Jordi Savall führt auf eine Entdeckungsreise in Sachen Beethoven

Beethoven-Zyklus: Jordi Savall, Dirigent  Wiener Konzerthaus, 21. und 23. Februar 2025

Wiener Konzerthaus, Beethoven ©️ Rubén García Fernández

Mit einer gewissen patriotischen Arroganz ist immer wieder die Mär zu vernehmen, dass die Wiener Philharmoniker in Sachen Beethoven unerreicht und unerreichbar sind. Doch das scheint schon seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall zu sein. Und diverse Originalklangensembles setzen in Sachen des deutsch/österreichischen Komponisten kräftige musikalische Zeichen.

Wiener Konzerthaus, 21. Februar 2025

Ludwig van Beethoven:

Symphonie Nr. 3 in Es-Dur op. 55 „Eroica“
Symphonie Nr. 5 in c-moll op. 67

Wiener Konzerthaus, 23. Februar 2025

Ludwig van Beethoven:

Symphonie Nr. 6 in F-Dur op. 68 „Pastorale“
Symphonie Nr. 7 in A-Dur op. 92

Le Concert des Nations
Dirigent: Jordi Savall


von Herbert Hiess

Natürlich war Beethoven bei Originalklang in Österreich (nicht zu Unrecht) durch Nikolaus Harnoncourt okkupiert. Sei es mit seinem Concentus Musicus oder auch mit dem Chamber Orchestra of Europe, das er durch einige Barockinstrumente aufgemischt hat.

Nun ist natürlich diese Originalklangmethode nicht jedermanns Geschmack  und in Sachen Beethoven war auch Harnoncourt nicht unumstritten.

Und jetzt kam der katalanische Viola da Gamba-Spieler und Dirigent Jordi Savall am 21. Februar 2025 zu Wort, indem er im Wiener Konzerthaus seinen auf vier Abende aufgeteilten Beethoven-Zyklus begann.

Mit seinem Originalklangensemble „Le Concert des Nations“ zelebrierten die Musiker am ersten Abend die „Eroica“ und dann die fünfte Symphonie. Ausgezeichnet besetzt das Orchester – hervorragende Holz- und Blechbläser, exzellente Streicher und ein grandioser Paukist.
Was sollte man sich noch mehr erwarten können.

Wiener Konzerthaus, Beethoven ©️ Rubén García Fernández

Die „Eroica“ begann mit ihren zwei markigen Es-Dur Akkorden, die fast die Visitenkarte dieser Symphonie sind. Auch im Fortissimo im vollen Klang – jedoch niemals unangenehm laut. Savall hatte diese Symphonie perfekt einstudiert; es wurden immer alle Wiederholungen (der Expositionen) ausgespielt. Die Tempi immer flüssig. Und gerade der zweite Satz, der oftmals „zäh“ werden kann, hatte eine ausgezeichnete Dramaturgie. Savall legte auch besonderen Wert auf die Übergänge, die diesem Satz das gewisse Etwas verleihen – bis hin zur ersterbenden Coda.

Genauso mitreißend das Scherzo mit den signifikanten Hörnern im Trio und das Thema mit den Variationen im Finale. Diese Symphonie allein war schon ein Fest.

Danach kam die Wunschkonzert-verdächtige fünfte Symphonie, wo im ersten drei Akt die Achteln meistens wie eine Triole gespielt werden – nicht so bei Savall. Hier wurde der Rhythmus genau eingehalten. Vielleicht hätte man sich manchmal im ersten Satz so viele Kanten und Konturen wie bei der „Eroica“ gewünscht.

Im Finalsatz ließ Savall die Trompeten und die Posaunen (die hier so wie das Kontrafagott) erstmals „zu Wort“ kamen, aufstehen, was der Aufführung einen gewissen dramaturgischen Effekt verlieh. Besonders erwähnenswert der Piccoloflötist, der genauso wie seine Flötenkolleginnen und -kollegen auf Holzflöten spielte. Er war niemals zu laut; mit seinem wunderschönen Ton verlieh er diesem Finalsatz wundervolle Klangfarben.

