Jazz ist Schluss! Das Brad Mehldau Trio beendet vorläufig die laufende Saison in der Elbphilharmonie mit einem fulminanten Konzert

Brad Mehldau Trio,  Elbphilharmonie Hamburg, 12. März 2020

Foto: © Philipp Seliger

Ulrich Poser berichtet über das staatlich verordnete Abschlusskonzert in der Elbphilharmonie vom 12. März 2020

Es kam ein wenig Weltuntergangsstimmung auf, als Christoph Lieben-Seutter zu Konzertbeginn ans Mikrophon schritt, um im zu 3/4 gefüllten Saal zu verkünden, dass dieser Abend zumindest bis zum 30. April 2020 die letzte Veranstaltung in der Elbphilharmonie sein wird.

Was dann folgte, war Weltklasse-Jazz auf höchstem künstlerischen Niveau. Fangen wir mit dem Meister Brad Mehldau an. Er ist mit diesem Haus bestens vertraut, schon im Eröffnungsjahr 2017 trat er zweimal dort auf.

Was ist das Besondere an Brad Mehldau? Zum einen hat er einen sehr individuellen glasklaren Anschlag und spielt mit einer schier unglaublichen Reinheit und Dynamik, um die ihn einige Klaviervirtuosen aus dem klassischen Bereich beneiden dürften. Kein pseudodramatisches Gehämmere, nichts klingt überlagert, verdichtet oder undefinierbar. Jeder Ton seines Spiels existiert als von Mehldau geschaffenes Individuum und erfährt als notwendiger Teil des Ganzen künstlerische Existenzberechtigung.

Foto: © Philipp Seliger

Wie bei Thelonious Monk gilt: Wichtiger als das, was man spielt, ist, was man nicht spielt. Zum anderen gehört Brad Mehldau – wie übrigens sein Gitarrenkollege Pat Metheny auch – zu den anerkannt genialen Komponisten im Genre. Seine kompositorisch höchst anspruchsvollen Werke (Eigenkompositionen und Bearbeitungen vorbestehender Kompositionen) sind keine einfachen Skalenimprovisionen, Umdeutungen oder langweiligen Fingerübungen, sondern meisterlich komponierte Kunstwerke, vielleicht Jazz-Sonaten, um die unschönen Worte Jazz-Mini-Opern zu vermeiden.

Das Konzert begann mit der Eigenkomposition „For David Crosby“ und beinhaltete – nebst anderen – Bearbeitungen der Werke von Cole Porter (I concentrate on you), Sonny Rollins (Airegin; man lese den Titel bitte rückwärts) und das wunderbare „Young at heart“ von Leigh/Richards, in welchem der Drummer Jeff Ballard besonders brillierte.

Mehldau saß wieder in der für ihn so typischen Brad-Beugehaltung vor dem Steinway und verzauberte den Saal mit seinem einfühlsamen, virtuosen Spiel. Das Publikum dankte  es dem US-Amerikaner mit frenetischem Jubel nach jedem Stück.

Foto: © Philipp Seliger

Zum Brad Mehldau Trio gehören auch Larry Grenadier am Bass und Jeff Ballard am Schlagzeug. Larry Grenadier kann wohl als der derzeit weltweit bekannteste Jazzbassist bezeichnet werden. Der aus San Francisco stammende Ausnahmekünstler musizierte schon mit allen Größen des Jazz zusammen, u.a. auch mit Pat Metheny. Sein Spiel auf dem Kontrabass beeindruckte an diesem Abend vor allem durch seine meisterliche Fingerfertigkeit und sein unermüdliches Greifen, die offensichtlich unter Beweis stellten, wer der Herr der widerborstigen (Stahl-?) Saiten ist.

Auch der Kalifornier Jeff Ballard an den Drums ist Mitglied des Metheny-Burton-Mehldau-Clubs. Er lieferte an diesem Abend einen nicht zu überbietenden Paradeauftritt und stellte mehrfach unter Beweis, dass das Schlagzeug keine reine Rhythmusmaschine, sondern ein filigranes Instrument mit einer unendlichen Anzahl von Klang- und Gestaltungsmöglichkeiten  ist. Es war die pure Freude ihm zuzuhören und zuzusehen, wie er sein Instrument ständig wechselnd mit Sticks, Schlägeln und Besen liebkoste und so mithalf, diesem Abend das „gewisse Etwas“ zu verleihen.

Foto: © Philipp Seliger

Überflüssig zu erwähnen, dass das Zusammenspiel dieser drei Weltklasse-Virtuosen in einem grandiosen swingenden Ganzen mündete. Vielleicht war es Letzterem zu verdanken, dass sich das Publikum angenehm zurückhaltend benahm: Kein Bonbonpapierrascheln, keine Aggrohuster, kein Hundegebell und: kein Handyklingeln!

Am Ende Standing Ovations für alle. Die Gründer des Blue Note Labels Alfred Lion und Francis Wolff hätten gesagt: „This schwingt!“.

Ulrich Poser, 14. März 2020, für
klassik-begeistert.de

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