Eine Forelle im Wasser könnte lebhafter nicht sein als Alice Sara Ott und ihr Ensemble

Alice Sara Ott Klavier
Roland Greutter Violine
Jan Larsen Viola
Andreas Grünkorn Violoncello
Michael Rieber Kontrabass
Robert Schumann
Fünf Stücke im Volkston op. 102 für Violoncello und Klavier
Maurice Ravel
Sonate C-Dur für Violine und Violoncello
Franz Schubert
Klavierquintett A-Dur D 667 »Forellenquintett«
Elbphilharmonie Hamburg, 16. Mai 2017

von Leon Battran

Einen Abend von wunderbar pointierter Kammermusik bescherte die Pianistin Alice Sara Ott mit Ensemble dem Publikum im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Intim, bewegend und elektrisierend war die Musik, die die fünf ambitionierten Musiker mit sichtbarer Spielfreude und Hingabe erklingen ließen.

Alice Sara Ott hat flinke Finger. Vor jedem Auftritt löst die deutsch-japanische Pianistin einen Zauberwürfel. In der aktuellen Spielzeit war sie schon mehrmals in der Elbphilharmonie zu erleben. Im März dieses Jahres unternahm sie gemeinsam mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester eine Japan-Tournee. Für diesen Kammermusikabend hat die 28-Jährige sich mit Solo-Streichern des Orchesters zusammengetan.

Der Abend beginnt zunächst in Zweierbesetzung: Alice Sara Ott im Duett mit dem NDR Solocellisten Andreas Grünkorn und Robert Schumanns „Fünf Stücken im Volkston“. Auch wenn man weiter weg sitzt, sorgen die Musiker für ein Gefühl von unmittelbarer Nähe zur Musik. Man fühlt sich gleich von Beginn an mitgenommen, geht mit der Musik auf Tuchfühlung. Musik wird zum intimen Ereignis, dessen Entstehung das Publikum hautnah miterleben darf.

Die betonte Metrik des ersten Stücks entfaltet einen Groove, der sowohl die Künstler als auch das Publikum gleichermaßen mitreißt. Wenn die Komposition auch etwas kantig, das Klangbild noch eher fleckig erscheint, diese Darbietung elektrisiert bereits ungemein. Ganz anders das zweite Stück mit seinem langsam-getragenen gleichmäßigen Puls: ein Eindruck wie unter Wasser schwimmen. Das Klavier perlt weich und gütig, das Cello brummt wohlig dazu.

Die Spannung halten die Musiker durch alle Sätze des Werkes. Sie ist deutlich spürbar zwischen Ott und Grünkorn und überträgt sich auch auf das Publikum. Das spannungsreiche Spiel mit Erwartungen und Schlusswirkungen spielt eine wichtige Rolle. Wenn Ott am Ende des dritten Satzes die Tasten loslässt, fühlt es sich an wie ein Fall ins Leere. Die Stille danach und dazwischen ist Teil der Musik, das Fühlbare ist ebenso wichtig wie das Hörbare – das stellen die Pianistin und der Cellist eindrucksvoll unter Beweis.

Viel Elan legten Andreas Grünkorn und Roland Greutter auch bei Maurice Ravels klassizistischer Sonate für Violine und Violoncello a-Moll an den Tag. Die Tonsprache dieser Komposition ist etwas eigenwillig, man muss sich erst darin einhören. Aber die Musiker erleichtern den Zuhörern das Verständnis dieser Musik, indem sie sie in äußerst reger Mimik widerspiegeln.

Trotz der spartanischen Besetzung erscheint das Klangbild ausgesprochen reich und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Melodieverlauf. Violine und Cello umspielen sich ebenbürtig, stellenweise bewegt sich das Cello sogar in derselben Lage wie die Violine. Der langsame Satz beginnt als Kanon, bei dem das Cello anfängt. Der modale Charakter der Melodie mutet zunächst archaisch an, wendet sich dann jedoch zunehmend in die Atonalität. Zum Ende hin verdünnisiert sich der musikalische Satz buchstäblich: Leere Quinten lösen sich ins Unisono auf.

Der sehr belebte très vif-Satz präsentiert eine Vielzahl von Spieltechniken und musikalischer Ausdrucksmittel. Der Violinist und der Cellist zupfen, streichen, erzeugen Flageoletts, spielen mit viel Humor und Augenzwinkern, zeigen dabei vollen Körpereinsatz. Die beiden fiebern mit wie zwei Jungs beim Zocken vor der Daddelkonsole! Man merkt, dass diese zwei richtig Spaß an der Musik haben. Am Schluss wird vielerseits geschmunzelt.

Das Klavierquintett A-Dur oder auch „Forellenquintett“ ist vielleicht schon aufgrund seines Beinamens Schuberts bekanntestes kammermusikalisches Werk. An vierter Stelle des fünfsätzigen Werkes steht ein Variationssatz, der auf Schuberts Lied „Die Forelle“ basiert. Hier ist wiederum der liedhafte Volkston besonders präsent und spannt so einen Bogen zur Eröffnung des Konzertabends mit Schumanns Komposition im Volkston.

Das Ensemble ist nun noch mit Viola und Kontrabass aufgefüllt und Ott sitzt wieder am Piano. Alle Solisten wirken wunderbar als Klangkörper zusammen. Sie spielen sich gegenseitig den Ball zu, nehmen alle gemeinsam Fahrt auf und schippern vergnügt im Fahrwasser von Schuberts seligem musikalischen Idyll. Spontanes Erleben und spielerische Neugier haben dabei Vorrang vor demütiger musikalischer Strenge, und das macht diese Interpretation erfrischend, vital und unterhaltsam.

Alice Sara Ott lässt glänzend stolze Arpeggien wie Wasserfontänen perlen. Der Steinway-Flügel klingt hervorragend unter ihren Händen. Sie spielt wirbelnde Läufe, aus denen die Melodie hervorstrahlt. Auch die vier Streicher zeigen sich weitestgehend von ihrer besten Seite. Im Variationssatz gibt das Ensemble noch mal alles. Besonders schön ist die Mollvariation, die sich überraschend wieder nach Dur wendet.

Eine Forelle im Wasser könnte lebhafter nicht sein als Alice Sara Ott und ihr Ensemble.

Leon Battran, 18. Mai 2017 für
klassik-begeistert.de

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert