Sagt man nicht immer wieder „Der erste Eindruck ist der beste“?! Genau der vermittelt sich beim Erleben einer Opernaufführung unmittelbar.
Die schriftliche Kritik kann Programmaufsätze und Literatur erarbeiten und hat bereits einen zeitlichen Abstand zum Erlebten.
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In seiner letzten WEB-Vorschau auf den Monat Mai 2024 der Wiener Staatsoper formulierte der Wiener Staatsoperndirektor Bogdan Roščić seine Sicht des sogenannten postdramatischen Theaters, das sich momentan in einer „riesigen Diskussion befinde“ (sic!), die er auch beobachte.
Wir verstehen darunter das „Regietheater“, ein Ausdruck für die Dominanz der Regie über Musik und Gesang in der Kunstgattung Oper. Er kommentierte damals am 1. März, „ob die großen Stoffe nicht eine Renaissance erleben sollen oder müssen“, wo er sich aber lieber nicht einmischen wolle.
Aber eines könne er sagen: „In der Oper geht das posttraumatische Theater, also das Infragestellen von klassischen Rollen der Darsteller, das Infragestellen eines vorgegebenen Textes, weil er das Geschehen auf der Bühne vielleicht zu sehr einengt, nicht. Denn da ist der Stoff mit der Musik verwoben.“ Der Staatsoperndirektor schließlich: „Man müsste also sehr viel Musik neu erfinden. Und über diese Schwelle mag sich dann doch niemand so recht trauen…“
Das Regierteam Jossi Wieler, Sergio Morabito (Chefdramaturg der Wiener Staatsoper) und Anna Viebrock (Bühne und Kostüme) hat aber nun in seiner bereits in Salzburg zu Ostern 2022 auf einiges Unverständnis gestoßene „Lohengrin“-Produktion genau das gemacht, und man muss sich in der Tat fragen, warum dieser „Lohengrin“ nun nach Wien kommen musste. Man will mit dieser entfremdenden Inszenierung eine „Befragung der Rollenbilder“ des „Lohengrin“ durchführen, die Figuren aus einer, wie Morabito es nennt, „szenischen Schockstarre befreien“, als ob Wagner nicht all diesen Rollen klare und aus dem Stück heraus nachvollziehbare Positionen zugewiesen hätte. Bei 17 inhaltlichen Aufsätzen im Programmbuch, das kaum einer im Publikum vorher durchgelesen haben dürfte, wenn er überhaupt eines gekauft hat, befinden sich allein fünf vom Chefdramaturgen, aber kein einziger von Richard Wagner, der das Stück immerhin geschrieben und komponiert hat.
Das Ergebnis: Allenfalls eine Inszenierung für einen Festspiel-Versuch oder ein Stagione-Haus, aber nicht für ein Repertoire-Theater wie die Wiener Staatsoper!
Dr. Klaus Billand, 18. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Lohengrin, Christian Thielemann Wiener Staatsoper, 5. Mai 2024