Umschlagabbildung: Richard Wagner, L. Pierson, Fotografie,1867, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth
Buchbesprechung:
Eva Rieger „Leuchtende Liebe, lachender Tod.
Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik“
von Jolanta Łada-Zielke
Ich warne alle Damen, die dieses Buch in die Hand nehmen: Richard Wagner könnte Sie nach dieser Lektüre vergraulen. Eva Rieger liefert eine sehr aufschlussreiche Analyse der Darstellung weiblicher Figuren in seinem Werk.
Viele sagen, sie lieben nur Wagners Musik, würden ihn aber persönlich nie kennenlernen wollen. Doch auch seine Musik erweist sich bei näherer Betrachtung als antifeministisch. Während er Männer durch starke, leuchtende Diatonik und strahlende Dur-Tonarten charakterisiert, schreibt er Frauen unangenehm klingende und abwärtsgehende Intervalle wie Tritonus und Septime, zu. Sogar Wotan, obwohl eine negative Figur, wird von würdevollen, feierlichen Klängen begleitet, während Fricka, die gute Absichten hat, musikalisch als eifersüchtiges und nörgelndes Weib rüberkommt.
Wagner leitet sogar die Instrumente in „weibliche“ (Holzbläser plus Harfe) und „männliche“ (Blechbläser). Doch er war ein Kind seiner Zeit, und wir alle wissen, welche Stellung Frauen in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts einnahmen.
Der Komponist hält Spiritualität für eine Männerdomäne, was nicht stimmt. Schon zu seiner Zeit waren Mystikerinnen wie Hildegard von Bingen und Teresa von Ávila bekannt. Der Titel des Buches bezieht sich auf die freudige Verbindung von Siegfried und Brünnhilde, ist aber auch eine schmerzhaft zutreffende Quintessenz der Frauenschicksale in Wagners Werken.
Eine Frau ist für ihn nur insoweit wertvoll, als sie sich für den geliebten Mann aufzuopfern vermag, wie er es an Senta und Elisabeth zeigt. Diejenige, die sich dem männlichen Willen widersetzt, wird dafür bestraft. Deshalb verlässt Lohengrin Elsa, und Wotan beraubt seine Tochter Brünnhilde ihrer Göttlichkeit. Siegmund und Tristan, die sich in ihre Partnerinnen unendlich verlieben, erhalten dadurch „weibliche“ Züge, was sie schwächer macht und von Heldentaten abhält. Wagner als Autor verurteilt sie dafür zum Tode.
Das vorletzte Kapitel, das von Kundry handelt, hat mich schockiert. Bislang hatte ich diese Figur für die reichhaltigste und vielseitigste gehalten, vielleicht mit Ausnahme des dritten Aktes von „Parsifal“. Es stellte sich jedoch heraus, dass ihr Schöpfer sie als Verkörperung des Bösen in seiner primitivsten, fast animalischen Form darstellen und dies durch antisemitische Akzente noch verstärken wollte. Der Komponist dämonisiert die weibliche Sexualität, die für Männer, seiner Meinung nach, eine Bedrohung sei.
Anderseits war Wagner auf Frauen angewiesen. Er konnte weder schreiben noch komponieren ohne eine liebevolle Partnerin an seiner Seite, die sein Werk verstand. Dies war bis zur Mairevolution in Dresden 1849 seine erste Frau Minna. Dann schienen Jessie Laussot und später Mathilde Wesendonck oder Mathilde Maier eine solche zu sein. Doch es war Cosima, die alle diese Voraussetzungen schließlich erfüllte. Wagner war aber verantwortungsvoll. Zwar ist nicht hundertprozentig bewiesen, dass er einen Sohn mit seiner Haushalterin Vreneli hatte, doch er wurde der Pate von diesem Jungen und sorgte für dessen Unterhalt.
Trotz der frauenfeindlichen Untertöne in Wagners Schöpfungen, die Eva Rieger schonungslos offenlegt, bietet diese Publikation einen hervorragenden Leitfaden durch das Werk des Bayreuther Meisters.
Ich empfehle, das entsprechende Kapitel vor dem Besuch einer seiner Opern zu lesen, insbesondere beim ersten Mal. Dank der zugänglichen Anleitung der Autorin kann man tiefer in die musikalische Seite eines Werks von ihm eintauchen. Darüber hinaus gibt es einige interessante Anekdoten, beispielsweise wie Wagner nach der Geburt seines Sohnes Siegfried den Text der „Ode an die Freude“ zu Ehren seines männlichen Erben paraphrasierte.
Rieger schließt ihre Arbeit mit einem Zitat aus dem Essay „Über das Weibliche im Menschlichen“, den Wagner gegen Ende seines Lebens schrieb. Diese Aussage ist überraschenderweise etwas fortschrittlicher als seine früheren Ansichten: „Der Prozess der Emanzipation des Weibes geht unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Das schmerzhafte Umdenken gilt dabei in erster Linie für die männliche Hälfte der Menschheit. Aber auch Frauen täten gut daran, ihre nach wie vor real verbreitete Marginalisierung nicht leichtfertig als historisch erledigt abzutun und die kulturelle Tiefenstruktur zu bedenken, die sich unaufhörlich reproduziert, wenn sie nicht ins Bewusstsein vordringt“.
Dies zeigt, dass der Komponist eine bessere Vision für die Zukunft gehabt hat. Aus heutiger Sicht haben die Frauen in seinen Opern – genau durch ihre Differenziertheit in der Chromatik und den Intervallen – eine viel moderner und emanzipierter Aussage als zu seiner Zeit.
Jolanta Łada-Zielke, 2. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Die Buchangaben:
Eva Rieger, „Leuchtende Liebe, lachender Tod. Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik“
Georg Olms Verlag AG, Hildesheim 2024
ISBN 978-3-7582-0265-0
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