„The Wreckers“ von Ethel Smyth in der Philharmonie Berlin: Ein Konzert, dem hoffentlich noch weitere folgen werden

Ethel Smyth, The Wreckers  (Oper)  Konzertante Aufführung Philharmonie Berlin, 25. September 2022

Ethel Smyth
The Wreckers 

Philip Horst (Pascoe)
Karis Tucker (Thirza)
Daniel Scofield (Lawrence)
Rodrigo Porras Garulo (Mark)
Lauren Fagan (Avis)
Donovan Singletary (Harvey)
Jeffrey Lloyd-Roberts (Tallan)
Marta Fontanals-Simmons (Jack)

Rundfunkchor Berlin
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Robin Ticciati   Dirigent

Konzertante Aufführung Philharmonie Berlin, 25. September 2022

 von Peter Sommeregger

Die britische Komponistin Ethel Smyth (1858-1944) ist heute in Deutschland wenig bekannt, obwohl sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch hier große Erfolge feiern konnte. Ihre Oper „The Wreckers“ (Strandräuber oder Strandrecht) wurde 1906 in Leipzig uraufgeführt, die Oper „Der Wald“ 1902 an der Berliner Hofoper.

Robin Ticciati brachte nun in der Philharmonie mit seinem Deutschen Symphonieorchester Berlin und einer Reihe hervorragender Sänger diese Oper in ihrer französischen Originalfassung zur deutschen Erstaufführung. Was ein erstauntes und zunehmend begeistertes Publikum zu hören bekam, war eine Musik voller Intensität und Wildheit, und trotz aller Anklänge an Zeitgenossen wie Mahler, Richard Strauss oder Debussy geprägt von einem sehr persönlichen, eigenwilligen Stil der Komponistin Smyth.

Die höchst dramatisch angelegte Geschichte von einem Dorf an der Küste Cornwalls spielt Ende des 18. Jahrhunderts. Angestiftet von ihrem Dorfprediger löschen die verarmten Fischer die Feuer in den Leuchttürmen, was regelmäßig Schiffe an der felsigen Küste stranden lässt, die dann zur Beute der Dorfbewohner werden, wobei Überlebende kaltblütig ermordet werden. Als die Handlung einsetzt, waren seit geraumer Zeit keine Schiffe mehr gestrandet, weil die Seeleute durch heimlich entzündete Feuer gewarnt waren. Die Suche nach dem „Verräter“ ist das bestimmende Element der Handlung. Smyth’ Musik dazu ist mit dem Chor der Dorfbewohner und acht Gesangssolisten stark vokal ausgerichtet, zeichnet sich dabei durch gut singbare Rollen aus, die allerdings auch hohe Anforderungen an die Sänger stellt. Das Orchester ist groß besetzt und wirkt streckenweise ein wenig zu laut, schließlich sollte sie ja eigentlich auch aus dem Graben eines Opernhauses ertönen. Jeder der drei Akte hat ein Orchestervorspiel, wobei speziell jenes zum 2. Akt ein wunderbar lyrisches Konzertstück ist, das auch für sich bestehen könnte.

Der Bassbariton Philip Horst singt mit etwas aufgerauter Stimme den unchristlich handelnden Dorfprediger und verleiht der Figur die erforderliche Dominanz. Die eigentliche Heldin ist seine sich ihm entfremdende Frau Thirza, die von Karis Tucker mit leuchtendem dramatischen Mezzosopran glaubwürdig verkörpert wird. Für ihren Liebhaber Mark bringt Rodrigo Porras Garulo einen kräftigen, schön timbrierten Tenor mit, dem auch exponierte Töne hervorragend gut gelingen.

Lauren Fagan als Avis, die Thirzas Gegenspielerin singt, besitzt einen schönen lyrischen Sopran, der auch zu leidenschaftlicher Attacke fähig ist. Auch der Rest des gut ausgewählten Sängerensembles entledigt sich seiner Aufgaben bravourös, so dass am Ende alle Beteiligten frenetisch gefeiert werden. Nicht zu klein darf der Anteil des Rundfunkchores Berlin eingeschätzt werden, der die Handlung immer wieder kommentiert. Das Deutsche Symphonieorchester Berlin stürzte sich mit großem Engagement in die gewaltige Partitur, die farbenreich, dramatisch und vor allem abwechslungsreich ist.

Am Ende steht die Frage, warum es bisher nicht gelungen ist, das umfangreiche Werk von Ethel Smyth, das auch Orchesterwerke und eine große Messe enthält, wieder nachhaltig im Repertoire zu etablieren. Ihre Musik hat alles, was man nur wünschen kann: Originalität, Professionalität und vor allem einen unverwechselbaren eigenen Stil. Möge dieses Konzert nicht ohne Folgen bleiben, und Ethel Smyth wieder mehr in den Fokus rücken. Ethel Smyth wusste, wie schwer eine Durchsetzung ihrer Kompositionen werden würde: „Der genaue Wert meiner Musik wird wahrscheinlich erst dann erkennbar sein, wenn von der Autorin nichts mehr übrig ist als geschlechtslose Punkte und Striche auf liniertem Papier“.

Peter Sommeregger, 26. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt 134: Die bemerkenswerte Dame Ethel Smyth, klassik-begeistert.de

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Rezension La Compositrice – Komponistinnen der frühen Neuzeit und Gegenwart, Allerheiligen Hofkirche, München, 6. März 2022

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