Ethel Smyth war Felsensprengerin und Brückenbauerin

Buch-Rezension: Ethel Smyth, Paukenschläge aus dem Paradies  klassik-begeistert.de, 20. August 2023

Buch-Rezension:

Ethel Smyth
Paukenschläge aus dem Paradies

Erinnerungen

ebersbach & simon

von Peter Sommeregger

Die bemerkenswerte britische Komponistin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Ethel Smyth starb bereits 1944 nach einem bewegten Leben im Alter von 86 Jahren. Dass Teile ihrer Lebenserinnerungen erst heute in deutscher Sprache erscheinen, passt in das Bild dieser notorisch unterschätzten Persönlichkeit. Ihre posthume Popularität erfuhr im letzten Jahr einen gewissen Schub, als das renommierte Festival in Glyndebourne mit großem Erfolg Smyth’ Oper „The Wreckers“ aufführte. Konzertante Aufführungen dieser Produktion fanden auch in London und Berlin statt und boten Gelegenheit, sich von der Qualität dieser Oper und von Smyth’ kompositorischem Oeuvre allgemein zu überzeugen. Es ist sicher noch nicht zu spät, ihr Werk endlich in den Kanon internationaler Spielpläne aufzunehmen.

Das Buch, das nur Auszüge aus ihren wohl sehr umfangreichen Lebenserinnerungen enthält, besticht von der ersten Seite an durch ironischen Eigenhumor, schonungslose Ehrlichkeit und eine schier überbordende Erzählfreude. Was hat diese Frau aber auch nicht alles erlebt! Nach einer behüteten viktorianischen Kindheit stürzt sie sich in das Abenteuer eines Musikstudiums in Leipzig, wo sie u.a. auf Clara Schumann und Johannes Brahms trifft. Die Schilderungen des dortigen Musiklebens im ausgehenden 19. Jahrhundert bilden den interessantesten Teil des Bandes, aber auch ihre Exkurse in Geschichte, Politik und speziell ihr Engagement für die Bewegung der Suffragetten, das ihr sogar einen Gefängnisaufenthalt eintrug, sind lesenswert, weil authentisch erlebte Geschichte. Smyth’ Begegnungen mit gekrönten Häuptern, Politikern, Künstlern und Mäzenen beschreiben eindrucksvoll den großen Radius des reichen Lebens dieser Frau.

Die Übersetzerin und Herausgeberin Heddi Feilhauer hat eine kluge Auswahl aus den diversen autobiographischen Werken von Ethel Smyth getroffen, die sich so amüsant und spannend liest, dass man durchaus Lust auf mehr bekommt. Man kann nur hoffen, dass dieses Buch einen weiterer Schritt zur Neubewertung und Wahrnehmung dieser Ausnahmefrau darstellt.

Peter Sommeregger, 19. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Daniels vergessene Klassiker Nr 25: Dame Ethel Smyth – Konzert für Violine und Horn (1928) klassik-begeistert.de, 16. Juli 2023

Daniels vergessene Klassiker Nr 15: Dame Ethel Smyth – Serenade in D (1889 – 1890) klassik-begeistert.de, 26. Februar 2023

Ethel Smyth, The Wreckers  (Oper) Konzertante Aufführung Philharmonie Berlin, 25. September 2022

Sommereggers Klassikwelt 134: Die bemerkenswerte Dame Ethel Smyth, klassik-begeistert.de

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