„Wer warst du, als ich dich heiratete?“ – Richard Wagner in den Augen seiner ersten Frau Minna Planer

Buchbesprechung: Eva Rieger „Minna und Richard Wagner. Stationen einer Liebe“  klassik-begeistert.de, 15. August 2024

Buchcover: Minna Planer-Wagner , 1855 gemalt von Alexander von Otterstedt

Buchbesprechung: Eva Rieger „Minna und Richard Wagner. Stationen einer Liebe“

Patmos Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf
ISBN 978-3-491-69143-8

von Jolanta Łada-Zielke

Ich wollte schon immer mehr über diese Frau erfahren, die manche Biographen Richard Wagners – wie Joachim Köller und Martin Gregor-Dellin – als engstirnige Kleinbürgerin darstellen, die das Genie ihres Mannes nicht erkannte. Eva Rieger präsentiert Minna in ihrem Buch als eine mutige und widerstandsfähige Frau.

Auf dem Cover gibt es ein Porträt von Minna Planer-Wagner aus dem Jahr 1855, gemalt von Alexander von Otterstedt. Sie war zu diesem Zeitpunkt 46 Jahre alt, sah aber noch sehr hübsch aus. Man beschrieb sie als „eine schöne Frau mit Gazellen-Augen“.

Im Hintergrund sind die Umrisse des Gesichts ihres Mannes zu erkennen. Es stellt sich die Frage, wer von den beiden tatsächlich im Schatten des anderen stand?  Richard Wagner selbst schrieb in einer Anwandlung von Selbstkritik: „Arme Minna! Das Schicksal hat Dich an einen der seltsamsten Menschen gebracht!“ – und zwar in einem Brief aus dem Jahr 1864, also lange nach ihrer Trennung.

Christiane Wilhelmine Planer genannt Minna wurde am 5. September 1809 in ärmlichen Verhältnissen geboren. Wie ihre Schwestern hat sie nur eine Grundausbildung erhalten, daher findet man Rechtschreibfehler in ihren Briefen. Doch ihre, meist an ihre Freundin Mathilde Schiffner in Dresden adressierte Korrespondenz, bildet die Grundlage für die Lebensgeschichte der Gattin eines der größten deutschen Komponisten. Der Titel jedes Kapitels des Buches enthält ein Briefzitat.

Wagner bewarb sich selbst um die 4 Jahre ältere und erfolgreiche Schauspielerin, und war sein ganzes Leben lang mehr oder weniger abhängig von ihr. Das Paar heiratete am 24. November 1836 in Königsberg, acht Monate nach der Uraufführung der ersten Oper Wagners „Das Liebesverbot“ in Magdeburg – eigentlich gegen den Willen ihrer beiden Familien. Von Minna kann man sagen, dass sie dadurch ein „zweites Kind“ zum Aufziehen genommen hat (das erste war ihre uneheliche Tochter Natalie, die offiziell als ihre Schwester fungierte). Richard nannte seine Frau in ersten Briefen „Minel“ oder „Mienel“.

Nach seiner Affäre mit Jessie Laussot und der Begegnung mit Mathilde Wesendonck begann Wagner, seine Ehe anders wahrzunehmen. 1853 schrieb er an Liszt: „Durch eine vorschnelle Heirat im 23. Jahre mit einer achtungswerten, aber mir ganz unangehörigen Frau bin ich ein fürs Leben Verfemter geworden“.

Diese Meinung ist ungerecht. Minna gab für Richard ihre vielversprechende Schauspielkarriere auf, um ihn treu in seinem künstlerischen Ringen zu begleiten. Sie floh mit ihm von Riga nach London und geriet dabei mehrmals in lebensbedrohliche Situationen. In Paris teilte sie die Notjahre mit ihm. Wenn es ihr gelang, etwas günstiger zu kaufen, gab sie die wenigen gesparten Sous für ein Päckchen des Schnupftabaks und ein paar Zigarren für ihren Mann aus.

Sie tolerierte sein obsessives Interesse an der Hydrotherapie, dem er in der Schweiz erlag. Mit mütterlicher Zärtlichkeit kümmerte sie sich um Richards Wohlfühlen, organisierte die Umzüge, solange sie zusammen waren, und ertrug Unannehmlichkeiten von den Gläubigern ihres Mannes. Ihre unsichere finanzielle Situation bedrückte Minna umso mehr, weil sie versuchte, ihre Eltern finanziell zu unterstützen.

