Kammermusik: Das Armat Quartett serviert ein musikalisches Luxusfrühstück am Sonntagmorgen in der Laeiszhalle

Armat Quartett, Maurice Ravel, Heitor Villa-Lobos und Ludwig van Beethoven  Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal, 15. Januar 2023

Hovhannes Baghdasaryan, Laeiszhalle © Konrad Schmidt

So kann ein sonniger Sonntagmorgen gerne beginnen! Für diese musikalische Reise nach Frankreich, Brasilien und Wien möchte man auch gerne auf ein ausgiebiges Frühstück verzichten, stattdessen den Weg in die Laeiszhalle aufsuchen.

Armat Quartett

Hovhannes Baghdasaryan, Violine
Makrouhi Hagel, Violine
Sebastian Marock, Viola
Theresia Rosendorfer, Violoncello

Werke von Maurice Ravel, Heitor Villa-Lobos und Ludwig van Beethoven

Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal, 15. Januar 2023

von Johannes Karl Fischer

Etwa zweieinhalb Stunden nach Sonnenaufgang fließt ein wunderbar sanfter Streicherklang in die Ohren: Ravels Streichquartett, ein impressionistisches Meisterwerk für zwei Violinen, Bratsche und Cello. Nicht rüde wird man aus dem Schlaf gerüttelt, mit den vier Musizierenden des Armat Quartetts beginnt ein entspannter Spaziergang durch eine klangliche Gemäldegalerie. Vielleicht hängt an der einen oder anderen Wand ein musikalischer Monet, statt mit dem Pinsel getupft auf den Saiten gezupft.

Der Klang dieser vier Streicher mischt sich wie die Farben eines blühenden Blumenbildes, die Einzelstimmen verschmelzen in einem Gesamtklang. Im zweiten Satz erwacht dann die Welt der kleinen Tiere: Die zupfenden Pizzicati springen umher wie kleine Wasserläufer auf einem Seerosenteich. Nach einem wunderbar gesanglich gespielten langsamen Satz geht es am Ende noch einmal richtig zur Sache: Im Finale können die MusikerInnen sich zu ersten Mal an diesem Morgen richtig austoben, jetzt ist auch das Publikum bereit für etwas mehr Energie.

Doch lange wird man in Frankreich nicht verweilen: Nach diesem Klassiker der Kammermusikliteratur kommt ein sechssätziges Streichquartett von Heitor Villa-Lobos – sein erstes – zu Gehör. Eingerahmt zwischen zwei Klassik-Riesen – Ravel und Beethoven – sticht die musikalische Klasse des leider viel zu selten gespielten Brasilianers hervor. So abwechslungsreich wie dieses Werk ist keins der 16 Beethoven-Quartette: Das waren sechs Sätze, alle völlig individuell komponiert und jeder mit ganz viel Liebe gespielt.

Es ist wie ein richtig fein gekochtes Sechs-Gänge-Menü: Jede einzelne Note, jede Phrase hat genau das Richtige Maß an Energie, an Klang, an Kraft. Alles mit einem ganz feinen Fingerspitzengefühl gespielt. Man fühlt fast wie bei den alten – in Anekdoten überlieferten – Uraufführungen zu Beethovens Zeit: Nach jedem Satz, nach jedem Stück fiebert man darauf hin, was diese wunderbare Musik einem denn als nächstes für Überraschungen zu Gehör bringen wird.

Nach einer für MusikerInnen und Publikum wohlverdienten Pause kommt der Altmeister des Morgens – Ludwig van Beethoven – einmal selbst zu Gehör, mit dem Streichquartett op. 59/1, das erste der drei Rasumowski-Quartette. Theresia Rosendorfer spielt das eröffnende Cello-Solo zu Beginn des Werkes wie entfesselt, mit viel saftig süßem Klang – die Emanzipation des Cellos gilt als eine der vielen revolutionären Neuerungen, mit denen Beethoven Meilensteine der Kammermusik setzte. Wie viel später bei Ravel auch ist der zweite Satz dieses Beethoven-Quartetts ein musikalisches Tanzen und Springen, nur viel mysteriöser, rätselhafter. Das Rätsel wird mit einem farbenfrohen Adagio und Finale aufgelöst, in denen auch noch die volle emotionale Wärme und Tiefe dieser Besetzung zum Klang kommen kann.

Am Ende dieses höchst anspruchsvollen Programms – auch die MusikerInnen wirkten zum Schluss hin verständlicherweise etwas erschöpft – gab es noch eine Zugabe zum Runterkommen: „Por una cabeza“ von Carlos Gardel. Das perfekte Dessert nach diesem köstlich sättigenden Sonntagsfrühstück. Und dieser Tango war so schwungvoll gespielt, da hatte man beinahe das Gefühl, das Publikum würde aufstehen und den kleinen Saal der Laeiszhalle zur Tanzfläche machen…leider war der Saal so spärlich besetzt, dass das auch fast gegangen wäre.

So kann doch ein sonniger Sonntagmorgen gerne beginnen: Mit viel Freude, Klangmalerei und Streicherspringerei! Die Kammerensembles der Hamburger Symphoniker setzten mal wieder Maßstäbe, nicht nur in der Hamburger Kammermusikszene!

Johannes Karl Fischer, 15. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Werke von Johannes Brahms und Richard Strauss, Symphoniker Hamburg, Jacek Kaspszyk, Dirigent Laeiszhalle Hamburg, 9. Oktober 2022

UTOPIA, Dirigent TEODOR CURRENTZIS Laeiszhalle, Hamburg, 5. Oktober 2022

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