An diesem Abend versammelt sich die Crème de la Crème des Swinging Jazz in der Elbphilharmonie

»A Mood Swing Reunion« Jazz in der Elbphilharmonie  Elbphilharmonie, Großer Saal, 29. Oktober 2022

Foto: Iris Röckrath

Jazz in der Elbphilharmonie

JOSHUA REDMAN / BRAD MEHLDAU / CHRISTIAN MCBRIDE / BRIAN BLADE

Joshua Redman saxophone
Brad Mehldau piano
Christian McBride bass
Brian Blade drums

»A Mood Swing Reunion«

Elbphilharmonie, Großer Saal, 29. Oktober 2022

von Iris Röckrath

Jazz auf allerhöchstem Niveau in der Elbphilharmonie hören zu dürfen, kommt einem Sechser mit Zusatzzahl gleich. „Wir sind ausverkauft“, viele Menschen versuchten noch an der Abendkasse ihr Glück. Leider ohne Erfolg.

Alle Besucher, die ein Ticket ergattern konnten, empfangen das Quartett, dass sich bereits 1994 (als junge Mittzwanziger) zu dem legendären Album „Mood Swing“ zusammengefunden hatte, im großen Saal mit nicht enden wollendem herzlichen Applaus und Bravorufen.

Der Hintergrund der Bühne ist in pinkfarbenes Licht getaucht, die Bodenscheinwerfer strahlen die Musiker in violetter Farbe an. Brad Mehldau, versunken am Klavier, den Kopf leicht nach rechts geneigt, die Augen geschlossen, begleitet mit perlenden, sanften Tastentönen Joshua Redman, der mit einem fulminanten Saxophon-Solo das Konzert mit „Chill“ vom Album Mood (2020) beginnt. Brian Blade am Schlagzeug hat von der ersten Sekunde an Freude am Spiel. Das Stück ist von einer unglaublichen Leichtigkeit und Intensität geprägt, die sich direkt auf das Publikum überträgt. Die Freude der KonzertbesucherInnen, sich auf eineinhalb Stunden Spielfreude einzulassen, ist spürbar. Allerdings kommen noch einige Besucher verspätet in den Saal. Unruhe links, Durchdiereihenschlängeln rechts, aha, da hinten sucht noch ein Pärchen seine Plätze. Aber nun. Schnell noch von gegenüber ein Foto gemacht (mit Blitz natürlich). Ach und eine Dame leuchtet mit einer Taschenlampe in ihre Handtasche. Hat sie das Hustenbonbon gefunden?

Das zweite Stück beginnt, die Bühne ist jetzt in einem warmen Gelbton angestrahlt.  Christian McBridge zupft den riesigen Bass mit einer Leichtigkeit, als sei es eine Gitarre. Hochkonzentriert entlockt er dem Instrument mit energischen Fingern virtuose Klänge und bleibt dabei Fels in der Brandung. Joshua Redman wechselt zum Sopransaxophon. Er zaubert die unglaublichsten Töne aus dem Instrument heraus. Mehldau übernimmt das Thema mit sanften Tönen, wie aus dahinschmelzendem Wachs. Brian Blade scheint mehrere Arme zu haben. Er arbeitet auf dem Schlagzeug, er bearbeitet, er wischt, er schlägt und immer bleibt der Rhythmus lebendig, gekonnt, schnell. Heute Abend versammelt sich die Crème de la Crème des Swinging Jazz in der Elbphilharmonie.

Nach 35 Minuten werden die einzelnen Musiker von Joshua Redmen unter johlendem Applaus vorgestellt. Alle sind zwischen 1969 und 1972 geboren und gehören zu den gefragtesten Vertretern ihrer Instrumente weltweit. Jeder der vier hat bei verschiedenen Gelegenheiten mit einem oder mehreren der anderen Musiker zusammengespielt. Inzwischen hat Redman das Jackett abgelegt und kann nun noch besser auch körperlich mitswingen.

Der Magie der fabelhaften Songs aus ihrem Album RoundAgain aus dem Jahr 2020 kann man sich nicht entziehen. Die Musiker strahlen pure Energie aus. Sie befeuern sich gegenseitig, während sie ihre selbst komponierten Stücke vortragen. Man spürt die ausgelassene Spiel- und Lebensfreude, während Brad Mehldau in den Flügel versinkt und scheinbar eins wird mit dem Instrument.

Foto: Iris Röckrath

Nach eineinhalb Stunden verabschieden sich die vier Musiker mit einer phantastischen Zugabe: „Rejoice“ heißt das Stück, was soviel heisst wie jubeln. Das Stück ist ein genialer Abschluss, in dem jeder noch einmal seine Fähigkeiten am entsprechenden Instrument ausleben kann. Dem Applaus nach sind die Jazzfreunde voll auf ihre Kosten gekommen.

Für mich war es ein Jazzabend, der aus räumlichen Gründen nicht den phantastischen Musikern und ihrer Musik gerecht wurde. Der Klang der Verstärker war mit zu viel Hall durchsetzt, so dass es von meinem Platz aus manchmal schwerfiel, sich auf die leiseren Instrumente (Piano und Bass) zu konzentrieren. Der große Saal ist eigentlich für seine Direktheit bekannt, davon war heute nicht viel zu spüren.

Dass in der Elbphilharmonie das Publikum mit den schwächsten Blasen sitzt, wurde während der Stücke immer wieder deutlich. Permanent gingen irgendwelche Leute die (beleuchteten) Treppen rauf und runter.

Während des wunderbaren melancholischen „Silly little Love Song“ zogen mehrere Leute ihre Jacken an und gingen schon mal nach Hause.

Mich lenkt diese ständige Unruhe ab und es ist respektloses Benehmen den Musikern gegenüber, die auf der Bühne ihr Bestes geben.

Iris Röckrath, 31. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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