Foto: Johannes Fischer
Mit zwei souverän gespielten Krönungswerken eröffnet das Belcea-Quartet ihr Konzertwochenende zum 30. Ensemblejubiläum. Diese fulminante Aufführung hätte auch die größten Schönberg-Skeptiker völlig umgehauen!
Belcea Quartet
Corina Belcea, Violine
Suyeon Kang, Violine
Krzysztof Chorzelski, Viola
Antoine Lederlin, Violoncello
Werke von Arnold Schönberg und Ludwig van Beethoven
Laeiszhalle Hamburg, 11. April 2025
von Johannes Karl Fischer
„As hard as ist gets“ – schwerer wird’s nicht, sagte einst mein langjähriger Geigenlehrer zum ersten Streichquartett Schönbergs. Keine halbe Reminiszenz davon ließ das Belcea Quartet im Auftakt ihrer 30-Jährigen-Jubiläus-Trilogie blicken. Völlig mühelos schwebten die vier Musiker durch die scheinbar unendlichen, wunderbaren Melodien dieses wegweisenden, die Musikgeschichte langsam aus den Fesseln der Tonalität befreienden Werks. Eine ganze Stunde lang stürzten sie sich mit viel Liebe zu dieser Musik in die teils dissonante Partitur, ließen die auf den Saiten flirrenden Choräle sanft ins Ohr schweben.
Souveräner Schönberg begeistert selbst die Skeptiker
Natürlich ist Schönberg generell nicht jedermanns Sache. Vielleicht waren deswegen auch einige Reihen in den Seitenrängen leer. Oder die Leute scheuen sich generell vor allem, wo nicht „Elbphilharmonie“ draufsteht. Alles zu Unrecht: Das war selbst in der ziemlich einsamen Streichquartett-Spitzenliga dieses Klangkörpers eine absolute Paradeleistung der Schönberg’schen Klangkunst! Die innigen, doch intensiven Emotionen flossen sanft in den Saal, die zahlreichen, leicht pfeifenden Flageolett-Töne drangen tief in die musikalische Seele ein. Stimmiger Beifall war die verdiente Folge.
Und wer nach diesem musikalisch singulären Ereignis noch nicht genug hatte, bekam nach der Pause eine ebenso souveräne, nicht weniger innige Aufführung von Beethoven cis-Moll Streichquartett op. 131 serviert. Vom Ensemble selbst als „Krönung ihres Repertoires“ bezeichnet, strahlte auch hier die brennende Inbrunst dieser Melodien mit voller Wärme durch den Saal. Die vier Musiker segelten mit grenzenloser Begeisterung durch alle Ecken dieses kammermusikalischen Gesamtkunstwerks und brachten die äußerst vielseitigen Facetten dieser Musik prachtvoll unter das Publikum.
Auch Beethoven berührt leidenschaftlich
Dazu gehörten neben den lang gestreckten, wunderbare singende Streichermelodien natürlich auch die lustigen Pizzicato-Einfälle im schnellen Presto, die die Musiker mit viel Spaß von den Saiten springen ließen und einen regelrecht zum Lachen brachte. Auch der zu dieser Zeit schon lange taube, seinem Lebensende entgegenblickende Komponist hatte seinen musikalischen Humor. Beethovens Musik ist eben in allen Facetten universell, das zeigten auch die völlig verdienten stehenden Ovationen am Ende des „nur“ vierzig Minuten dauernden Streichquartetts!
Zur Krönung des Konzertabends wurde allerdings die Zugabe: Das langsame Lento aus Beethovens Quartett op. 135. Noch ein heftig-deftiger Streichquartett-Satz? Wird’s nicht langsam ein bisschen viel? Nein, diese Musik atmete leidenschaftlich mit reinster, ruhiger Kraft der sanften musikalischen Streichquartett-Gesänge. Des Klanges höchste Macht, eine wohltuende, innige Auszeit für die musikalische Seele völlig jenseits der immer verrückteren Außenwelt…

Und mal wieder dieses Hamburger Publikum…
Mit diesem fulminanten Konzert feiert das Belcea Quartet ausgerechnet an der Elbe ihr dreißigstes Jubiläum. Zweifelsohne hat die Laeiszhalle schon einige musikalische Weltereignisse auf dem Konto – hier traten einst Maria Callas, Vladimir Horowitz und nach wie vor Martha Argerich auf. Aber ich finde, das Hamburger Publikum könnte diese Ehre mal ein bisschen mehr zu schätzen wissen und mindestens mal Präsenz zeigen. Man hätte ja auch im Pierre Boulez Saal oder Wiener Musikverein spielen können. Denn diese Aufführung hätte auch die größten Schönberg-Skeptiker völlig umgehauen!
Johannes Karl Fischer, 12. April 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
BELCEA QUARTET, Streichquartette von Beethoven und Julien Anderson Elbphilharmonie, 16. Februar 2024
Belcea Quartet, Mozart, Penderecki, Brahms, Wiener Konzerthaus
Kammermusik mit Janine Jansen und Denis Kozhukhin Kölner Philharmonie, 1. April 2025