Ein absolut hörenswertes Konzert, das schon große Vorfreude auf die nächsten Konzerte machte.

Wiener Konzerthaus, Beethoven ©️ Rubén García Fernández

Und genauso ging es am 23. Februar 2025 am gleichen Ort, im Wiener Konzerthaus, weiter. Savall und sein großartiges Ensemble ließen eine fulminante Wiedergabe der „Pastorale“ (6. Symphonie) und dann der 7. Symphonie hören.

Bewundernswert, mit welcher detailverliebten Leichtigkeit die Musiker (vor allem spanischer und lateinamerikanischer Herkunft) Beethoven Leben einhauchten.

Die „Pastorale“ ist ja unglaublich schwierig; gerade der zweite Satz (Szene am Bach) kann sehr rasch in Kitsch ausarten. Nicht so bei Savall und seinem Orchester. Hier glaubte man sich tatsächlich an einen wunderschönen Bach versetzt, wo die Vögel ein inspirierendes Konzert anstimmen –  phantastisch umgesetzt durch die exzellenten Holzbläser und Hörner des Ensembles.

Wiener Konzerthaus, Beethoven ©️ Rubén García Fernández

Da kann man sich etwas schreckhaft an die Wiener Philharmoniker unter Abbado und Rattle erinnern, wo dieser Satz eher „Szene am Sumpf“ heißen hätte sollen; in monströser Streicherbesetzung (manchmal sogar doppeltes Holz) wurde dieser einzigartige Satz nicht nur einmal verunstaltet.

Und nach einem imposanten Gewittersturm (gespielt auf nachgebauten Pauken) und dem Finalsatz wurde das Publikum in die Pause entlassen.

Danach kam die 7. Symphonie – oft gespielt und noch öfters „verhunzt“; nicht so bei Savall. Schon allein die A-Dur Akkorde zu Beginn waren  markant gespielt und nicht wie so oft „portato“; diese Anfangsakkorde sind quasi die Visitenkarte und zeigen, wie es interpretatorisch weitergeht.

Wiener Konzerthaus, Beethoven ©️ Rubén García Fernández

Und genauso war es. Nach einem beeindruckenden ersten Satz kam das Allegretto, das in Wirklichkeit doch ein Trauermarsch ist. Savall und seine Musiker verstanden es, auch dynamisch wunderschöne Effekte zu erzielen. Großartig hier vor allem die Klarinette beim Seitenthema in Dur.

Und mit einem mitreißenden dritten Satz (Presto) und vor allem den hitverdächtigen Finalsatz führte der katalanische Dirigent die Musiker zu einem mehr als verdienten Applaussturm.

Für Interessierte, die dieses Konzerte versäumt haben, gibt es noch die Gelegenheit dieses hervorragende Ensemble im Wiener Konzerthaus am
24. Juni (Symphonien 1, 2 und 4) und 26. Juni 2025 (Symphonien 8 und 9) zu erleben. Das sollte man keinesfalls versäumen.

Übrigens findet dieser Savall-Zyklus im Zusammenhang mit dem Projekt YOCPA (Youth  Orchestra  and Choir Professional Academies) statt, das die Wiederbelebung des musikalischen Erbes fördern soll.

Und schöner und besser kann das nicht gefördert werden.

Herbert Hiess, 24. Februar 2025, für
klassik-begistert.de und klassik-begeistert.at

Herbert hört hin 3 klassik-begeistert.de, 16. Februar 2025, Wiener Konzerthaus und Musikverein Wien

Pinchas Zukerman und Zubin Mehta Wiener Konzerthaus, 16. Jänner 2025

Wiener Symphoniker, Marie Jacquot Wiener Konzerthaus, 31. Dezember 2024

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