Eine verheiratete Frau in der damaligen Gesellschaft war abhängig vom Einkommen des Ehepartners. Deshalb empfand Minna die Dresdner Zeit als die glücklichste, als Richard die feste Stelle des königlichen Kapellmeisters hatte und seine Opern „Rienzi“, „Der fliegende Holländer“ und „Tannhäuser“ mit Erfolg uraufgeführt wurden.

Beide waren gewissermaßen in der bürgerlichen Moral verhaftet. Wagner ertrug diese schwer, wollte sich davon befreien und glaubte, sein Künstlerstatus erlaube ihm dies zu tun. Für Minna war es eine natürliche Umgebung. Deshalb hat sie Natalie bis zu ihrem Lebensende nicht verraten, dass sie ihre leibliche Mutter ist. Ebenso wollte sie Richard die Scheidung nicht einreichen, nachdem sie sich schließlich nach dem Wesendonck-Eklat getrennt hatten. In beiden Fällen hatte sie Angst, ihren sozialen Status zu verlieren.

Minna Wagner mit dem Hund Peps, Porträt von Clementine Stockar-Escher, 1853 © Wikipedia

Wagner verlangte von seiner Lebenspartnerin die gleiche Ergebenheit wie bei den Heldinnen seiner Opern. Minna schien zunächst so zu sein.

Ursprünglich wollte Richard die weibliche Hauptrolle in „Der fliegende Holländer“ Minna nennen, erst dann entschied er sich für Senta. Später verglich er seine Ehefrau mit der strengen und prinzipientreuen Fricka.

Minna mochte seine frühen Opern (besonders „Lohengrin“) und fühlte sich als ihre Mitschöpferin, weil er ihr alle Entwürfe bis einschließlich 1848 vorlas und vorspielte. Kein Wunder, dass sie es schmerzhaft mitbekam, als eine andere Frau – Mathilde Wesendonck – begann, von diesem Privileg exklusiv Gebrauch zu machen.

Minna versuchte, sich nicht über ihr Schicksal zu beklagen und nahm viele Dinge mit Humor. Der Fall mit Mathilde Wesendonck war komplizierter als es manche Wagner-Biographen – vor allem Imre Keszi[1] – darstellen. Als Minna den Liebesbrief an Richards „Muse“ abfing, der im Entwurf der Partitur der Ouvertüre zu „Tristan und Isolde“ versteckt war, wollte sie die Angelegenheit so sanft und diskret wie möglich klären.

Im Endeffekt geriet sie leider zwischen „Hammer und Amboss“ – also zwischen ihrem Ehemann und den Wesendoncks. Als die Wagners aus dem „Asyl“ schließlich auszogen, beschuldigte sie Mathilde direkt in einem Brief, ihren Mann gegen sie aufzuhetzen und sie vor dem eigenen Ehegatten zu verleumden. All diese Erfahrungen haben Minnas Gesundheit schwer geschädigt. „Meine Nerven sind so angegriffen, daß ich nicht einmal Musik hören kann, am allerwenigsten aber welche von Wagner, was mir sonst das Liebste auf dieser Welt war“, schrieb sie an Cosima von Bülow. Als Minna im Alter von 56 Jahren an einem Lungenödem starb, war Richard bereits mit Cosima zusammen.

Neben der turbulenten Geschichte von Minna und Richard, die sich als Drehbuch für einen Film eignet, enthält das Buch einige amüsante Anekdoten, sowie wertvolle Informationen, zum Beispiel über Wagners kulinarische Vorlieben. Minna bereitete die meisten der Gerichte zu, die er speiste, vor allem von der sächsischen Küche: Bratwurst, Eierkuchen und sächsische Käsekeulchen. In Riga gab es an besseren Tagen Lachs und Kaviar auf Wagners Tisch. In der Schweiz verzehrte er Wildbret, und während eines Aufenthalts in England Kalbskoteletts mit Spinat. In Venedig gönnte sich der Komponist Zitroneneis und trank Champagner dazu.

Nach der Lektüre dieses Buch könnten die LeserInnen von Richard Wagner als Mann abgeschreckt sein. Er bezog sich oft „sexistisch“ auf Frauen, wie wir heute sagen würden. Das waren eben andere Zeiten, und er war nicht der einzige Mann, der sich so verhielt.

Eva Rieger schildert die Geschichte seiner Ehe mit Minna objektiv und lässt Raum, uns eine eigene Meinung zu bilden.

Jolanta Łada-Zielke, 15. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

[1] Imre Keszi, Unendliche Melodie. Lebensroman Richard Wagners, Berlin, Verlag der Nation 1984 

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