„Persönlichkeiten wie Neumann waren es, die Komponisten und ihre Werke durch ihr Gespür für das Theater durchsetzen konnten.“
Buch-Rezension: Heinz Irrgeher, Josef „Angelo“ Neumann – Wagners vergessener Prophet (Leipziger Universitätsverlag)
von Peter Sommeregger
Die Person Angelo Neumanns, ein begnadeter Impresario des 19. Jahrhunderts, ist durch ihre enge Verknüpfung mit der Biographie und dem Werk Richard Wagners keineswegs so vergessen, wie es der Untertitel dieser verdienstvollen Publikation vermuten ließe. Neumanns „Erinnerungen an Richard Wagner“ finden sich wohl in der Bibliothek jedes Wagnerianers oder generell an Wagner Interessierten.
Den erheblichen Anteil, den Neumann an der Rezeptionsgeschichte von Wagners „Ring des Nibelungen“ hat, kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Nach der Uraufführung bei den ersten Bayreuther Festspielen 1876 war eine Fortsetzung der Festspiele in den Folgejahren aus finanziellen Gründen für Richard Wagner nicht möglich. Neumann als Operndirektor Leipzigs konnte Wagner zur Erlaubnis einer Leipziger Produktion überreden, die für alle Beteiligten auch zu einem materiellen Erfolg wurde.
Endgültig zum Glücksfall wurden Neumanns Kreativität und Geschäftssinn für Wagner durch das sogenannte Wagner-Wandertheater, mit dem Neumann halb Europa in den Genuss von Ring-Aufführungen brachte und das Werk damit nachhaltig durchsetzte.
Der Autor Heinz Irrgeher, Hobby-Musiker und viele Jahre Präsident der „Freunde der Wiener Staatsoper“ hat sich der mühsamen Aufgabe unterzogen, den Spuren Neumanns in Wien, Leipzig und seiner letzten Wirkungsstätte Prag akribisch nachzuspüren. Das flüssig geschriebene Buch enthält eine Fülle interessanter historischer Details. Die Schilderung der Leipziger Musik-und Theaterszene des 19. Jahrhunderts gerät vielleicht ein wenig zu umfangreich, bestätigt aber die erschöpfende Recherche des Autors. Persönlichkeiten wie Neumann waren es, die Komponisten und ihre Werke durch ihr Gespür für das Theater durchsetzen konnten.
Umfangreich wird auch die Erfolgsgeschichte der Direktion Angelo Neumanns am Deutschen Theater in Prag behandelt, in deren Zeit große Karrieren von Dirigenten und Sängern durch den guten Instinkt des ursprünglich selbst als Sänger auftretenden Impresarios ihren Anfang nahmen.
Irrgeher schließt mit seinem Buch auch eine wichtige Lücke in der biographischen Literatur jener Zeit. Gerade deshalb ist es unverständlich, warum es kein Namensregister enthält. Bei der Erstellung eines solchen wären wahrscheinlich auch mehrere falsch angegebene Vornamen aufgefallen, die in einem so gut recherchierten Buch doch verwundern.
Trotz dieser kleinen Einschränkung kann man das Buch aber als wertvollen Beitrag zur Operngeschichte des 19. Jahrhunderts empfehlen!
Peter Sommeregger, 28. Dezember 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at