Alban Bergs „Wozzeck“ feiert triumphal seinen 100. Geburtstag

Alban Berg Wozzeck  Staatsoper Unter den Linden Berlin, 14. Dezember 2025

Foto: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, Simon Keenlyside (c) Stephan Rabold

Alban Berg
Wozzeck

Wiederaufnahme 14. Dezember 2025 exakt 100 Jahre nach der Uraufführung

Wozzeck  Simon Keenlyside
Marie  Anja Kampe
Tambourmajor  Andreas Schager
Doktor  Stephen Milling
Hauptmann  Wolfgang Ablinger-Sperrhacke

Inszenierung  Andrea Breth

Dirigent  Christian Thielemann

Staatsopernchor, Kinderchor der Staatsoper
Staatskapelle Berlin

Staatsoper Unter den Linden Berlin, 14. Dezember 2025

von Peter Sommeregger

Kaum zu glauben, dass dieses kühne, eine neue Opernästhetik begründende Werk schon vor hundert Jahren uraufgeführt wurde. Erich Kleiber leitete am 14. Dezember 1925 in Anwesenheit des Komponisten die Uraufführung Unter den Linden. Vom damaligen Opernhaus existiert freilich nach zweimaliger Zerstörung nur noch die äußere Hülle.

Christian Thielemann ließ es sich nicht nehmen, selbst die Wiederaufnahme von Andrea Breths düsterer Inszenierung in prominenter Besetzung zu dirigieren, und so Werk und Komponisten exakt am 100. Jahrestag der Uraufführung zu ehren.

Die Inszenierung, 2011 für das Ausweichquartier Schillertheater erstellt, hat über die Jahre nicht unbedingt gewonnen. In durchgängig düsterem, stark reduziertem Bühnenraum wird den Protagonisten wenig Raum gegeben, die Guckkasten-Optik führt im großen Haus auch noch dazu, dass auf den oberen Plätzen die Köpfe der Sänger zeitweise nicht zu sehen sind. Ein Großteil der breiten Bühne wird lediglich in der Mordszene genutzt, die prompt plastischer und überzeugender ausfällt.

Musikalisch erzeugt Thielemann ab den ersten Tönen eine Klangtransparenz, welche die komplizierte Struktur der Partitur herausarbeitet und so die Musik erheblich weniger verstörend erscheinen lässt, als gewohnt. Hat man sich an Bergs sehr persönlichen Stil erst gewöhnt, beginnt man auch die verborgenen Kantilenen darin zu entdecken.

Anja Kampe, Solist des Kinderchors der Staatsoper, Andreas Schager
(c) Stephan Rabold

Als Besetzung wurde eine ganze Handvoll von Starsängern aufgeboten, die ihrem Ruf jeweils auch alle gerecht wurden. Simon Keenlyside in der Titelrolle konnte die Verzweiflung des gedemütigten einfachen Soldaten glaubwürdig vermitteln. In idiomatisch perfekter Sprache blieb sein Wozzeck trotzdem ein wenig blass, was vielleicht an seinen großartigen Partnern lag, die seine Leistung überstrahlten.

Die Marie Anja Kampes war eine Klasse für sich. Leidenschaftlich in Zorn und Verzweiflung, weich und zart im Gespräch mit ihrem Kind, gelangen ihr mit leuchtendem Sopran große Momente. Für die kleine Rolle der Margret hatte man als Luxusbesetzung Anna Kissjudit aufgeboten, die sich in der Kneipenszene mit orgelnder Tiefe profilieren konnte.

Anja Kampe, Solist des Kinderchors der Staatsoper
(c) Stephan Rabold

Die beiden Zyniker, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Hauptmann, und Stephen Milling als Doktor lieferten ein Kabinettstück an Menschenverachtung.

Andreas Schager zeigte den Tambourmajor in seiner ganzen dumpfen Männlichkeit, unsensibel und dumm. Sein Heldentenor setzte die vokale Reviermarkierung gekonnt und kräftig. Stephan Rügamer konnte in der kleinen Partie des Narren ebenfalls überzeugen.

Andreas Schager, Simon Keenlyside, Staatsopernchor
(c) Stephan Rabold

Christian Thielemann gelang der Aufbau eines fast schon bedrückenden Spannungsbogens, der sich im gewaltigen Crescendo nach Mariens Tod entlud. Am Ende war das Publikum überwältigt, und applaudierte geradezu leidenschaftlich. Die Latte für zukünftige Aufführungen ist damit sehr hoch gelegt.

Ich habe rekapituliert, dass ich meinen ersten Wozzeck bereits im Jahr 1963 an der Wiener Staatsoper hörte, damals mit Walter Berry und Christa Ludwig. Damals war diese Oper noch ein Wagnis, sie hat mich aber bereits beim ersten Hören fasziniert.

Auf die nächsten hundert Jahre, Wozzeck!

Peter Sommeregger, 15. Dezember 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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