Die Neuköllner Oper Berlin behandelt ein ernstes Thema mit viel Pepp und Schwung

Anna & Eve, Ein KI-Musiktheater von Marie Kilg  Neuköllner Oper, Uraufführung am 24. April 2024

© Foto: Matthias Heyde, Grafik: Vincent Stefan

Wieder einmal hat die Neuköllner Oper mit ihrem Markenkern überzeugen können: ernsthafte Themen in ansprechender Form auf die Bühne zu bringen.

Anna & Eve
EIN KI-MUSIKTHEATER VON MARIE KILG (TEXT)
EVA KUHN (MUSIK)
FASSUNG: FABIAN GERHARDT

Neuköllner Oper
Uraufführung am 24. April 2024

von Peter Sommeregger

KI, die so genannte Künstliche Intelligenz ist aktuell eines der brisantesten Themen unserer Zeit. Wie weit wollen wir uns Technologien ausliefern, die möglicherweise eines Tages uns beherrschen werden, und nicht umgekehrt? Wie stellt man es an, KI auch als solche zu erkennen?

Die privat geführte Neuköllner Oper, ganz zurecht als Berlins viertes Opernhaus tituliert, ist bekannt dafür, sich in eigens geschriebenen Stücken aktueller Themen anzunehmen. Das unerschöpfliche Thema KI passt sehr gut in diesen Rahmen, dem Team um Komponistin Eva Kuhn und Texterin Marie Kilg ist es gelungen, ein originelles kleines Musical mit diesem Themenschwerpunkt zu kreieren.

Was an dem Stück sofort gefällt, ist die gelungene Balance zwischen der Ernsthaftigkeit des Themas und umwerfend komischen Elementen. Da wird eine Patchwork-Familie, bestehend aus chronisch überarbeiteter IT-Fachfrau, einem erfolglosen Musiker und dessen aus früherer Ehe stammenden rotzfrechen, aber cleverem Teenager vorgeführt, der von der gestressten Anna zur Problemlösung eine von KI erschaffene Helferin, Eve genannt, zur Seite gestellt ist. Daraus ergeben sich sehr viel grundsätzliche Fragen, die einerseits ernsthaft, andererseits auch sehr witzig abgehandelt werden.

© Philipp Plum

Die Musik hat Pepp und Schwung, Teile davon sind aber auch bereits mittels KI generiert, was doch zu denken geben sollte. Den Texten gelingt der schmale Grat zwischen Ernst und schnodderiger Witzigkeit vortrefflich, es wird viel gelacht an diesem Abend.

Zum Erfolg tragen aber auch die vier Darsteller maßgeblich bei. Sophia Euskirchen als Anna liefert ein stimmiges Porträt einer überforderten jungen Frau, dass sie auch noch gut singen kann, ist von Vorteil. Den aufmüpfigen Teenie gibt Bineta Hansen mit Witz und Schlagfertigkeit. Oliver Urbanski fällt die undankbare Rolle zu, den Loser der Patchwork-Familie zu geben, was ihm aber sehr gut gelingt.

© Philipp Plum

Sehr gekonnt androgyn schillernd stellt Meik van Severen die Kunstfigur Eve dar, es gelingt ihm die Künstlichkeit der Figur ebenso glaubhaft zu machen, wie die Anklänge an empathisches Verhalten im Verlauf des Stückes.

© Philipp Plum

Der Regisseur Fabian Gerhardt und der musikalische Leiter Markus Syperek setzen auf flottes Tempo, was dem Stück sehr gut tut, und den Abend nie seine Spannung verlieren lässt. Loben muss man auch die Perfektion der technischen Abläufe, die Koordination der Video-Einspielungen war sicher keine leichte Aufgabe, klappte aber ausgezeichnet.

Wieder einmal hat die Neuköllner Oper mit ihrem Markenkern überzeugen können: ernsthafte Themen in ansprechender Form auf die Bühne zu bringen.

Peter Sommeregger, 25. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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