Anmerkung: Rund 1200 Zuschauer von 1690 möglichen wollten am Sonntagabend (keine Ferien in HH) Salome mit dem Weltstar Asmik Grigorian erleben. Ich fragte gestern Abend den Intendanten Tobias Kratzer, ob er damit „zufrieden“ sei…. und bekam leider keine Antwort. AS
Aufführung 9. Oktober 2025/Omer Meir Wellber (musikalische Leitung) mit dem Salome-Ensemble (Foto: RW)
Salome ist an der Hamburgischen Staatsoper Chefsache. Zur Wiederaufnahme von Dmitri Tcherniakovs Inszenierung war Asmik Grigorian gesetzt, mit Fug und Recht die Chef-Salome unserer Tage. Daraus wurde am Sonntag nichts, wie Intendant Tobias Kratzer persönlich und ausnehmend charmant verkündete. Was für ein Glücksfall, dass er Ambur Braid zurückgeholt hatte.
Salome, Oper und Libretto von Richard Strauss nach dem gleichnamigem Schauspiel von Oscar Wilde
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Omer Meir Wellber, Dirigent
Ambur Braid, Salome
Dmitri Tcherniakov, Inszenierung und Bühne
Hamburgische Staatsoper, 12. Oktober 2025
von Jörn Schmidt
Die Kanadierin hatte bereits am 5. Oktober 2025 als Salome begeistert, gestern Abend hatte ich mich auf den direkten Vergleich mit dem Weltstar gefreut. Grigorians Ärzte haben dem einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Ambur Braid ist nicht in die Falle getappt, es dem Weltstar stimmlich und schauspielerisch gleichtun zu wollen. Das gelingt selten, endet oft in einem traurigen satirischen Abklatsch. Grigorian gilt schließlich als eine der besten Sopranistinnen weit und breit. Wie wollte man das auch kopieren?
Mit intelligentem Selbstbewusstsein hat Braid auf ihre eigenen Stärken gesetzt. Bei Tcherniakov darf die Salome ohnehin recht wenig tanzen. Braid reduzierte die tänzerischen Gesten weiter auf kraftvolle Andeutungen.
Ohne jeden Hauch von Hektik. Braids Rollenverständnis, so scheint es, ist eine souveräne Salome. Grigorians Salome der Spielzeit 23/24 habe ich dagegen als angespannte Heranwachsende in Erinnerung. Was ebenfalls keineswegs abwegig ist.

In der Stimmführung die gleiche Intelligenz. Braid fing dosiert an, dann geriet ihr eleganter Sopran sanft-umhüllend. Ehe Braid wild reüssierte. Was für ein Leuchten in der Höhe.
Die musikalische Leitung hatte Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber. Ihm ist innert kurzem gelungen, woran Jürgen Klinsmann gescheitert war. Der wollte seinerzeit beim FC Bayern jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen.
Kent Nagano hat seinem Nachfolger ohne Zweifel ein bestens bestelltes Philharmonisches Staatsorchester hinterlassen. Wo soll das noch hinführen?
Bei Salome besteht die hohe Kunst darin, die Balance zu wahren. Einerseits die üppige Partitur zu einem zarten Schmelz verdichten, sahnig wie Karamell. Dabei jeder Emotion, ob morbid, erotisch oder ausschweifend, eine eigene, höchst differenzierte Dynamik und Klangfarbe zu schenken.
Und markerschütternd darf es klingen, durchdringend und grell. Ohne, dass es pauschal laut wird. All das hat Wellber eingefordert und von seinem reaktionsschnellen Schnellboot-Orchester bekommen. Mega.
Die Chef-Salome habe ich von Beginn an nicht vermisst.
Jörn Schmidt, 13. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Salome, Hamburgische Staatsoper, 9. Oktober 2025
Salome, Oper von Richard Strauss Staatsoper Hamburg, 15. November 2023
Fromental Halévy (1799-1862) LA JUIVE (DIE JÜDIN) Oper Frankfurt, 20. Juni 2024
Jörn Schmidt sollte sich unbedingt noch eine Grigorian Salome ansehen. Hoffentlich hat er die Gelegenheit dazu. Technisch wie künstlerisch war Ambur Braid durchaus mit Grigorian auf Augenhöhe, aber eben ganz anders. Mich haben ihre höchsten und tiefsten Töne besonders beeindruckt, aber mir fehlte etwas der nuancierte, kaum erfassbare Ausdruck von Emotion in der Stimme, den Grigorian wie keine Andere beherrscht.
Mathias Brust