Bei dieser „Götterdämmerung" sieht man buchstäblich Schwarz

Blu-ray-Rezension: Richard Wagner, Götterdämmerung, Valentin Schwarz, Regie  8. September 2023

Blu-ray-Rezension:

Richard Wagner
Götterdämmerung

Valentin Schwarz  Regie
Cornelius Meister  Dirigent

Bayreuther Festspiele 2022

DG 004400736404

von Peter Sommeregger

Die für den Festspielsommer 2020 geplante Ring-Neuinszenierung durch den jungen österreichischen Regisseur Valentin Schwarz stand unter keinem günstigen Stern. Bedingt durch die Corona-Pandemie mussten die Festspiele im Sommer 2020 abgesagt werden, vertragstechnisch konnte die Ring-Inszenierung erst im Sommer 2022 realisiert werden. Die Kritik und auch das Publikum nahmen die Regiearbeit in seltener Einmütigkeit eher negativ wahr.

Die Deutsche Grammophon hat nun einen Mitschnitt des letzten Tages der Tetralogie auf zwei Blu-ray-Discs vorgelegt. Es bleibt offen, ob geplant ist, den gesamten Schwarz-Ring in dieser Form zu veröffentlichen, ein großes Interesse daran scheint nicht zu bestehen. Wobei die Unkenntnis der ersten Teile das Verständnis für diese „Götterdämmerung“ zusätzlich erschwert. So dauert es eine Weile, bis man realisiert, dass der Regisseur den Ring in der Figur eines androgynen Knaben, und das Ross Grane als grauhaarigen Mann auftreten lässt. Beides führt im Laufe der Handlung zu unlogischen Abläufen und kompliziert die Inszenierung zusätzlich.

Die einleitende Nornenszene lässt bereits nichts Gutes ahnen: die drei Sängerinnen sind völlig absurd und abstrakt kostümiert. Siegfried und Brünnhilde kommen nicht viel besser weg, die Sängerin der Brünnhilde, Iréne Theorin, trägt während der gesamten Aufführung ein blasslila Negligee der nicht unbedingt kleidsamen Art. Und für die extreme Leibesfülle des Siegfrieds von Clay Hilley muss eine Hose im XXL-Format mit Hosenträgern herhalten. Der aus dem Nichts aufgetauchte amerikanische Tenor rettete bereits die Ring-Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin, auch in der Bayreuther Aufführung war er nur Einspringer.

Das Auge hat wenig Freude an der Inszenierung, die Gibichungenhalle ist ein mondän eingerichteter Bungalow, in dem ständig Hauspersonal herumwuselt, nachdem der Brünnhildenfelsen im ersten Bild einfallslose Schlichtheit ausstrahlte. Die Figuren Gunthers und Gutrunes werden stark aufgewertet, Michael Kupfer Radecky singt vorzüglich, wird von der Regie aber zu einem permanent zappelnden Zombie überzeichnet, wogegen Elisabeth Teige ihre pralle Weiblichkeit gekonnt ausstellt. Auch sie gehört vokal zu den Pluspunkten der Aufführung. Der Halbbruder Hagen wird von Albert Dohmen mit dem erforderlichen Grimm ausgestattet, stimmlich fehlt ihm das letzte Quäntchen an Dominanz und Bösartigkeit.

Der Regisseur Schwarz neigt leider zu einer starken Überzeichnung der Figuren, gleichzeitig fehlt ihm die Fähigkeit, komplexe Szenen zu entwickeln. Der zweite Akt ist eigentlich der dramaturgische Höhepunkt des Werkes, bei Schwarz findet auf leerer Bühne eigentlich nur kleinteiliges Gehampel statt. Die Figur des den Ring symbolisierenden Knaben wird zum Störfaktor in allen Abläufen, im Grunde steht er permanent im Weg. Warum der Chor düstere Masken tragen muss, ist durch nichts begründet, sie sind aber das einzige ikonische Bild, das von dieser Inszenierung haften bleibt.

Den optischen Tiefpunkt erreicht die Inszenierung im dritten Akt, Schauplatz ist der Boden eines geleerten Schwimmbeckens. Versatzstücke, wie eine Kühlbox für Getränke, bilden eine unschöne Möblierung. In diesem Ambiente spielt also das Finale dieser großformatigen Tetralogie, wird extrem banalisiert und auch jeder Logik beraubt. Tapfer schlägt sich der Siegfried Clay Hilleys, der einen kräftigen Tenor mitbringt, den der Sänger ökonomisch einzusetzen weiß. Auch seine Textverständlichkeit ist lobenswert. Iréne Theorin als Brünnhilde gehört dagegen zu den Sängern auf dem absteigenden Ast. In vielen Jahren Bayreuth hat sie sich um die Festspiele große Verdienste erworben, diese aktuelle Brünnhilde gehörte eher nicht dazu. Die Stimme ist verbraucht, Spitzentöne werden nur noch mühsam erreicht, und die Textverständlichkeit war noch nie die Stärke dieser Künstlerin.

Nornen und Rheintöchter sind ansprechend besetzt, der Chor der Festspiele ist wie immer eine Klasse für sich. Wenig überzeugend ist das Dirigat von Cornelius Meister, ihm fehlt ein wenig der Sinn für die großflächige Architektur des Werkes, allerdings war er auch nur kurzfristiger Einspringer.

In Valentin Schwarz’ Inszenierung fehlt dem Werk jegliche Größe und Überhöhung. Die Banalität der Szene und der Gehalt des Werkes driften hier doch zu stark auseinander. Beim Schlussapplaus erhält das gesamte Regieteam dafür eine selten so einmütig gehörte Missfallenskundgebung. Ungerechtfertigt ist sie nicht.

Peter Sommeregger, 8. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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