Bildquelle: Ingo Höhn
Herkulessaal München, 11. November 2018
Apokalypse
Jazz-Kantate von Karl Feilitzsch (1901-1981)
Überarbeitete Endfassung von 1972
von Barbara Hauter
Das Thema Apokalypse liegt in der Luft. Der Klimawandel wird spürbar für jeden, und die politischen Verhältnisse erinnern erschreckend an dunkle Zeiten.
Es passt also, wenn in München zum 100. Jahrestages des Endes des Ersten Weltkrieges ein fast vergessenes Werk auf die Bühne gebracht wird, das den Weltuntergang zum Thema hat. Die Jazz-Kantate Apokalypse von Karl Feilitzsch. Sie ist das Hauptwerk des Komponisten und Umweltaktivisten und gedacht als eine eindringliche Warnung vor Krieg und Naturzerstörung. Bekannt ist Feilitzsch zum Beispiel für die (Trautonium-)Musik zum Münchner im Himmel. Ein Dachbodenfund – ein kurzer, avantgardistischer Kunstfilm zu der Komposition – brachte seine Tochter Angela Gräfin von Wallwitz auf die Idee, die Apokalypse 46 Jahre nach ihrer letzten Aufführung wieder auf die Bühne zu bringen.
Karl Feilitzsch war ein unbequemer Zeitgenosse. Er kämpfte allein gegen Alle. Er scheute keine Konflikte und testete die Grenzen der Legalität, als er bereits in den 60er Jahren mit seinen Aktionen gegen Umweltzerstörung antrat. Er wehrte sich gegen Zersiedelung, Industrialisierung und Abholzung, war dabei aber ein knorriger Wertkonservativer und zudem ein konvertierter Katholik, der sich als Vorlage für seine Jazz-Kantate einen Bibeltext, die Offenbarung des Johannes, nahm. 1949 wurde die erste Fassung aufgeführt, deutlich als ein Zeichen des Schocks über die Zerstörungskraft des Zweiten Weltkriegs. Feilitzsch bediente sich der Sprache des Jazz, die unter Hitler verboten war, betitelte die Teile als Blues, Boogie-Woogie, Rumba und Slow Fox. Das Orchester sollte düster klingen, bis auf den Kontrabass verzichtete er auf Streicher, setzte neben den Bläsern vor allem auf Schlagwerk. Ihm schwebte als Vorbild eher eine Jam-Session als ein Oratorium vor.
Doch bei der Aufführung im Münchner Herkulessaal wirkt die Apokalypse eher Oratoriums-ähnlich. Es steht vor allem der Text im Vordergrund, die Musik ist ihm untergeordnet. Ein sechsstimmiger Chor wechselt sich ab mit Sprechern, einer Solo-Bariton- und einer Solo-Tenor-Stimme. Die Musik untermalt nur, sie unterstreicht den Inhalt der düsteren Prophezeiung. Sie steht nicht für sich. Jazzige Elemente in der Rhythmik sind nur Zitate. Es ist vor allem das Bitonale der Feilitzschen Komposition, das die Wirkung von kalter Gewalt und Zerstörung auslöst.
Dass die maximale Präsenz erzeugt wird, liegt an der hervorragenden Besetzung des Abends. Die Sprecher Stephan Wilkening, Christopher Robson und Elna Lindgens sind exakt rhythmisch, die Sänger (Tenor Jürgen Sacher und Bass Christian Rieger) ausdrucksvoll, die Instrumentalisten der KlangVerwaltung, des Orchesters des verstorbenen Enoch zu Guttenberg (einem Feilitzsch-Schüler), präzise und perfekt geführt von dem jungen Ausnahme-Dirigenten Patrick Hahn.
Auffällig sind die vielen jungen Besucher, gut 300 Schüler sitzen im Herkulessaal, freiwillig, aus Interesse und weil ihnen Ticketpaten den Eintritt ermöglicht haben. Das Gesamtpaket des Abends mit Musik, Film und Umweltschutzthematik ist für sie stimmig. Die Youtube-Generation steht zwar dem kurzen Schwarzweißfilm „Apokalypse“ etwas ratlos gegenüber, zu veraltet ist die Bildsprache. Aber danach gehört die Bühne dem Projekt „Plant for the planet“. „Pflanzen für den Planeten“ ist eine Kinder- und Jugendinitiative, deren Ziel es ist, bei Kindern und Erwachsenen ein Bewusstsein für globale Gerechtigkeit und den Klimawandel zu schaffen und Letzterem aktiv durch Baumpflanzaktionen zu begegnen. In seiner Rede als Botschafter der Initiative führt der junge Benedikt Eder eindringlich vor Augen, dass die Menschheit kurz vor ihrer Apokalypse steht und wir noch etwa 30 Prozent Chance haben, das Blatt zu wenden – wenn wir genügend Bäume pflanzen als Kohlendioxid-Speicher. Karl Feilitzsch hätte es bestimmt gefallen, wenn seine Musik dazu führt, wenn sich Menschen gegen den Klimawandel einsetzen.
Barbara Hauter, 13. November 2018, für
klassik-begeistert.de
Weitere Informationen
www.plant-for-the-planet.org
Bäume sind übrigens ein sehr sinnvolles Weihnachtsgeschenk!
Künstlerische Leitung: Patrick Hahn
Sprecher: Stephan Wilkening
Sprecher: Christopher Robson
Sprecherin: Elna Lindgens
Tenor: Jürgen Sacher
Bass: Christian Rieger
Klavier: Nino Chokhonelidze
Orchester: 15 Instrumentalisten der KlangVerwaltung
Chor: Mitglieder des Chors des Bayerischen Rundfunks
Lichtregie: Benedikt Zehm