Tragik und Schönheit: Petrenko dirigiert Alban Berg und Dvorak

Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko  Philharmonie Berlin, 19. September 2020

Foto: Kirill Petrenko (c)

Alban Berg  Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“
Antonin Dvorak  Symphonie Nr.5 F-Dur op.76
Frank Peter Zimmermann  Violine
Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko  Dirigent
Philharmonie Berlin, 19. September 2020

von Peter Sommeregger

In seinem dritten Konzertprogramm der noch jungen Saison, gelingt es Kirill Petrenko erneut, die ausgetretenen Pfade der Programmgestaltung zu verlassen, und zumindest ein selten gespieltes Werk zu präsentieren.

Am Beginn des Konzertabends steht aber Alban Bergs Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ inspiriert vom tragisch frühen Tod der Manon Gropius, Tochter der Mahler-Witwe Alma, die 18-jährig an den Folgen der Kinderlähmung starb. Das Schicksal wollte es, dass dieses Musikstück nicht nur ein Requiem für Manon, sondern auch für den Komponisten selbst wurde, der die Uraufführung nicht mehr erlebte.

Wie kein anderes Werk der Zwölftontechnik hat dieses, vom Geiger Louis Krasner bei Berg bestellte Werk eine erstaunliche Popularität erreicht. Das liegt wohl hauptsächlich daran, dass Berg dem Konzert ein gut nachvollziehbares Konzept gab, und vor allem tonale Elemente wie einen mehrfach variierten Kärntner Ländler und einen Bach-Choral einfließen ließ.

An diesem Abend ist Frank Peter Zimmermann der Solist, der dieses Konzert nach eigenem Bekunden sehr schätzt. In den einleitenden Phrasen entlockt er seiner Stradivari unglaublich sanfte, lyrische Töne von schwerer Süße. Petrenko nimmt das groß besetzte Orchester streckenweise fast kammermusikalisch zurück, erst zu Beginn des zweiten Satzes, der den Einbruch der Katastrophe in Manons Leben schildert entfaltet es die angestrebte Wucht und Dramatik. Gegen Ende tauchen noch einmal, stark verfremdet, die Motive des Ländlers auf, die Zimmermann mit unendlicher Wehmut auskostet. Eine große, im Gedächtnis bleibende Interpretation!

Philharmonie Berlin,
© Schirmer

Antonin Dvoraks fünfter Symphonie begegnet man bedauerlich  selten im Konzertsaal. Das Werk des 34-jährigen Komponisten ist aber seinen späteren Werken dieser Gattung, selbst der populären 9., „Aus der neuen Welt“ durchaus ebenbürtig. Schon die einleitenden Flöten und Bläserfanfaren verraten eine reiche Vielfalt an musikalischem Material, das nur scheinbar auch folkloristische Elemente enthält. Dvorak, der seine Laufbahn als Bratschist begann, weiß um die Geheimnisse einer perfekten Instrumentation. Dominieren in den ersten beiden Sätzen noch die Hörner und Flöten, so kommen im 3. Satz die Streicher vermehrt zum Einsatz in tänzerischen, stark rhythmisierten Passagen. Den finalen Satz beherrschen wiederum die Bässe, die ein wildes, dämonisches Element einbringen, ehe sich das volle Orchester dem triumphalen Schluss nähert.

Großer Jubel und Freude über ein für viele Zuhörer vielleicht bisher unbekanntes Stück. Auch die obligatorischen Masken können die Bravo-Rufe nicht verhindern, höchstens dämpfen.

Peter Sommeregger, 20. September 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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