich. Der norwegische Pianist beeindruckt mit seinem klaren Spiel. Die Sächsische Staatskapelle übernimmt die Anmut und das Feingefühl des Pianisten nicht vollständig. Aus dem vorderen Parkett wirken die Bläser zu aufdringlich. Die überladenen Soloviolinen passen nicht zu dem klaren Klavierklang. Erst im Schlussteil des ersten Satzes überzeugt die Sächsische Staatskapelle wieder. Im zweiten Satz malt Andsnes Spannungsbögen. Wieder sind die Bläser zu laut, die Streicher allerdings dynamisch wohltuend. Nun entfaltet sich eine wunderbare Schönheit. Im dritten Satz zieht das Orchester mit. Energetische Akkorde leiten die Solokadenz ein. Als Zugabe erklingt – hoch sensibel – eine Nocturne von Frédéric Chopin.

Blomstedts Dirigat bleibt den ganzen ersten Konzertteil ein Geheimnis, da der Ehrendirigent durch den aufgeklappten Flügel für das Publikum im Parkett verdeckt ist. Seine energetischen Impulse sind aber deutlich spürbar. Das Augenmerk fällt so vor allem auf den Pianisten. In Andsnesʼ Interpretation liegen Grazie, Wärme und ein hohes Maß an Reflexion. Seine konzentrierte, aber körperlich unverkrampfte Spielweise beeindruckt. Er nimmt die Kraft aus den auf den Tasten stehenden Fingern – höchste Klavierkunst.

© Martin Lengemann

Nach der Pause eröffnet sich ein freier Blick auf Blomstedts Dirigat. Das Miteinander zwischen dem 91-Jährigen und der Sächsischen Staatskapelle begeistert. Blomstedt trägt die musikalischen Bögen und schafft Klangraum. Auch aus dem Orchester heraus entwickelt sich eine Tiefe, die bis zum Fundament der Töne führt. Dadurch erstrahlt der Kopfsatz der Symphonie in schönster Klangfülle.

Das Andante sostenuto wirkt erhaben und selig. An dieser Stelle passen die schwelgerisch weichen Klänge der Solovioline, die zusammen mit dem Horn den zweiten Satz beenden. Der dritte Satz erklingt heiter und spielerisch. Die Soloklarinette treibt den musikalischen Fluss voran, ohne zu drängen.

Im vierten Satz beeindruckt die Sächsische Staatskapelle mit aufbrausenden Pizzicati, bevor das bekannte Hornsolo erklingt, mit welchem Brahms Clara Schumann zum 49. Geburtstag gratulierte. Nach dem feierlichen Hymnus folgt das Finale mit Anklängen zu Beethovens Ode an die Freude. Auffallend ist es, dass die Melodie bei Brahms nicht so offen liegt. Das Publikum dankt Blomstedt mit langem Beifall und stehenden Ovationen. Mit klaren Gesten und einem verschmitzten Lächeln zaubert auch Blomstedt. Voller Demut vor seiner Leistung kann man einfach nur sagen: Chapeau!

Pauline Lehmann, 18. November
für klassik-begeistert.de

 

 

 

 

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