Archiv Falstaff © Monika Rittershaus
Sind wirklich nur 400 Zuschauer bei Verdis „Falstaff“ in der Hamburgischen Staatsoper, habe ich meine Begleitperson am Abend des 8. Oktober gefragt. Ja! Und sieht man das auch? Wieder ein knappes Ja. Guck’ doch selber, hat sie hinzugesetzt. Was war passiert?
Giuseppe Verdi // Falstaff
Commedia lirica in drei Akten
Komposition: Giuseppe Verdi
Libretto: Arrigo Boito nach der Komödie The Merry Wives of Windsor and Passagen aus dem Drama King Henry IV von William Shakespeare
Inszenierung von 2020
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Valerio Galli // Dirigent
Hamburgische Staatsoper, 8. Oktober 2025
von Jörn Schmidt
Ein Plädoyer für die Feierabend-Oper
In der Hamburgischen Staatsoper sitze ich gerne in Reihe 1. Das liegt vielleicht daran, dass ich auf einer kleinen Insel lebe. Und jeden Abend zum Sonnenuntergang an den Strand gehe. Dort kann ich herrlich in die Ferne gucken, nichts stört den Blick.
Und man sieht nicht, was hinter einem so los ist. So das ich immer sagen muss, dass ich keine Ahnung hätte. Wenn Andreas Schmidt, der Herausgeber von klassik-begeistert, mich fragt, ob die Hamburgische Staatsoper ausverkauft gewesen sei.
Diesmal habe ich aufgepasst. Rund 400 Personen waren im Saal. Auf dem Weg zum Platz habe ich meine Begleiterin gebeten, zu bestätigen. Und zeigte mit großer Geste in den Saal.
Erst einmal ist es wunderbar, wenn sich 400 Menschen in einem Raum versammeln, um Calixto Bieitos Inszenierung von Verdis Falstaff zu sehen. Aber wenn man hinzusetzt, dass die Hamburgische Staatsoper über 1.690 Sitzplätze verfügt. Dann ist das schade.
Ob das ein Ausreißer war? Immerhin hatte ein Kollege unlängst hier bei klassik-begeistert einen Meinungsbeitrag mit dem Titel „Ist Verdis Oper Falstaff nur schlechter Wagner?“ verfasst. Nun, ich glaube, wir würden unsere Arbeit als Autor überschätzen, wenn ein einziger Artikel Kahlschlag zur Folge hätte.
Zumal es in den Kommentaren robust zur Sache ging. Nicht jeder teilt die Meinung des geschätzten Kollegen. Falstaff ist ein MEISTERWERK! Erst recht, wenn so klug dirigiert wie von Valerio Galli. Keine Angst vor orchestraler Wucht, aber fast immer mit großem Herz für seine Sänger. Und mit einem untrüglichen Gespür dafür, welches Wort welcher Klangfarbe bedarf.
Für mich ist Lucio Gallo aktuell der Falstaff schlechthin. Stimmlich, und weil er den alten Sack mit großer Würde spielt. Selbst in Bieitos Inszenierung. Das ist gar nicht so lange her. In der aktuellen Hamburger Spielzeit ist Kammersänger Wolfgang Koch Sir John.
Stimmlich ebenfalls eine Offenbarung, aber Tutto nel mondo è burla scheint ihm nicht so recht zu liegen. Das Ensemble fing es auf. In der Summe hatte der Abend wie so oft in Hamburg ein Niveau, das bestens gefüllte Ränge verdient hätte.

Weitere Gründe, in die Oper zu gehen, gibt es genug. Ich hatte nachmittags einen Termin am Hanseatischen Oberlandesgericht. Wir haben im Rahmen der Verhandlung u.a. zu §§ 358 ff ZPO (Zivilprozessordnung) gesprochen.
Ich war mir sicher, meine Rechtsauffassung ginge vor. Aber wie das manchmal so vor Gericht ist. Wie auf hoher See eben… Bereits nach den ersten Takten von Verdis brillanter Musik war das vergessen. Oper wirkt sehr viel besser als jeder Feierabend-Wein.
In Kombination: Unschlagbar. Probieren Sie doch auch mal Feierabend-Oper aus.
Jörn Schmidt, 10. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giuseppe Verdi, Falstaff Hamburgische Staatsoper, 2. Oktober 2025
Giuseppe Verdi, Falstaff (Premiere), Staatsoper Hamburg, 19. Januar 2020
Giuseppe Verdi, Falstaff, Staatsoper Hamburg, 19. Januar 2020
Auf den Punkt 72: Tobias Kratzer auf dünnem Eis Hamburgische Staatsoper, 3. Oktober 2025
 
					 
	
Das Publikum und die Darsteller haben echt genug von der „modernen“ Regieoper, die die Stücke verfälscht.
I. van Matyas
war selbst mal vor jahren in der hamburger staatsoper 1 reihe allein… sonst auch nicht mehr als halbvoll (leer)… war mir echt peinlich. vor mir ein stardirigent Kent Nagano… mir unbegreiflich…
in Wien so gut wie jede auch repertoire aufführung ausverkauft…
gilt nicht nur für Verdi Puccini Wagner sondern auch für moderne eher sperrige stücke wie aktuell Fin de Partie von Kurtág…
Gsellmann
Ich bin ein großer Opernfan und habe Ihr Haus in den letzten Jahrzehnten sehr oft besucht. Ich bin inzwischen etwas älter, aber die italienische Oper liebe ich seit Jugendtagen. Ohne Herrn Bieito zu nahe treten zu wollen, aber ich denke, er ist nicht jedermanns Geschmack. Leider wollen sich einige Regisseure profilieren und inszenieren an der Musik vorbei, so sie überhaupt wissen, worum es geht. So schade. Ich hab vor Jahren den Falstaff an Ihrem Haus gesehen. Sehr schön und die Baritonrolle hätte gut zu meinem damaligen Lieblingsbariton Sherrill Milnes gepasst, meinte mein Mann. Ich weiss nicht, ob er die Rolle „drauf“ hatte. Jedenfalls sind viele Menschen geschockt durch manche Regisseure. Oper ist und bleibt für mich ein Gesamtkunstwerk. Ich hoffe, ich kann Ihr Haus in der neuen Saison ab und an besuchen mit meiner Enkelin 24 (!!!) Jahre alt. Es gibt nur noch sehr wenig, was ich nicht gesehen hab. Ich liebe die italienische und auch die französische Opernmusik.
Brunhilde Albert
Sobald man mit dem Unsinn des Regietheaters aufhören wird und wieder das Stück inszenieren wird und nicht die verstiegenen Fantasien von Regisseuren auf die Bühne praktiziert, wird Oper auch wieder voll sein. Ich sehe diesen Verfall des Systems Regietheater mit Genugtuung, es hat lange genug dafür gesorgt, dass minder Talentierte die Werke echter Meister zerstören konnten.
Stefan Simon
Bravo!
Andreas Schmidt
Herausgeber
Bei Falstaff ist Wein auch notwendig. Am Besten: rot, schwer und viel. Anders schafft man es nicht über die Runden.
Jürgen Pathy
Lieber Jürgen,
warum sollte Wein „notwendig“ sein, um ein Meisterwerk der Opernhistorie zu genießen?
„Falstaff“ ist das Lebensabschiedswerk eines der größten Komponisten, der je auf unserem Planeten gelebt hat.
Herzlich
Andreas
Lieber Andreas,
long story short: Die Musik lässt mich kalt – somit ist die Oper für mich komplett uninteressant.
Liebe Grüße
Jürgen