https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:David with the Head of Goliath – Caravaggio
Caravaggio, David mit dem Haupt des Goliath (Kunsthistorisches Museum, Wien)
Dieses Meisterwerk bietet sich zur Illustration hier in besonderem Maße an, ist doch das Kunsthistorische Museum nicht nur seine Heimat, sondern zugleich Schauplatz des herrlichen Romans „Alte Meister“ von Thomas Bernhard. Sollten sich nicht angehende Musikkritiker mit der darin beschriebenen Grundhaltung zumindest einmal heiter auseinandergesetzt haben, um dann von „Kunstvernichtung“ Abstand zu nehmen?
König David – „Symphonischer Psalm“
Arthur Honegger
IntoNation – Chor der Hochschule Bremen
Julio Fernández (Dirigent)
Anika Brockmann (Erzählerin)
Instrumental Ensemble
Anna Terterjan (Sopran), Julie Comparini (Alt), Mikolaj Kapala (Tenor)
Inés Pina und Mai Ferreira (Design Bildprojektionen)
Bremen, Kulturkirche St. Stephani, 29. Juni 2025
von Caspar Isenberg
Ein warmer Sommerabend, ein heller sakraler Raum – dazu Musik, die Herz und Verstand gleichermaßen bewegt.
Der Chor „IntoNation“ der Hochschule Bremen präsentierte am Sonntagabend in der Kulturkirche St. Stephani Arthur Honeggers Oratorium König David („Le Roi David“) in der deutschen Fassung – und bescherte dem Publikum ein bewegendes Konzerterlebnis voll emotionaler Tiefe und musikalischer Leidenschaft.
Im Mittelpunkt des Werkes steht das Schicksal des Hirtenjungen, der zum König Israels gesalbt wird: Ein Mensch, der sich durch Mut und Schläue im Kampfe auszeichnet, vom Neid seines Vorgängers Saul verfolgt in seinen Psalmen die Größe Gottes besingt, auf dem Thron Ehebruch und Mord begeht und gepeinigt von seiner Sündhaftigkeit einen strafenden Gott ängstlich um Vergebung bittet.
In einer Reihe kurzer Sequenzen lässt Honegger die Stationen dieses Lebens aufscheinen. Seine Musik verbindet Verspieltheit mit Strenge, jazzige Rhythmen mit Bachartigen Chören, moderne Harmonien und archaisch anmutende Chorpassagen. Rasch folgen aufeinander Märsche, lyrische Arien und lebhafte Tänze. Diese Musik verlangt den Ausführenden einiges ab – technisch wie interpretatorisch – umso mehr ist diese Darbietung zu loben.
Verknüpft werden die musikalischen Passagen in dem von Honegger selbst zum Oratorium umgearbeiteten vormaligen Bühnenstück von einer erzählenden Stimme. Diesen Part übernimmt an diesem Abend konzentriert und gleichermaßen lebendig Anika Brockmann. Sie zieht die Besucher mit Gespür für Rhythmus und Spannung gekonnt in den Bann der Geschichte und bereitet der Musik den Rahmen.

Das Orchester, von einem Kontrabass abgesehen streicherlos, stellt sich mit Tupfern orientalischer Klänge vor. Rasch folgt Davids Hirtenlied in Gestalt einer Altarie, textverständlich und eindringlich vorgetragen von Julie Comparini. Der Chor sekundiert mit einer Lobpreisung Gottes.
Und so wogt es berauschend dahin, keine langen Ouvertüren, wenige Wiederholungen, sondern gleich hinein in die Wirren, rasch hingeworfene Skizzen, stetig vorwärts drängend im Strudel des Berichts.
Den Instrumenten sind vielfach dankbare solistische Aufgaben zugewiesen, und ihre professionellen Meister erfreuen mit Hingabe und Präzision. Das Orchester hat dynamisch mitunter die Oberhand, Trompeten und Hörner können gelegentlich so mächtig sein wie eine Steinschleuder.
Wann immer der Chor in das Geschehen eingreift, geschieht dies mit großer Innigkeit und musikalischer Leidenschaft. Hier hat man sich in der Einstudierung in die dramatischen Szenen hineingedacht, die triumphalen Hymnen, die zarten Psalmvertonungen und die düsteren Momente der Verzweiflung gleichermaßen. Die Identifikation mit den Rollen, die Honegger dem Chor zuweist, ist greifbar.
Dirigent Julio Fernández hat offenkundig die Sympathien seines Chores, den er unverzagt und zuversichtlich zum Äußersten anstachelt. Hier gibt es nichts Aufgesetztes, hier ist alles echt, der Abend wird umsichtig und nuancenreich geleitet.
Berührend sind die Solopartien des Tenors, Mikolaj Kapala, die mit nahezu schmerzhafter Eindringlichkeit vorgetragen werden.
Die Sopransolistin, Anne Terterjan, war ein regelrechter Star: aus ihr wollen die Töne nahezu unvermittelt hervorsprudeln, Musik und Körper sind bei ihr eins, eine wunderbare Gesangsbegabung, ein besonderer Genuss!
Eine große Besonderheit dieser Aufführung waren die wunderbaren Bildprojektionen von Inés Pina und Mai Ferreira. Zu den meisten der 27 Sequenzen wurde jeweils ein Bild projiziert. Graphiken aus verschiedenen Epochen oder daraus herausgelöste Teile, die eine Szene, wie die Beschwörung der Hexe von Endor illustrieren oder symbolhaft einen Aspekt auf warmem Chamois-Ton hervorheben, wie das antikische Tor.
Das Publikum in der nahezu vollbesetzten Kulturkirche zeigte sich begeistert – zu Recht: Ein großer Abend für den Hochschulchor „IntoNation“ – und ein bleibender Eindruck für alle, die dabei sein durften.
Caspar Isenberg, 2. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Arthur Honegger & Jacques Ibert, L’Aiglon Staatstheater Mainz, 2. Februar 2025
Arthur Honegger, Jeanne d’Arc au bûcher, Elbphilharmonie, Hamburg