© Johan Persson | Johan Persson
Ja, in drei Teufels Namen – „Black Sabbath“ in der Oper? Als Ballett? Sie lesen richtig! Und so bin ich natürlich sofort zur Stelle, sehe zum ersten Mal, dass Fan-T-Shirts verkauft werden – und Ohrenstöpsel verteilt, „Ist ja Heavy Metal“ sagen die Saalordner, aber Markus, den ich gerade kennenlerne – ein „Death Metal“ Fan mit langen Haaren (er ist heute nicht allein!), hält mich davon ab, „bloß keine Stöpsel, die brauchts nicht, nein, die dürfen nicht sein!“
Black Sabbath – The Ballet
Gastspiel Birmingham Ballet (Direktor Carlos Acosta)
49. Hamburger Ballett-Tage am 9. Juli 2024
Originalmusik: Black Sabbath
Choreographie: 1. Akt (Heavy Metal Ballet) Raúl Reinoso, 2. Akt (The Band) Cassi Abranches, 3. Akt (Everybody is a Fan) Pontus Lidberg
Designer: Alexandre Arrechea
Royal Ballet Sinfonia, musikalische Leitung Paul Murphy
Staatsoper Hamburg, 10. Juli 2024
von Harald Nicolas Stazol
…und so biete ich meine der Dame neben mir an, die auch verzichtet, Angelika aus Baden, und ich kann ja im Zweifelsfall meine iPods in die Ohren hauen – aber kein Grund! Hat mich die Direktion doch sorgsam in Reihe 18 verlegt, dafür bin ich sehr dankbar, den das Total Volume der riesigen Boxen beiderseits der Bühne ist schon beachtlich, zum Glück aller sind ja die Logen in unserem wundervollen Haus fest verankert seit den 50ern, ich schwör, die kämen sonst runter!
Mannomann, diese Engländer! Das Birmingham Royal Ballet plus deren Sinfonie, ich sage ja, Teifi, Teifi, und schon ist es da, da, das Ausnahme-Ensemble, an Synchron-Tanzen nicht zu übertreffen, in einem mal schwarz, mal hellstrahlenden Setting, in Rockerklamotten, sexy ist das alles, und neu, und ja, für das junge Publikum, das ich ja immer herbeiwünsche, begrüße, und verehre – tatsächlich sind ja dann auch zahlreiche Twens zu finden, nicht zuletzt englische Ballettschüler, sie stehen draußen in der ersten Pause, ein Mädchen zeigt Tanzschritte auf dem Trottoir, „Did you like it?“ frage ich noch, „Of course, Mate!“, sagen sie, und dann gleich, „Cheers Mate“, und stoßen mit Bier an,, und dass sie mitgereist sind, aus der Stadt, die nach dem Wegzug der Stahlindustrie zu einem Armenhaus geworden ist, von der Tragödie ist heute Abend aber nichts zu spüren.
„Wo ist denn der Gitarrist“ fragt sich bang und erwartungsvoll mein Teen auf der anderen Seite neben mir, doch da ist er schon, zwar mit Luftgitarre, aber voll präsent, und so ist es kein Wunder, das die Tänzer ihn einmal in den Himmel heben, wird doch die Geschichte der Band mit in der Tat beeindruckenden Gruppenbildern und Interviews aus dem Off nachgestellt, Teufel noch eins! Da ist wirklich was los auf den Brettern der Staatsoper!
Nur was? Da wird am roten Faden des „Metal“ geleitet, durchsetzt von Kompositionen fürs ebenso klangverstärkte, teuflische Orchester, Ozzy Osbornes Leben erweckt, dass einem die Ohren abfallen, samt Interviews im zweiten, und Fanquotes im dritten Teil, ach, die Zeit vergeht so flugs gerade, denn da ist soviel junger Kraft und adoleszentem Ungestüm und frischer Hingabe, ja, sie rocken mit schon in den Seitenprospekten vor dem Auftritt, und da sind sie schon wieder, hier alle, dort bezaubernde Solisten, ich zähle drei Pas de Deux, einer begeisternder als der andere, am erinnerungswertesten aber der ewige Kuss (ich vermute verbindende Mundstücke zwischen den Zähnen?), das eine Paar in schwarzem Catsuit und verborgenen Gesichtern, das andere dazu – Gut und Böse? – in ebenselben Rockerklamotten, die heute im Publikum ja füglichst erwartet und erlaubt sind?
Ein wirklich untypischer Fan-Haufen heute, durchsetzt vom eher gesetzten, eher traditionellen Hamburger Publikum, die aber, das höre ich in der Pause, da war schon die ganze Truppe eingesetzt, in hoher Kunst, hohem Bein und hinreißenden Moves – nun, die Hanseaten hin- und mitgerissen: „Was für ein frischer Wind, welche Leistung, ich bin hin und weg!“ heißt es von einem älteren Herrn bei den Erfrischungen, und wenn sogar Headbangen ausbricht auf der Bühne, und von einigen auf den teuersten Plätzen enthusiastisch-enthusiasmiert sofort aufgenommen wird, ha, FUCKING HELL!! – da mache ich doch gleich mit!
Und vorne hauen sie schon auf die Bretter, als gäbe es kein Morgen!
Ist doch der Teufel immer mit von der Partie, im dritten Akt auf einem silbernen Autowrack mit weitgespreizten Flügeln als Statue – wie haben sie die denn auf den Kontinent geschafft? Und den Brexit überflügelt? – und da fliegt das Corps de Ballet – oder sollte man lieber „The Troup“ sagen – schon wieder hin und her, und drunter und drüber, die Riesenskulptur drehend und wendend, optischer Hochgenuss, akustischer auch, und nein, die Ohrenstöpsel braucht man gar nicht, naja, vielleicht dann doch in den vordersten Reihen.
Da werden Schallplatten wie Autoreifen reingerollt für artistische Darbietungen – wieder dieser Spaß, diese Freude! – we have fun, tanzen sie, you too? – „Are you kidding“, wollte man ausrufen, da sind schon wieder acht Tänzer und acht Ballerinen von rechts nach links und vorne und hinten gefegt, geflitzt, ja, gedonnert, man kommt ja aus der Anglophilie gar nicht heraus im Lichte der sechs meterlangen Neonröhren, strahlend von Schwarzlicht bis Lila – in der Rezeption mögen sich vielleicht die Geister scheiden, am Show-Effekt und Sensation und Brimborium – aber ich sage ja, wenn da nicht die Brücke zu Teens und Twens und absoluten Neulingen in der Oper geschlagen wird – ja, wer kann denn daran Fehl finden???…
Zweimal aus Nebelschwaden steigen sie auf, die Birminghamer, einmal wirbelt ein Solist eine Holzplatte auf Rädern um sich herum, Teufel noch eins, da kommt einfach keine Sekunde auch nur ein Spürchen Langeweile auf! WE ARE NOT BORING!“ – Indeed you are not, will man aufschreien!
Und schon überstrahlen 20, 30 Scheinwerfer den ganzen Saal, während „Black Sabbath“ weiter Metal krachen lässt, und dass mir, dem Klassik- und Neumeier-Adepten, und da fluten wieder die Riffs und Rhythmen und die rasenden Klänge über unsere Köpfe, zum Teufel, sowas habe ich echt noch nicht erlebt!
Die anderen im vollbesetzten Saal auch nicht, und so brüllen und johlen und pfeifen und klatschen wir stehend wie die Irren, und da ist schon der Director, Carlos Acosta, CBE, (Commander of the Order of the British Empire), der das alles ins Leben rief, strahlend vor Freude, und wir alle, kaum zu glauben, übertönen am Ende noch den „Heavy Metal“, wenn auch mit rauschenden, und ja, zudem berauschten Ohren.
Nur, weil ich auf Instagram ein Foto stelle, werde ich offenbar wegen der Worte „Schwarzer Sabbath“ geblockt, hahaha!
What the Dizzle, what the Devil!
And for that?
Thanks, Mates!
Harald Nicolas Stazol, 11. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Programm des Hamburger Balletts in der Saison 2024/25 Staatsoper Hamburg, 18. März 2024